Project Gutenberg's Berlin--Panorama einer Weltstadt, by Karl Gutzkow

Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the
copyright laws for your country before downloading or redistributing
this or any other Project Gutenberg eBook.

This header should be the first thing seen when viewing this Project
Gutenberg file.  Please do not remove it.  Do not change or edit the
header without written permission.

Please read the "legal small print," and other information about the
eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file.  Included is
important information about your specific rights and restrictions in
how the file may be used.  You can also find out about how to make a
donation to Project Gutenberg, and how to get involved.


**Welcome To The World of Free Plain Vanilla Electronic Texts**

**eBooks Readable By Both Humans and By Computers, Since 1971**

*****These eBooks Were Prepared By Thousands of Volunteers!*****


Title: Berlin--Panorama einer Weltstadt

Author: Karl Gutzkow

Release Date: February, 2006 [EBook #9977]
[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
[This file was first posted on November 6, 2003]

Edition: 10

Language: German

Character set encoding: ISO Latin-1

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK BERLIN--PANORAMA EINER WELTSTADT ***




Produced by Mike Pullen and Delphine Lettau.




This Etext is in German.

We are releasing two versions of this Etext, one in 7-bit format, known
as Plain Vanilla ASCII, which can be sent via plain email--and one in
8-bit format, which includes higher order characters--which requires a
binary transfer, or sent as email attachment and may require more
specialized programs to display the accents. This is the 8-bit version.

This book content was graciously contributed by the Gutenberg Projekt-DE.
That project is reachable at the web site http://gutenberg.spiegel.de/.

Dieses Buch wurde uns freundlicherweise vom "Gutenberg Projekt-DE" zur
Verf�gung gestellt. Das Projekt ist unter der Internet-Adresse
http://gutenberg.spiegel.de/ erreichbar.




BERLIN--Panorama einer Weltstadt

von KARL GUTZKOW




Inhaltsverzeichnis


I. "Weltstadt"-Panorama
  Caf� Stehely (1831)
  Cholera in Berlin (1831)
  Alte Bauten-neue Bauten (1832)
  Dom, Schauspielhaus-"Sechserbr�cke" (1840)
  Blumenausstellung in Stralow (1840)
  Notizen (1841)
  Berlins sittliche Verwahrlosung (1843)
  Der Geist der �ffentlichkeit (1844)
  Myst�res de Berlin? (1844)
  Impressionen-z.B.: Borsig (1854)
  Quatsch, Kroll und "Satanella" (1854)
  Neues Museum-Schlo�kapelle-Bethanien (1854)
  Zur �sthetik des H��lichen (1873)

II. F�r und wider Preu�ens Politik
  �ber die historischen Bedingungen einer preu�ischen Verfassung (1832)
  Drei preu�ische K�nige (1840)
  Das Barrikadenlied (1848)
  Landtag oder Nicht-Landtag (1848)
  Preu�en und die deutsche Krone (1848)
  Abwehr einer Verleumdung (1850)
  Varnhagens Tageb�cher (1861)
  Vorl�ufiger Abschlu� der Varnhagenschen Tageb�cher (1862)

III. Drei Berliner Theatergr�ssen
  Ernst Raupach (1840)
  Ludwig Tieck und seine Berliner B�hnenexperimente (1843)
  Madame Birch-Pfeiffer und die drei Musketiere (1846)

IV. Aus dem literarischen Berlin
  Der Sonntagsverein (1833)
  Cypressen f�r Charlotte Stieglitz (1835)
  Diese Kritik geh�rt Bettinen (1843)
  Ein preu�ischer Roman (1849)
  Eine n�chtliche Unterkunft (1870)
  Zum Ged�chtnis Wilhelm H�rings (Willibald Alexis) (1872)
  Lyrisches aus dem Zeitungsviertel (1873)
  Louise M�hlbach und die moderne Romanindustrie (1873)




I. "Weltstadt"--Panorama




Caf� Stehely (1831)


Ob man bei Stehely einen Begriff von der Verberlinerung der Literatur
bekommen kann--ganz gewi�, oder man m��te sich t�uschen in dieser stummen
Bewegungssprache, die einen Haufen von Zeitschriften mit wilder Begier
und neidischem Blick zusammentr�gt, ihn mit der Linken sichert und mit
der Rechten eine nach der andern vor die starren, teilnahmslosen
Gesichtsz�ge h�lt. Die Eisenstange und das Schlo� des Journals scheint
mit schwerer Gewalt auch seine Zunge zu fesseln--wer w�rde hier seinen
Nachbar auf eine interessante Notiz aufmerksam machen? Ein feindliches
Heer k�nnte eine Meile von Berlin entfernt sein, kein Mensch w�rde die
Geschichte vortragen, man w�rde auf den Druck warten und auch dann noch
ein Exemplar durch aller H�nde wandern lassen--fast in der Weise, wie in
Stralow die honetten Leute vor jeder lebhafteren Gruppe vorbeigehen mit
dem tr�stenden Zuruf, man w�rd' es ja morgen gedruckt lesen.

Stehelys Besucher bilden nat�rlich zwei Klassen, die Jungen und die
Alten, mit der n�heren Bezeichnung, da� die Jungen ans Alter, die Alten
an die Jugend denken. Jene sind Literaten in der guten Hoffnung, einst
sich so zu sehen, wie man jetzt die Klassiker sieht, weihrauchumnebelt;
diese sind Beamte, alte Offiziers, die in einem Atem von den politischen
Stellungen des preu�ischen Staats, den F��en der Elsler, den Koloraturen
der Sontag, dem Spiel der Schechner sprechen! Nichts Unerbaulicheres! Vor
dem Gespr�ch dieser alten Gecken m�chte man sich die Ohren zuhalten, oder
in die einsamere Klause des letzten Zimmers fl�chten. Schon wenn sie
angestiegen kommen, zumal jetzt im Winter; diese dummen, loyalen
Gesichter, diese Socken und Pelzschuhe, deren Tritt nicht das leiseste
Ohr ersp�hen k�nnte. Triumphierend rufen sie um die "Staatszeitung",
forschen nach den privatoffiziellen Erkl�rungen eines H., v. R., v. Wsn.
Hierauf lesen sie die Berliner Korrespondenzen in der "Allgemeinen
Zeitung", die ja wohl der Ausdruck der Berliner �ffentlichen Meinung, als
wenn es eine solche g�be, sein sollen, und wenn sie sich dann noch an den
logischen Demonstrationen der Mitteilungen aus der "Posener Zeitung"
gest�rkt haben, fallen sie �bers Theater her und man mu� sie verlassen.
Ihnen am n�chsten stehen einige langgestreckte Gardeleutnants und
Referendare, die sich dadurch unterscheiden, da� die einen viel sprechen
und wenig denken, die andern wenig denken und viel sprechen. Diese geben
den �bergang zu den schon vorhin bezeichneten J�ngeren, auf die wir unten
des breiteren zur�ckkommen m�ssen.

Es fehlt hier also durchaus nicht an den Mitteln und Elementen, sich ein
Bild der Berlinerei vorzuf�hren. Man verlasse das Lokal und bei jeder
Aussicht wird man f�r sein Bild noch immer treffendere und bezeichnendere
Z�ge finden. Sogleich die Ansicht einer Kirche, die au�erdem, da� sie
eine Kirche ist, auch keine ist. Wie ein Luftball, der unten einen
Fallschirm zur Sicherheit tr�gt, erhebt sich die stolze Vorderseite
dieses Domes, leere Steinmassen und hohler Prunk, und hinten dann das
geschmackloseste Anh�ngsel einer kappenf�rmigen Kuppel, die doch das
Wahre an dem ganzen L�rm ist in ihrer sonnt�glichen Bestimmung. Wiederum
vom Opernplatz aus furchtbare Steinmassen, Urkunden des Ungeschmacks aus
dem 16ten und 17ten S�kulum, Hunderte von Fenstern erinnern an die Zeiten
der Aufkl�rung und der Illuminaten, die kahlen Kulturversuche finden sich
wieder in diesen leeren W�nden, die sich ohne Unterbrechung 80-90 Fu� in
die H�he gl�tten. Gilt dies freilich mehr gegen eine vergangene Zeit, so
h�lt es doch nicht schwer, das alles wiederzufinden in der
Galanteriewarenmanier der neuesten Bauten, wo der Ernst nur ein
�bert�nchter ist ...




Cholera in Berlin (1831)


... Im gegenw�rtigen Augenblick besch�ftigt uns am meisten die seit dem
ersten d. M. hier wirklich angekommene Cholera: Auf der Frankfurter
Journali�re erwartet und auf die Kontumazanstalt verwiesen, hat sie einen
anderen Weg genommen, durch den Finowkanal. Die n�heren Umst�nde des
ersten Cholerafalles sind in der Tat tragikomisch, der Schlu� fast
balladenartig. An die M�glichkeit, da� die Cholera nach Charlottenburg
(eine halbe Meile von Berlin) k�me, hatte man nicht gedacht, der Hof
hatte sich im dortigen Schlosse absperren wollen und eine Anzahl
Proviantwagen war schon dahin abgegangen. Da erscholl pl�tzlich von
dorther die Kunde von einem an der Cholera gestorbenen Schiffer.
Polizeibeamte und die wachslinnenen, steifen Harnischm�nner, die zur
Wartung der Cholerakranken eigens errichtete Garde, eilen hinaus und in
dem stolzen Bewu�tsein, im Kampfe die ersten zu sein, tun sie sich ein
wenig zu Gute. Der Tote wird eingesargt, und des Nachts sollen ihn die
W�rter auf einem Kahne vom Schiffe abholen; doch am andern Morgen erfuhr
man, da� bis auf einen ans Ufer getriebenen Mann alle untergegangen, und
die Fischer bei Spandau einen Sarg im Netze gefangen hatten. Da nun
dieser mit der Spree in Ber�hrung gekommen ist, will man weder Fische
noch Krebse essen. Jene Proviantwagen sind auch wieder zur�ckgekehrt, und
soviel man wei�, wird sich der K�nig auf die Pfaueninsel bei Potsdam
begeben.

Der erste Erkrankungsfall in Berlin selbst war der eines Schiffers,
gerade in der Mitte der Stadt. Bis jetzt sollen 29 erkrankt und 21
gestorben sein. Man klagt �ber die Mutlosigkeit und Unbeholfenheit der
hiesigen �rzte: Wir hatten gehofft, erfahrene M�nner aus den infizierten
Gegenden hieher gezogen zu sehen; doch ist von einer solchen Sorgfalt
noch nichts bekannt geworden. Die �ffentliche Stimmung ist bis jetzt noch
so ziemlich gem��igt, doch sind Vergn�gungs�rter gegenw�rtig weniger
besucht, und das Raffen nach Pr�servativen, Leibbinden, Harzpflastern ist
allgemein; Dienstboten werden entlassen, manche Nahrungszweige stocken
g�nzlich. Es lassen sich die Folgen des kommenden Elends noch nicht
berechnen.




Alte Bauten--neue Bauten (1832)


... In den langweiligen Zeiten der Restauration, vor den milit�rischen
R�stungen und den Verheerungen der Cholera, waren die Kassen des Staats
reicher gef�llt als gegenw�rtig. Berlin war in zunehmender Versch�nerung
begriffen; die Auff�hrung vieler �ffentlicher Geb�ude lie� ebensosehr den
Geschmack bewundern, in dem sie angelegt und vollendet wurden, als die
Vorsicht loben, die einem gro�en Teile unserer Proletairs eine reichliche
Nahrungsquelle sicherte. Diese Baulust ging damals auch auf Privatleute
�ber, deren Geld und Unternehmungsgeist Berlin um ein prachtvoll gebautes
Stadtquartier vergr��erte. Aber auch von dieser Seite stehen alle Plane
gegenw�rtig still. Die beiden �ffentlichen Bauten, an die in diesem
Augenblick allein gedacht wird, sind die v�llige Umgestaltung des
sogenannten Packhofes, eines Stapelplatzes und Warenlagers f�r die
ankommenden Kaufmannsg�ter, und ein k�nftiger Neubau der Bauakademie. Wer
in Berlin gewesen ist, wei�, da� er, um vom Schlo�platze nach der
J�gerstra�e zu kommen, sich durch die lebhafteste, aber zugleich auch
engste Passage, die Werderschen M�hlen, die Schleusenbr�cken, die
Verbindung unserer Alt- und Neustadt, durchwinden mu�. Sp�ter wird diese
unbequeme Gegend gelichtet werden. Dicht an der genannten Br�cke wird
rechts ein freier Platz beginnen, der die Aussicht nach dem
Packhofgeb�ude und der Werderschen Kirche frei macht. Gewinnen werden bei
einem solchen Projekt die Besitzer jenes H�userwinkels von der
Niederlagstra�e bis zur Br�cke, verlieren aber mu� die kleine, winzige
Werdersche Kirche, deren Unbedeutendheit bei einer gro�artigern und
freiern Umgebung nur deutlicher hervortreten wird.

Der Bau der obengenannten Akademie hat noch nicht begonnen, aber es kann
auch noch lang mit ihm anstehen, da der gegenw�rtige Zustand dieses
Instituts einen so bedeutenden Kostenaufwand nicht vergilt. Diese einst
so bl�hende Anstalt ist gegenw�rtig durch die Er�ffnung neuer
Provinzialbauschulen und die Gewerbeakademie, die sich unter der Leitung
des Hrn. Beuth, unsers k�nftigen Handels- und Gewerbeministers, immer
mehr hebt, in die tiefste Zerr�ttung gesunken, so da� die Zahl der an ihr
angestellten Lehrer der der Sch�ler gleichkommen mag. Darum bleibt
vielleicht dieses Bauprojekt einstweilen noch unausgef�hrt....




Dom, Schauspielhaus--"Sechserbr�cke" (1840)


Von meiner Wohnung aus ist mir ein Blick auf die Umgebungen des Schlosses
gew�hrt, auf eine �berf�lle von gro�en Geb�uden, die die Gegend von dem
Anfang der Linden bis zum Dom zu einem der merkw�rdigsten Pl�tze Europas
machen. St�rten mich nur nicht am Dom die beiden Zwillingsableger des
gro�en Turms! Neben einer gro�en Kuppel, die schon an sich unwesentlich
ist, da sie f�r das Innere der Kirche gar keinen Wert hat, sondern nur
als blo�e architektonische Verzierung dient, haben sich noch zwei kleine
Schwalbennester wie zwei Major-Epauletts niedergelassen. Man hatte dabei
wahrscheinlich die Isaakskirche in Petersburg vor Augen; aber dort
geh�ren diese kleinen T�rme zum Kultus, indem sie auf einzelne Kapellen
Licht fallen lassen, sie sind so zahlreich bei den russischen Kirchen
angebracht, da� sie schon dadurch etwas f�r die dortige heilige
Architektur Wesentliches vorstellen. Hier in Berlin, wo man so viel
Russisches in der Politik und den Milit�runiformen nachahmte, wollte man
auch der Hauptkirche der Stadt eine russische Perspektive geben und
Schinkel war schwach genug, die beiden kleinen Vogelbauer neben den
gr��ern Turm der Kirche zwecklos und unsch�n hinzustellen. �berhaupt
w�rden die Geb�ude der Residenz mehr k�nstlerischen Wert haben, wenn
Schinkel, ein so reicher, erfinderischer, sinniger Kopf, jenen echten
K�nstlerstolz bes��e, der ihn verhindert h�tte, �nderungen seiner
urspr�nglichen Baupl�ne hinzunehmen. Eine h�here Hand, deren Munifizenz
allerdings ruhmvoll anerkannt werden mu�, strich ihm bei vielen seiner
vorgelegten Baupl�ne meist immer das Charakteristische und Kecke weg.
Alles Hohe, Hinausspringende, Hinausragende (z.B. dreist aufschie�ende
T�rme an den Kirchen) wird von einem an sich ganz achtbaren, aber in
Kunstsachen unbequemen Sinn f�r das Bequeme, Bescheidene, Zur�ckhaltende
weggew�nscht. Es ist nicht r�hmlich f�r Schinkel, da� er bei seinen
zahlreichen Baugrundrissen dem K�nstlerstolz so viel vergeben hat.

Schinkel hat in seinen geistvoll geschriebenen Erl�uterungen zu seinen
Bauten auch alle die Umst�nde angef�hrt, die ihn bewogen, dem
Schauspielhause seine jetzige Gestalt zu geben. Wenn an einem
�ffentlichen Geb�ude die Fassade nicht einmal als Ein- und Ausgang
benutzt wird, wenn man auf einer gro�en Freitreppe Gras wachsen sieht,
so regt sich unwillk�rlich das Gef�hl, das Unbenutzte auch f�r eine
�berladung zu halten. Doch m�gen die Kenner �ber den �u�ern
architektonischen Wert des Schauspielhauses entscheiden! Das Innere
dieses Theaters, wiederum nicht ausgehend von der speziellen Ansicht
Schinkels, hat ganz jenen gedr�ckten Miniatur- und Privatcharakter, den
ein Haus, das fr�her Nationaltheater hie�, nicht haben sollte. Es w�re
vielleicht nicht n�tig gewesen, dies Theater gr��er, als f�r 1200
Menschen zu bauen; aber warum dieser wunderliche Charakter der Isolierung
in der Anlage des Ganzen? Ein Rang ist dem andern unsichtbar. Das
Parterre und die Parkettlogen sehen nichts von den R�ngen. Man wei� an
einer Stelle des Hauses nicht, ob es an der andern besetzt ist. Eine
�bersicht des Ganzen ist nur auf dem Proszenium und Podium m�glich, so
da� man, um zu wissen, ob das Haus besetzt war, die Schauspieler fragen
mu�. Jedenfalls geht durch dieses Privatliche, das dem Hause aufgedr�ckt
ist, zweierlei verloren. Einmal eine gr��ere gesellschaftliche
Annehmlichkeit. Da sich das ganze Publikum nicht beisammen sieht, da der
eine dem Auge des andern entzogen ist, so f�llt der Charakter einer
geselligen Zusammenkunft, der so oft f�r eine schlechte Vorstellung
Ersatz geben k�nnte, in diesem Theater g�nzlich weg. Man kann Bruder und
Schwester im Theater haben und sieht sie nicht. Das zweite Unangenehme
dieser winkeligen Bauart ist, da� sich das Publikum nicht als solches
bildet. Publikum hei�t eine Masse, die sich ihrer Kraft ansichtig ist und
das Bewu�tsein einer Korporation dem Spiel gegen�ber zu behaupten wei�.
Wo man im Parterre nicht sehen kann, welche Mienen der zweite Rang macht,
wo ein Besucher des Theaters nur immer auf den R�cken des andern
angewiesen ist, da kann auch keine Totalit�t des Urteils stattfinden;
jeder ist auf sich angewiesen und der Schauspieler bleibt ohne die
richtige W�rdigung seiner Leistung. Mir haben viele Schauspieler gesagt,
da� Berlin kein Publikum mehr hat. Der Grund liegt darin, da� die
Lokalit�t dieses Publikum verhindert, sich als solches kennenzulernen und
auszubilden....

Noch eine Bemerkung will ich hier machen. Von meinem Gasthofe f�hrt eine
Br�cke auf den Schlo�platz. Diese Passage ist nur f�r ein kleines
Br�ckengeld gestattet, welches von einer Gesellschaft, die diese
Verbindung auf eigene Kosten anlegte, erhoben wird. Jeder B�rgerliche
zahlt am Ende der Br�cke eine Kleinigkeit. Das Milit�r ist frei. Warum?
Ich denke, weil die gemeinen Soldaten in Berlin herumzuschlendern pflegen
und von der Bedeutung dieses Br�ckengeldes schwerlich eine Vorstellung
haben. Es w�rde ein ewiges Zur�ckweisen sein, H�ndel geben und deshalb
l��t man Soldaten frei passieren. Wie aber nun die Offiziere? Wird man
nicht annehmen, da� diese eine so kleine Verg�nstigung verschm�hen und
mit echtem point d'honneur da nicht frei vor�bergehen werden, wo eben
eine arme alte Frau oder ein Handwerker seinen Sechser bezahlt? Nein, ein
General geht mit einem B�rgerlichen hin�ber: Der B�rgerliche bezahlt, der
General nicht. Ich denke nun jeden Morgen und Abend nach, wie ein so
achtbarer, auf das Feinste seines Ehrgef�hls wahrender Stand, das
preu�ische Garde-Offizier-Korps, sich daran gew�hnen kann, von einer
winzigen Steuer, die ihm allerdings erlassen ist, sich so loszusagen, da�
er in der Tat von jener Verg�nstigung Gebrauch macht. W�r' ich Offizier,
ich w�rde es f�r beleidigend halten, wollte man mir zumuten, von einer
Steuer dieser Art, die den �rmsten trifft, mich zu befreien.

Ich schlie�e daraus, wie wenig das, was wir Ehre nennen, doch als etwas
Urspr�ngliches im Menschen ausgebildet ist; denn sehen wir hier nicht,
da� eine in diesem Punkte sehr zartf�hlende Menschenklasse dennoch in
einer Ehrensache ganz von der Sitte und der Gew�hnung abh�ngen kann und
wie leicht wir �ber etwas, das sich der Einzelne nicht gestatten w�rde,
hinweggehen, wenn es von allen angenommen wird?




Blumenausstellung in Stralow (1840)


Was rennt das Volk? Was str�mt es durch die Gassen? Alles eilt hinaus in
die Gegend des lieblichen Stralow: In die Blumenausstellung, nach dem
Hyazinthen-Flor. Eine halbe Stunde mu�t' ich mit meinem Wagen Queue
machen, eh' ich vor dem Eingang zu Faust und Moewes aussteigen konnte.
Schon aus weiter Entfernung, mehre Stra�en vorher, riecht man die von
Hyazinthen parf�mierte Luft. Tausende von Menschen dr�ngen sich in
gro�en, feld�hnlichen G�rten und bewundern ungeheure Anlagen von
Hyazinthenbeeten, die auf den Effekt hin gepflanzt sind, sich in den
buntesten Schattierungen abl�sen, ja sogar gro�e, riesige Figuren zu
bilden, z.B. einen Floratempel, ein "eisernes Kreuz" und dergleichen
Zusammenstellungen. In Harlem k�nnen nicht gr��ere Blumenmassen
beisammenstehen. Indessen gerade dies Holl�ndische ist absto�end. Man
wird gegen den Reiz der Blumen unempfindlich, wenn man sie in Massen
versammelt sieht. Nun gar zur Bildung von allerhand Symbolen mi�braucht,
hat die Blume nur noch den Wert der Farbe, und das Freie, Selbst�ndige,
das Duftige derselben geht mit dieser Bestimmung verloren.

Hier sind meine Berliner recht in ihrem Element. Eine Anlage ohne
Schatten schreckt sie bei der gl�hendsten Hitze nicht ab. Ein dumpfes
Musikgedudel nennen sie musikalische Unterhaltung. Vorn an der Kasse
zieht man ein Los, zahlt daf�r 5 Silbergroschen und gewinnt gew�hnlich
nur einen Strau�, den man auf dem Gensdarmenmarkt f�r 4 Pfennige kauft.
Was lie�e sich unter dem Titel "Die Blumenverlosung" nicht f�r eine
h�bsche Lokalposse schreiben. Hier laufen in Berlin soviel "volkswitzige"
Schriftsteller herum, warum erfinden diese Leute nicht dergleichen Sp��e
f�r die K�nigsst�dter B�hne? Herr Gla�brenner schreibt kleine Brosch�ren,
worin er Berliner sogenannte Volkscharaktere sich im geschraubtesten und
gemeinsten Berliner Jargon �ber das Hundertste und Tausendste unterhalten
l��t; nein; auf der B�hne, im sinnigen Arrangement solcher Lokalscherze
bew�hrt sich der Beruf zum Volksschriftsteller. Beckmann z.B. ist ein so
willkommnes Menschenger�st, auf welches man die drolligsten Erfindungen
h�ngen kann. In der Blumenverlosung denk ich mir ihn mit der gr�nen
G�rtnersch�rze am Eingang eines Treibhauses und die Gewinste austeilend.
Er entfaltet die Nummer: "Sie erhalten, Madame, einen kleinen Ableger
einer neuerfundenen Pflanze, die erst k�rzlich auf der Pfaueninsel
entdeckt und aus Amerika hier eingef�hrt wurde." Die Dame sagt: "Mein
Gott, das ist ja nichts als eine Maiblume mit einem Salatblatt." Darauf
m��te Beckmann replizieren und seine botanischen Kenntnisse entwickeln.
Zum Schlu� k�nnte durch die Blume noch eine Heirat zustande kommen. Warum
schreibt Herr Cerf keine Konkurrenzpreise aus?




Notizen (1841)


Ein Pietist Unter den Linden

Nach einigen sehr staubigen, schw�len Tagen hatte es endlich geregnet.
Der sch�nste Sonntagmorgen lockte unabsehbare Menschenscharen unter die
Linden. Am Palais des verstorbenen K�nigs tritt mich ein Mann mit einem
Orden im Knopfloche an: "Sch�nes Wetter." "Sch�nes Wetter." "Das macht
Gott mit einem Wort. Unser Menschenwitz h�tte das nicht machen k�nnen."
"Schwerlich." "Und der Herr ist allerwegs m�chtig und gro� ist sein Name,
ja gro� in Ewigkeit." "Amen!" Der Fremde begann hierauf mit kr�ftiger
Stimme und vielem Redetalent eine Auseinandersetzung �ber die angeborne
S�ndhaftigkeit des Menschen. Da ich ruhig und fast teilnahmslos neben dem
mir g�nzlich unbekannten Manne herging, frug er mich mit fast zorniger
Ungeduld: "Ich wei� nicht, ob Sie mich verstehen?" "Vollkommen!" "Halten
Sie mich f�r einen Schw�rmer?" "Ich h�re den L�rm, sehe aber kein Licht."
Diese Antwort von dem schlichten Spazierg�nger war dem Bekehrer
unerwartet. Er sah mich gro� an und ging. Zu Hause fand ich in der
Rocktasche einen Bu�traktat. (Gedruckt bei Wohlgemuth.)


Die Kandidaten der vakanten �mter

Einen r�hrend-komischen Anblick gew�hrt an jedem Morgen in den ersten
Fr�hstunden ein Spaziergang durch die oberen Linden und die Wilhelmstra�e
bis zur Leipziger Stra�e hin. Das ist n�mlich die Zeit, wo die Kandidaten
aller vakanten und nicht vakanten �mter, die Kandidaten aus allen
m�glichen geistlichen, Schul-, Justiz- und Regierungsf�chern den
m�chtigen Ministern und R�ten ihre Aufwartung machen. Schwarz gekleidet,
mit wei�er Binde um den Hals, schie�en sie an dir vor�ber, pl�tzlich
stehen sie still, �berlegen eine erhaltene Antwort oder ein zu stellendes
Gesuch, probieren die eingelernte Rede noch einmal, n�hern sich der
verh�ngnisvollen T�r, haben nicht das Herz, kehren noch einmal um, um
sich zu erholen, und wagen es erst dann mit einem mutigen Entschlu�.
Andere wollen eben von der Rechten an die T�r eines Hotels treten, da
begegnet ihnen ein anderer von der Linken. Und doch ist nur eine Stelle
vakant! Jeder bildet sich ein, so fr�h zu kommen, da� er den m�chtigen
Mann, der sie vergibt, allein trifft, aber--entsetzliche T�uschung--schon
ist das ganze Vorzimmer gef�llt und die eine Lebensfrage, auf deren
L�sung eine seit sieben Jahren verlobte Braut und ein nachgerade
ungeduldig werdendes Schwiegerelternpaar harrt, verschwimmt in den
Lebensfragen von drei�ig anderen Menschen, in den Hoffnungen von
ebensoviel anderweitigen Br�uten! Ge�ffnet ist hier die geheime Werkstatt
unserer Existenz, offen liegen sie da, die Gruben und G�nge, die der
Fuchs oft schneller durchgr�bt, als der still arbeitende Bergmann--ein
Anblick, zugleich komisch und zum Weinen!


Sommertheater in Steglitz

Wie weit bleibt das Sommertheater in Steglitz hinter den Anpreisungen
der Journale und den m��igsten Erwartungen zur�ck! Ref. hoffte, ein
niedliches, von Holz und Backsteinen aufgef�hrtes, der W�rde Berlins
entsprechendes Theater zu finden und fand eine Bretterbude, nicht besser
als eine Scheune, mit langen h�lzernen B�nken und einem Rang, der nichts
als eine Galeriebr�stung ist. Die Hitze in dem kleinen Raume ist
unertr�glich und verl��t man ihn, so wandelt man, wilden Tieren gleich,
in einem abgeschlossenen sandigen Vorplatze umher, nichts sehend als Luft
und Fl�che. Wer dies Theater einmal gesehen hat, besucht es nicht wieder.
Wenn hier eine Befriedigung der Schaulust geschaffen werden sollte, so
h�tte man etwas geben sollen nach dem Vorbilde des Hamburger Tivoli. Ein
Sommertheater ist nur unter freiem Himmel genie�bar oder es sei denn, da�
ein steinerner Bau die ersehnte K�hlung spendet. Da� eine so armselige
Umgebung nur nachteilig auf das Interesse wirken kann, welches die
Schauspieler selbst in Anspruch nehmen, versteht sich von selbst. Sie
werden vom Publikum verspottet, ihr Ernst wird ironisiert.


Berliner Volkscharakter

Berlin macht von Jahr zu Jahr bedeutendere Fortschritte nach dem Ziele
einer seinem �u�ern Umfange auch innerlich entsprechenden
Gro�st�dtigkeit. Anlagen jeder Art, merkantilische, industrielle,
gesellige, werden in gr��erem Stile als fr�her ausgef�hrt. Manches, was
noch vor drei Jahren das hiesige Publikum besch�ftigen konnte, wird jetzt
verachtet, z.B. die Trivialit�t der sogenannten Berliner Volksliteratur,
die in "Herrn Buffey auf der Kunstausstellung" den Gipfel des Unsinns und
der widerlichsten Geschmacklosigkeit erreicht hatte. Die K�nigst�dtschen
Theaterwitze sind im Abnehmen und aus der l�genhaften Verballhornisierung
des Berliner Volks-Charakters, wie dieser sich in "Berlin--wie es i�t und
trinkt" gezeichnet findet, tritt allm�hlich wieder das urspr�ngliche
Grundelement des Berliners heraus: Harmloseste Gutm�tigkeit, Freude am
neckenden, geselligen Scherz, hohe Achtung vor jeder geistigen
Auszeichnung, sinniger Genu� der sparsamen, aber oft anmutigen
Sch�nheiten, die die Natur, im Bund mit der Kunst, dieser gewi� noch
einer bedeutenden Zukunft entgegensehenden Hauptstadt geschenkt hat.




Berlins sittliche Verwahrlosung (1843)


Im vergangenen Winter brachte jeder Tag die Kunde eines neuen, in Berlin
ver�bten Diebstahls. Die dortigen Zeitungen machen aus dem ungesicherten
Zustand der Hauptstadt kein Geheimnis mehr. Die Berliner Diebe erfreuen
sich einer so originellen Organisation, da� die Polizei manchen Bewohnern
anzeigen kann, sie w�rden in kurzem bestohlen werden. Vierzehn Tage
wachen die Gewarnten: Am f�nfzehnten wird richtig bei ihnen eingebrochen.
Ein Artikel der "Vossischen Zeitung" erz�hlt, da� nachts in den
besuchtesten Stra�en durch Leiteranlegung sogar die Beletagen bestohlen
werden. Wenn man diese sich t�glich wiederholenden kriminalgerichtlichen
Anzeigen liest, mu� man glauben, Berlin w�rde zum gro�en Teil von einer
ungebesserten Verbrecherkolonie bewohnt.

Ehe man aus diesem Gef�hl g�nzlicher Unsicherheit, das gegenw�rtig in
Berlin allgemein herrschen soll, einen Schlu� auf die sittlichen Zust�nde
der norddeutschen Hauptstadt macht, mu� man so gerecht sein, einige
Umst�nde mit anzuschlagen, die in Berlin dem Diebswesen ganz besonders zu
Hilfe kommen. Geboren in Berlin und selbst einmal durch Einbruch dort
bestohlen, glaub' ich �ber diesen Gegenstand, der nachgerade die
Aufmerksamkeit jedes Sitten- und Volksfreundes besch�ftigen mu�, eine
Stimme zu haben.

Den Diebstahl erleichtert in Berlin der Mangel an Aufsicht und die
Einrichtung der H�user. Die Zahl der Nachtw�chter ist viel zu klein.
Diese "Schnurren" sind alte ausgediente Milit�rs oder sonstige
Exspektanten, die aus Verzweiflung einen Dienst ergreifen, den sie fast
nur pro forma versehen. Die Nachtw�chter in Berlin sind oft hinf�llige
Greise. Mit einem sp�rlichen Gehalt versehen, sind sie auf die Sporteln
ihres Dienstes angewiesen. Diese bestehen in den Ertr�gnissen eines
Privilegiums, das man in fremden St�dten kaum f�r m�glich halten m�chte.
Der Berliner Nachtw�chter hat ein Bund von hundert Hausschl�sseln am Leib
h�ngen und schlie�t jedem auf, der des Abends nach zehn Uhr in das erste
beste Haus einzutreten w�nscht. Die Trinkgelder sind seine Revenuen. Man
sieht, da� es die Diebe an keinem Ort der Welt so bequem haben, als
in Berlin.

Das Revier des Nachtw�chters ist zu ger�umig. Er hat mehr Stra�en unter
sich, als er beaufsichtigen kann. Mit seinen Trinkgeldern besch�ftigt,
k�mmert ihn das Stra�enleben sehr wenig. Er horcht nur, da� man ihn ruft,
um in ein Haus eingelassen zu werden. Gegen Morgen weckt er die B�cker,
die Brot zu backen haben. Die Rundg�nge durch die Stra�en werden ohne
Aufmerksamkeit abgemacht. Der sch�tzende "Kellerhals", hinter dem er
ausruht, ist sein bequemer Sorgenstuhl. Macht er seinen Rundgang, so
k�ndigt ihn seine Pfeife schon an und die Diebe haben Zeit, sich w�hrend
seines Vor�bergehens zu zerstreuen.

Berlin mu� die Zahl der W�chter verdreifachen und sie unter eine
milit�rische Disziplin stellen wie Hamburg. Die Hamburger W�chter sind
eine wirkliche Schutzwache gegen die Feinde der Ordnung und des
Eigentums.

Hat man schon aus dem Vorigen gesehen, da� die Berliner H�user sich des
Nachts jedem beliebigen Besucher �ffnen, so ist der Hausfriede am Tage
nicht gesicherter. In Paris h�rt man viel von Betr�gereien in den
Kaufl�den, von Betr�gereien in hunderterlei Manieren, wie sie Vidocq in
seinem Lexikon auff�hrt, aber wenig von Diebstahl oder gar n�chtlichem
Einbruch. Berlin ist eine gro�e Stadt geworden und war urspr�nglich nur
auf eine Mitte1stadt angelegt. Die Stra�en sind weitl�ufig, die Reviere
entlegen, die H�user sind meist zweist�ckig und nur von einigen Familien
bewohnt. Das Institut des Portiers (Hausmeister in Wien) kennt man nicht,
da daf�r die H�user zu klein sind. Hier gibt es keine Kontrolle der Ein-
und Ausgehenden. Jeder Hof ist frei, jede Treppe den Bettlern zug�nglich.
Den ganzen Tag rei�t das Klopfen und Klingeln nicht ab. Jeder Mieter ist
froh, sich auf seine Zimmer abschlie�en zu d�rfen und k�mmert sich nicht
um den Nachbar, bei dem man, w�hrend nebenan Gesellschaft ist, alles
ausr�umen kann. W�hrend mir vor Jahren in Berlin mein ganzes Zimmer
ausger�umt wurde, sa� meine Wirtin ruhig im Zimmer nebenan, las den
"Beobachter an der Spree" und strickte Str�mpfe.

L��t sich nun auch hierin, da Berlin nicht umgebaut werden kann, keine
Ver�nderung treffen, so wird doch darum die erh�hte Wachsamkeit der
Beh�rden um so dringender. Ohne eine neue W�chter- und Patrouillen-
Organisation wird in Berlin die Gefahr des Eigentums immer mehr zunehmen.

Dieser Gegenstand l��t aber noch tiefere Betrachtungen zu. Ist in Berlin
den Dieben ihr Handwerk erleichtert, wo kommen all die Diebe her? Woher
diese sittliche Verwahrlosung, von der wir t�gliche Belege erfahren?
Woher gerade in Berlin diese immer mehr zunehmende Verworfenheit? Harun
Al Raschid, der verkleidet des Nachts durch die Stra�en ging, Harun Al
Raschid w�rde dar�ber sehr tief nachgedacht haben, wenn er diese
Beobachtung an Bagdad gemacht h�tte.

Es ist wohl m�glich, da� nach Berlin, wo die Diebe eine so bequeme
W�chter- und H�userordnung antreffen, viel fremdes Gesindel zieht, und
doch steht es fest, da� Berlins Unsicherheit gr��tenteils aus seinem
eignen Scho�e entspringt. Die Entdeckungen und Signalemente weisen dies
aus. Es ist ein betr�bendes Gest�ndnis, das man sich nicht ersparen darf:
In Berlin ist die Wurzel des Volkes faul. Die Immoralit�t fri�t wie ein
Krebs um sich. Die Familien sind zerr�ttet, zu der Armut und
Brotlosigkeit gesellt sich die Neigung zum Verbrechen; die dem Berliner
eigene Keckheit und Verwegenheit steigert das Gel�st zum Entschlu�, den
einmaligen Entschlu� zum immerw�hrenden Handwerk; die Zuchth�user liefern
die Verbrecher nicht gebessert zur�ck, sondern in kurzem sieht sich die
richterliche Gewalt gen�tigt, den Verbrecher aufs neue einzuziehen und
ihn auf zwanzig Jahre dorthin zu schicken, wo er bereits f�nf Jahre
umsonst gesessen.

Es gibt eine moralische Erziehung und eine moralische Unerzogenheit des
Volkes. Die Fr�chte derselben reifen erst in sp�tern Jahren. Man wird f�r
Berlins gegenw�rtige Verwilderung die Ursachen in vorangegangenen Fehlern
suchen d�rfen. Eine richtige Erkenntnis dieser Fehler mu� zu den Mitteln
f�hren, sie k�nftig zu vermeiden. Mein Versuch, diese Erkenntnis zu
bef�rdern, wird Widerspruch finden. Ich will aber offen meine Meinung
sagen.

Aus dem Mangel an edlem geistigen Stoff, aus dem Mangel w�rdiger
�ffentlicher Tatsachen ist der zweite Grund dieser sittlichen
Verwahrlosung herzuleiten, die isolierte Vergn�gungssucht. Auch Wien ist
ohne �ffentliche Tatsachen, aber Wien hat kombinierte, nicht isolierte
Vergn�gungen. Es ist dies keine Wortantithese, sondern ein wirkliches
Sachverh�ltnis, dessen sch�dlichen Einflu� auf die Sittlichkeit ich
beweisen will. Der Wiener erholt sich an der allgemeinen Freude, an der
Freude, die alle teilen. Seine Natur lockt alle, befriedigt alle. Sein
Vergn�gen ist durch �berlieferung seit Jahrzehnten vorgezeichnet. Musik,
Tanz, Theater, heitere Ausfl�ge in die sch�nen Umgebungen. In Berlin
isoliert sich alles. Keine �ffentliche Vergn�gung befriedigt und so
entstehen diese Ressourcen, diese Picknicks, diese geschlossenen
Gesellschaften, diese Kr�nzchen, dies Jagen nach "Privatvergn�gen", dies
Spelunkenwesen der Weinstuben, Konditoreien, Tabagien. Die Kr�fte der
Familien �berbieten sich, diese Subskriptionsessen und Ressourcenb�lle
verursachen Ausgaben, die den Handwerker in Schulden st�rzen, die
Leihh�user f�llen sich, der geweckte Libertinismus der Frauen rei�t die
M�nner in Strudel, wo sie nicht mehr ihrer Sinne, bald auch nicht mehr
ihres Gewissens m�chtig sind. Hat man nicht in Berlin eine Diebs- und
Hehlerbande entdeckt in dem Augenblick, als sie sich in einer Reihe von
Kellerstuben zu einem gl�nzenden Ball vereinigt hatte? Boz kann nichts
Grelleres erfinden und Madame Birch-Pfeiffer nichts Drastischeres in
Szene setzen.

Mu� man nicht hier ein spezielles schlechtes Regierungssystem, so mu� man
vielleicht den ganzen modernen Staat anklagen. In meinen Pariser Briefen
hab' ich von unserer Politik gesprochen, die nur den Menschen ausbeutet,
nicht ihm hilft, das Genommene zu ersetzen. Ich habe ein Ministerium der
�ffentlichen Wohlfahrt vorgeschlagen, das sich mit positiven Sch�pfungen
besch�ftigen m�sse, um das Individuum vor dem Staate zu sichern, den
Acker, den man beernten will, auch zu bes�en. Hier ist ein neues Ziel,
das eine solche Institution sich stecken m��te. Zerst�rt diesen
Isolierungstrieb! Bindet die Menschen f�r ihre Vergn�gungen aneinander!
Erfindet etwas im Zeitalter der Erfindungen! Erfindet etwas Geistiges,
etwas Moralisches, neben dem vielen Technischen und Materiellen! Was
k�nnte Berlin Ersatz geben f�r den Mangel einer heiteren und
zerstreuenden Natur? Was k�nnte diese Tausende von gedankenlos zum Tor
hinauswandelnden Sonntagsspazierg�ngern vereinigen? Was kann das Innere
der Stadt abends bieten, wenn die Sonne untergegangen ist und man
heimkehrt und nicht in seine vier Pf�hle r�ckkehren will? Denkt doch
dar�ber nach, ihr philosophischen Staatsm�nner, die ihr jetzt in Berlin
das Ruder in H�nden habt! Gebt dem Volke nicht etwa polizeilich
angeordnete Spektakel, sondern weckt den Trieb des Volkes, selbst
dergleichen zu erfinden oder sich an dem von fremdher gegebenen Ansto� zu
beteiligen. Ehrt die Neigung zur �ffentlichkeit! Verbietet nicht, wie das
noch vor vier Jahren in Berlin beim Buchdruckerfest so geh�ssig war,
�ffentliche Aufz�ge; la�t die Menschen sich menschlich austoben, dann
werden sie nicht in die Kellerl�cher kriechen und es tierisch tun. Eines
der sichersten Mittel zur Volksveredelung sind die Theater. Ich erinnere
an die wahren Worte, die ich von Guizot in meinen Pariser Briefen
mitteilte: "Ein starker Theaterbesuch leitet alle schlechten Gel�ste der
niedern Volksklassen ab." Berlins Opernhaus wirkt wenig auf die
Moralit�t, das Schauspielhaus erhielt durch den vorigen K�nig ganz jenen
Privatcharakter, der in allem die Grundlage so vielen Verderbens f�r
Berlin ist, das K�nigsst�dter Theater hat zwischen Nestroys Possen und
der gl�nzenden italienischen Oper, wo Rubini per Abend 800 Taler bekommt
und die Preise der Pl�tze verdreifacht sind, keinen Mittelweg. Das
Theater, in Wien und Paris ein so harmloser Hebel der Sittlichkeit, ist
in Berlin eine k�nstliche Anstalt, die mit dem Volke in keiner anregenden
Verbindung steht. Entweder mu� man in Berlin die Hofb�hne entschieden zur
Volksb�hne umwandeln, oder Vorstadttheater gestatten, eines f�r die
Gegend nach dem K�penicker Felde zu und ein anderes nach der Richtung des
neuen Hamburger Tores. Nur vorl�ufig zwei solcher Theater, gut
beaufsichtigt, in Hinsicht der vorzustellenden St�cke v�llig freigegeben,
mit niedrigen Eingangspreisen. Zwei solcher Volkstheater, nat�rlich mit
Aufhebung der bestehenden sogenannten Liebhabertheater, k�nnten den
auffallendsten Einflu� auf die Sittenverbesserung Berlins haben.

Endlich ist der dritte Punkt die Volksbildung selbst und die Religion.
F�r die erste, insoweit sie durch Schulen erreicht wird, ist wohl in
Berlin hinl�nglich gesorgt. Nicht umsonst hat man vielleicht der vorigen
Regierung ihr Schulwesen nachger�hmt. Aber es ist eine bekannte Tatsache,
da� Kenntnisse an und f�r sich noch nicht die Sitten reinigen. Sie
bef�rdern zuweilen eher die Verschlagenheit und machen nur geschickter zu
den Verbrechen. Aus Rechnen, Lesen und Schreiben wird noch kein
sittlicher Mensch. Der Konfirmandenunterricht wird in Berlin nicht eben
sehr ernst betrieben. Das "Eingesegnetwerden" ist ein mehr b�rgerlicher,
als geistlicher Akt. Die Zahl der Konfirmanden ist zu gro� und dem
Geistlichen fehlt in allem, so auch hier die durchgreifende
Beaufsichtigung seiner Gemeinde. Sie ist bei einer so gro�en Stadt und
der Freiheit vom Beichtzwange schwer oder ganz unm�glich. Tun nun die
Kirchen ihre Pflicht? Wird die Religion so gepredigt, da� sie veredelnd
und tief in die Sittlichkeit des Volkes eingreifen kann?

Das ist denn wiederum ein wichtiger und au�erordentlich schlagender
Punkt, wo sich die Gebrechen der vorigen Regierung offen zur Schau geben.
Nein, das Christentum hat in Berlin die Wirkung nicht, die es haben
k�nnte und haben sollte. Christus wird in Berlin in einer Weise
gepredigt, die h�chst beseligend, h�chst begl�ckend auf einen Einzelnen
wirken kann. Es gibt wahre Fr�mmigkeit in Berlin. Es gibt Versammlungen,
in denen man sich mehr erbaut als in den Kirchen, es gibt Kirchen, in
denen ein warmes, f�r den Himmel l�uterndes Christentum sicher mit dem
trostreichsten Erfolge f�r das Gl�ck vieler Familien gepredigt wird. Aber
was kann auf unsere Zeit der Pietismus im gro�en und ganzen wirken? Ein
Lamm rettet man; was geschieht aber, um die tausend R�udigen anzulocken?
Haben wir gesehen, da� in Berlin alles Privatsache geworden war, so ist
auch das Christentum dort Privatsache geworden. Einzelne Prediger, wie
Couard, Strau�, Arndt haben einen gro�en Zulauf, aber nur von gl�ubigen
Seelen, von solchen, die sich im Christentum befestigen, nicht von
solchen, die erst f�r seine Wahrheiten gewonnen werden. Die Masse geht
nicht in diese Kirchen. Sie w�rde gehen, wenn dieser theologische
Radikalismus ihr die Tugend nicht gar zu schwer machte. Man soll dort
einen ganz neuen Menschen anziehen, nicht neue Lappen auf das alte Kleid
flicken, nicht jungen Wein in alte Schl�uche f�llen, sondern ein ganz
neugeborener Mensch werden. Dies Christentum kann nie auf die Masse
wirken, diese Besserungsmethode der Menschheit setzt einen religi�sen
Heroismus voraus, der sich nur bei wenig Auserw�hlten findet und so ist
in Berlin auch die Religion, die erste Springfeder des sittlichen
Volkslebens, aus �berreligion ohne durchgreifende Wirkung.

Um dem Christentume Allgemeinheit und Einflu� auf die Sittlichkeit einer
Nation zu geben, mu� es entweder auf den Aberglauben wirken, wie durch
die mystischen Zauber des Formendienstes im Katholizismus, oder es mu�
mit schlichter Einfachheit und �berzeugender W�rme auf die moralischen
Grundwahrheiten zur�ckgef�hrt werden. Ein protestantischer Staat kann f�r
seinen sittlichen Zweck auf die mitwirkende Kraft des Christentums nur
dann rechnen, wenn er den Predigern einen klaren, gef�hlvoll und beredsam
vorgetragenen Rationalismus zur Bedingung macht. Es ist mit der Religion
gerade wie mit der Poesie. Dem Gebildeten m�gen K�rner, Tiedge und
�hnliche Talente sehr tief stehen, aber die Masse findet ihre Rhetorik
sehr sch�n und begreift nicht, was uns an Novalis, Brentano und selbst an
Goethe mehr anziehen kann. Ein geistvoller Gedanke geht der Menge
verloren, w�hrend sie einem Gemeinplatze zujubelt. So m�gen die Denker
und Gef�hlsmenschen im Christentum die tieferen Bez�ge ansprechen und
besch�ftigen: Als Religion, als sittliche Hilfsmacht wirkt das
Christentum nur durch eine talentvolle, mit Geschmack und Beredsamkeit
vorgetragene Ausbeute seiner moralischen und gef�hligen Grundwahrheiten.
Wer mir Prediger sein wollte, d�rfte mir mit seiner Rechtfertigungstheorie,
mit der Wiedergeburt, der Genugtuungslehre und der �blichen pietistischen
Polemik nicht auf die Kanzel kommen. H�tte man in Berlin geistvolle und
beredte nationalistische Geistliche wie Schmaltz in Hamburg, B�ckel in
Oldenburg, Friedrich in Frankfurt, Goldhorn in Leipzig, Bretschneider in
Gotha, h�tte man statt einer Clique junger Kopfh�nger eine Schule
wahrhaft menschheitsveredelnder, talentvoller junger Kanzelredner
gestiftet, die Kirchen w�rden �berf�llter und die Gef�ngnisse
leerer sein.

Man mag gegen Friedrich Wilhelm IV. gestimmt sein, wie man will, soviel
ist gewi�, er will seine L�nder im gro�en Stil regieren. Hier w�re denn
Gelegenheit genug zu den glorreichsten Sch�pfungen.

[Nachtrag:]

In dem Aufsatz: "Berlins sittliche Verwahrlosung" hat man es auffallend
gefunden, da� von einem zweiten und dritten Grunde dieses �bels die Rede
ist, ohne da� des ersten erw�hnt wird. Der erste Grund war aus der
Politik und der mangelnden �ffentlichkeit unter dem vorigen K�nige
hergeleitet, doch mu�te die n�here Ausf�hrung aus unmittelbar vor dem
Druck des Blattes geltend gemachten R�cksichten wegbleiben, deren Natur
jeder Kundige erraten wird. So viel, um wenigstens die logische Ordnung
des Artikels herzustellen.




Geist der �ffentlichkeit (1844)


Berlin ist eine Weltstadt geworden. Fr�her war Berlin nur eine gro�e
Stadt. Berlin hat an Bewohnerzahl und Umfang unglaublich zugenommen, aber
in dieser �u�ern Vergr��erung liegt der auffallende Fortschritt nicht
allein. Er liegt im erweiterten Anschauungs-Horizont, im Durchbruch nicht
allein von Stra�en und neuen Toren, sondern im Durchbruch alter
Vorurteile und Gewohnheiten, im vermehrten geistigen Betriebskapital, in
der Zunahme eines Selbstbewu�tseins, das sich mit einem gro�en sittlichen
Nationalleben in Zusammenhang zu setzen verstanden hat. Es ist
�berraschend, wie sich die schlummernden Kr�fte allm�hlich entwickelt
haben. Von unten f�ngt das an und h�rt oben, in idea1ster H�he, auf. Der
Eisenbahnverkehr hat Berlin endlich in jenen unmittelbaren Zusammenhang
mit andern gro�en St�dte-Entwickelungen gebracht, der ihm fr�her fehlte.
Fr�her bezogen sich nur Potsdam, Brandenburg, Treuenbrietzen, Bernau auf
Berlin, jetzt Leipzig, Magdeburg, die Ostsee und bald Hamburg und
Schlesien. Der fr�here kleinst�dtische Geist ist gewichen, gro�e Gasth�fe
sind entstanden, die Basis aller gemeinschaftlichen Unternehmungen beruht
auf breiteren Dimensionen. Man sieht das, bewundert es, oder mu�
wenigstens seine Freude daran haben.

Was man in ausw�rtigen Zeitungen als die laufende Tagesordnung von Berlin
besprochen findet, das ist alles keineswegs Erfindung, sondern Tatsache,
durchgesprochene, lebendige Tatsache. Es stehen sich hier wirklich
Parteien und Parteien, Menschen und Menschen gegen�ber. Es hat sich hier
wirklich ein Geist der �ffentlichkeit entwickelt, dem bis zur Stunde zwar
edle und w�rdige sowohl, wie dauernde und belebende Organe fehlen, ich
meine die Organe faktischer Institutionen, dessen Ringen und Dr�ngen aber
so m�chtig ist, da� es Augenblicke geben kann, wo wir uns im Anschauen
dieser Strebungen nach Paris versetzt glauben. So wie jetzt in Berlin mu�
es zur Zeit der Restauration in Paris gewesen sein. Das Katheder ist die
vorl�ufige Volkstrib�ne, die Wissenschaft die vorl�ufige Politik. Wie das
wogt und treibt! Keine Meinung will mehr allein stehen, eine Bestrebung
lehnt sich an die andere. In Berlin wohnen und nichts wirken, nichts
vorstellen, nichts vertreten, ist der geistige Tod, ist Nullit�t, hei�t
wenigstens Nullit�t, und jeder f�rchtet sie. Man hat angefangen, die
Bedeutung eines �ffentlichen Charakters zu f�hlen. Die ruhmvol1sten Namen
aus der alten Schule sieht man im Verkehr mit den erst sich machenden aus
der jungen. Unpopul�r zu sein, wagt niemand. Jeder mu� einen Kreis von
Gleichgesinnten um sich haben, er mu� sich nach Anlehnungen umsehen. Kann
er nicht selbst einen Mittelpunkt bilden, so ordnet er sich unter und
wird Stammgast im Salon eines andern. Berlin hat seine Salons, in der Tat
Salons im franz�sischen Wortsinne. Ich mu� sogar so weit gehen, zu
behaupten, da� es mit Geldkosten verkn�pft ist, in Berlin eine eigene
Meinung zu haben. Man mu� seinen offenen Mittwoch, seinen offenen
Freitag, seinen Dienstag haben, um hier ein durchgreifender, �ffentlicher
Charakter zu sein. Das ist kostspielig, hier mit Tieck, mit den Grimms,
mit Herrn von Savigny zu rivalisieren. Man mu� w�nschen, da� sich diesen
Gasstr�mungen von Ehrgeiz, Tendenz, Zorn, Begeisterung, Rache, ehe es
eine Explosion gibt, bald ein luftreiner Zylinder darbieten m�chte, ein
Abzug ins �ffentliche, gro�e Volksleben, durch irgendeine Tatsache, durch
irgendein Ereignis, durch irgendeinen Schritt weiter auf der betretenen
Bahn besonders des Ausbaues der st�ndischen Institutionen. Dies oder
irgend etwas anderes mu� erfunden werden, um diesem Wettkampf von
Meinungen und Leidenschaften eine sch�ne h�here Wahrheit zu geben und
solchen Zerr�ttungen vorzubeugen, wie sie z.B. jetzt infolge der
traurigen Grimmschen Erkl�rung, durch welche sich zwei ber�hmte Namen um
alte Liebe und Hingebung gebracht haben, schon eingetreten sind.

Einige der auf der Reise empfangenen Eindr�cke m�gen in bunter Reihe hier
wiedergegeben werden.

Am 29. M�rz beschlo� Dr. Mundt seine vor einem gemischten Publikum
gehaltenen Vorlesungen �ber die Gesellschaftsfrage unserer Zeit. Es war
f�nf Uhr. Im Saale des Jagorschen Hauses Unter den Linden versammelte
sich so ziemlich der gr��te Teil des �sthetisch- produktiven Berlins,
Dichter, Gelehrte, Musiker, Gl�ubige und Pr�fende, Hingegebene und
Zweifelnde, wie dies um so mehr bei einem Gegenstande der Fall sein
mu�te, dessen �ffentliche Behandlung in gewissen Regionen bedenklich
erschienen war. Als sich etwa 150 Personen eingefunden hatten, erschien
der Redner. Ich f�hlte mich an die Vortr�ge von Edgar Quinet im Coll�ge
de France erinnert. Nur schade, da� sich Mundt zu sehr auf sein Heft
verlie� und einen Gegenstand, der so tief in Herz und Nieren greift,
nicht mit freier Rede um so �berzeugender darstellte. Die W�rme der
Begeisterung fehlte dem Redner nicht, eine jeweilige Handbewegung verriet
selbst seine Absicht, das, was er vorlas, als entquollen seinem innersten
Gef�hle darzustellen; doch kann ich die Bemerkung nicht unterdr�cken, da�
ein selbst ungeregelter Vortrag mit Anakoluthen, Wiederholungen und allen
Klippen eines ungewohnten oratorischen Versuches dennoch eindringlicher
spricht, als ein geschriebenes Heft.

Der Inhalt der Rede erweckte die w�rmste Teilnahme. Bot ihr Anfang
demjenigen, der sich mit der Sozialwissenschaft unserer Tage besch�ftigt
hat, auch nichts Neues, so erhob sie sich doch in ihrem weitern Verlauf
zu einem h�heren Aufschwunge, in welchem sich zum ernsten Denker der
sinnige Dichter gesellte. Der Redner sprach von den Rechten der Armen und
den Pflichten der Reichen. Er behandelte jenen ergreifenden Gegenstand
des Pauperismus, der jetzt nur noch alle Federn, bald aber auch
hoffentlich alle Herzen in Bewegung setzen wird. Jene r�hrende Humanit�t,
welche sich in den Schriften derjenigen Franzosen findet, die sich mit
sozialistischen Fragen besch�ftigten, hatte, man sah es, in des Redners
Herzen ein Echo gefunden. Er sprach mild und sanft von den Proletariern
der Gesellschaft, und ein gewisses kaltes Phlegma, eine gewisse
doktrin�re Selbstzufriedenheit hinderte doch nicht, da� in einigen
weihevollen Momenten ein sch�ner Abglanz von Gem�t und Wehmut auf seinen
Gesichtsz�gen hervorbrach. Besonders war die Bemerkung, da� jetzt bei den
Fortschritten der Volksbildung der Vater besch�mt von seinem aus der
Schule heimkehrenden unterrichteteren Kinde lernen k�nne, ebenso
geistreich aufgegriffen, wie zart und innig durchgef�hrt.

�ber manches teile ich nicht des Redners Meinung. Er sprach von Owen und
w�rdigte ihn nicht genug, trotzdem, da� er mit Achtung von ihm sprach. Er
kam zu oft auf den Mangel an Poesie in Owens System zur�ck. Poesie ist in
der Sozialfrage ein gef�hrliches Wort. Braucht man es zu oft, so kann man
dahin kommen, da� am Ende nichts poetischer als die Armut ist, und der
Armut soll doch abgeholfen werden. Wer vom Leben zu viel bunten Effekt
verlangt, dem wird freilich das Ziel einer allgemeinen Gl�ckseligkeit
unpoetisch erscheinen. So manches andere in des ehrenwerten Redners
�u�erungen lie�en mich fast besorgen, er h�tte das Thema der materiellen
Gesellschaftsfrage nur zum Kanevas von allerhand auf anderm Gebiet
spielenden Anmerkungen gemacht, von Anmerkungen, die ich sehr treffend,
sehr zeitgem��, ja sehr freim�tig und gegebenen Umst�nden gegen�ber k�hn
fand, die aber doch nur mehr dem idealen Gebiet angeh�rten und die
Ansicht vorauszusetzen schienen, man k�nne Hungernde mit Sonnenlicht
s�ttigen und D�rstende mit den Farben der Blumen tr�nken. Der Redner
kannte die praktischen Sch�den, wollte sie heilen und wich wiederum dem
praktischen materiellen Gebiete aus. Doch abgesehen von diesem Einwurf,
der ohnehin auf einem Mi�verst�ndnis beruhen kann, hat sich Mundt ein
gro�es Verdienst erworben, da� er in jener unmittelbaren Form, in der
Form der Rede, einen Gegenstand zur Sprache brachte, der immer mehr in
den Vordergrund der Debatten treten und jene welt- und gottweise
Philosophie besch�men wird, die im Webstuhl ihrer Abstraktionen nur
Leichent�cher f�r das Leben spinnt ...




Myst�res de Berlin? (1844)


Das ist gewi� charakteristisch! Mein erster Blick auf eine der hiesigen
Zeitungen fiel auf den Vorschlag eines Fr�hgottesdienstes f�r
Droschkenfuhrleute. Wahrlich, dieser Vorschlag verleugnet seinen Ursprung
nicht! Zwar ist derjenige, der ihn zun�chst machte, ein Jude (der
Besitzer der Haupt-Droschkenanstalt), aber auch das ist bezeichnend; die
spekulativen Juden, die Juden, die den Geist der Zeit verstehen,
bestreben sich hier, dem �berchristentum in die H�nde zu arbeiten. Ein
Fr�hgottesdienst f�r Droschkenfuhrleute! Man mache sich recht klar, was
darunter zu verstehen ist. Man hat n�mlich gefunden, da� die
Droschkenf�hrer von fr�h bis Mitternacht ihrem Herrn und Lohngeber dienen
m�ssen. Auch den Sonntag heiligen sie nicht. Um sie nun der Kirche nicht
g�nzlich verloren zu geben, l��t man ihnen jetzt morgens, wenn sie ihre
Wagen reinigen, wenn sie ihre Pferde anschirren, rasch von einem eigens
bestellten "Droschkenprediger" eine kurze geistliche Rede halten. Man
glaubt, wenn man so etwas erf�hrt, in England oder Pennsylvanien zu sein.
Diesem Fr�hgottesdienst f�r Droschkenf�hrer m�ssen, wenn man konsequent
sein will, noch diese Einrichtungen folgen:

Ein Fr�hgottesdienst f�r Brieftr�ger.

Ein Nachmittagsgottesdienst f�r Milchkarrenschieber; denn auch diese
Fuhrleute bringen ja jeden Sonntag die Milch zur Stadt. Gut, ich glaube,
da� es w�nschenswert ist, auch die Droschkenfuhrleute an die Kirche zu
gew�hnen; aber h�tte die gesunde Vernunft und die Billigkeit jenes
�berchristlichen Juden, wahrscheinlich eines Kommerzienrates, nicht einen
andern Ausweg finden k�nnen? Wie nun, wenn man bei den Droschkenst�llen
keinen Gottesdienst errichtet, wohl aber jedem Droschkenf�hrer es m�glich
gemacht h�tte, alle vierzehn Tage oder wenigstens alle vier Wochen einen
halben Sonntag frei zu haben, einen halben Sonntag, wo er die Kirche
besuchen kann? Erlaubte das die Dividende des Kommerzienrates nicht? Ihr
habt ein so gro�es Mitleid mit der Seele des Droschkenfuhrmanns und sorgt
f�r seinen Kirchgang, schenkt ihr ihm dann auch, dem geplagten, an seine
Karre gebundenen Menschen, einen Erholungstag? Spannt ihr ihn einmal aus
seinem Joche aus und errichtet einen Aktienverein zu einer Mittagsfreude,
zu einer Nachmittags-Belustigung? Statt da� also die hiesigen
�berchristen den Kommerzienrat zwingen sollten, jedem Droschkenfuhrmann
alle vierzehn Tage oder alle drei Wochen, die Reihe herum, einen freien
Sonntag zu geben, den er als freier Mensch, Christ und Staatsb�rger
anwenden kann, wie er will, schl�pfen sie �ber den Mi�brauch des
privilegierten Droschkenregenten hinweg, sanktionieren die Tatsache, da�
kein Droschkenfuhrmann einen freien Sonntag hat, und sorgen nur einzig
daf�r, da� ihm morgens vor Ausfahren aus dem Stall das Evangelium
gepredigt wird! O �ber den frommen Kommerzienrat!

Wenn dem religi�sen Fanatismus keine Grenzen gesteckt werden, so erleben
wir noch die krankhaftesten Erscheinungen. Die �bertriebene Heiligung des
Sonntags kann f�rmlich alttestamentarisch werden. Wenn sich z.B. Jemand
in den Gedanken vertieft, da� die Eisenbahnen an Sonntagen befahren
werden und das Bahnpersonal und die Lokomotivf�hrer deshalb nicht die
Kirche besuchen k�nnen, w�rde man einem solchen Gem�t nicht zurufen
m�ssen: Beh�te dich der Himmel vor Wahnsinn! Der religi�se Fanatismus,
der sich ferner der Armen und Kranken annimmt, hat Anspr�che auf unsere
vollkommenste Hochachtung, er steht den Geboten der reinen Humanit�t so
nahe, da� man nicht untersuchen mag, welches die Quelle seiner Hingebung,
Aufopferung und Liebe ist; wenn aber die Pflege der Armen strafend, die
Wartung der Kranken l�stig und be�ngstigend wird, dann mu� man selbst
gegen so an sich ehrenwerte �u�erungen des �berchristlichen Sinnes kalt
werden. Strafend aber ist die Armenpflege, welche nur dem gibt, den sie
als rechten Glaubens erkennt; l�stig und be�ngstigend ist die
Krankenwartung, die uns zwischen den Schmerzen des K�rpers von der
Verworfenheit unserer Seele redet.

Es bereitet sich hier eine Menge praktischer Anwendungen des mildt�tigen
Christentums vor. Die meisten davon stehen noch auf dem Papiere, einige
sind schon ins Leben getreten, z.B. ein Magdalenenstift zur Rettung
gefallener M�dchen. Was man von letzterem h�rt, l��t auf eine gesunde und
tatkr�ftige Ausf�hrung dieser an sich l�blichen Absicht nicht schlie�en.
Schon da� diese ungl�cklichen Personen durch eine eigene Tracht kenntlich
gemacht werden, ist einer jener finstern Nebengedanken, die wir strafende
Armenpflege nannten. Wenn es einen Weg geben kann, um solche Personen
einer sichern Besserung entgegen zu f�hren, so kann es nur der sein, sie
auf eine m�glichst ger�uschlose, stillschweigend liebevolle Weise der
Gesellschaft wiederzugeben. Eine schwarze Tracht mag allerdings bewirken,
da� der, der sich dem Magdalenenstift in die Arme wirft, gleichsam die
T�r hinter sich auf immer zuwirft und eine fast kart�userartige
Resignation zeigen mu�, aber wie wenig Gem�ter werden einer solchen
Abt�tung des letzten Restes von Stolz f�hig sein! Gerade das, was Ihr
zuerst brechen wollt, diesen letzten Rest von Stolz, gerade das ist nur
das Samenkorn, aus dem sich eine neue Bl�te des sittlichen Menschen
erheben kann. Was wird das Ende dieses Beginnens sein? Da� eine solche
Anstalt hinter ihrer guten Absicht zur�ckbleibt und, statt gebesserter,
dem Leben wieder gewonnener Verirrten, Heuchlerinnen erzeugt, die, wie es
der Fall ist, beim geringsten verf�hrenden Anla� wieder in ihre alten
Lasterwege zur�ckfallen.

Nach allem, was sich hier beobachten l��t, sieht man, da� man die �bel,
an welchen die heutige Gesellschaft krankt, hier mehr als irgendwo
erkannt hat. Man hat sie erkannt, weil man sie f�hlt, weil sie sich zu
unabweislich von selbst aufdr�ngen. Aber in den Mitteln, den
gesellschaftlichen Sch�den abzuhelfen, vergreift man sich. Man will den
Sch�den unmittelbar begegnen, statt da� sie nur da wahrhaft zu heilen
sind, wo man ihrem ersten Grunde auf die Spur gekommen ist. Die Wurzel
mu� man entdecken und den Wurm t�ten, der an der Wurzel nagt. Das
Begie�en des welken Blattes an dem verkr�ppelten Stamme fristet ihm eine
Weile das frische Ansehen des Lebens, dann aber f�llt es ersterbend ab,
weil der aus der Wurzel quellende Balsam des Lebens, der Saft der
Gesundheit ihm st�rkend nicht zustr�mt.

Theodor Mundt sprach in seiner k�rzlich erw�hnten Vorlesung von dem
durchgreifenden Streben unserer Zeit nach "Gl�ckseligkeit und Vergn�gen".
Ich erschrak, wie er diese Tatsache so ohne weiteres als einen
feststehenden Satz, wahrscheinlich als die Pr�misse seiner fr�hern
Entwickelungen einwerfen und voraussetzen konnte. Und doch stellt sich
diesem Satze, um ihn zu widerlegen, wenig gegen�ber. Er ist wahr, er ist
bewiesen; bewiesen nicht nur durch den Luxus der Reichen, sondern auch
durch die brennende Sehnsucht und Entsagungsunf�higkeit der Armen. Am
uners�ttlichsten aber in Zerstreuungen ist der Mitte1stand.
Gl�ckseligkeit und Vergn�gen ist mehr denn je die Devise des Berliners
geworden. Die �ffentlichen und Privatgelegenheiten zu Erholungen aller
Art haben sich rei�end vermehrt. Die Stra�enecken sind t�glich mit mehr
als einem Dutzend Zettel beklebt, um zu Zerstreuungen einzuladen. Dabei
ist der Zudrang zu solchen Nahrungszweigen, welche wenig Anstrengung
erfordern, unverh�ltnism��ig. Wer fr�her nicht wu�te, welches Gewerbe er
treiben sollte, er�ffnete einen Tabakshandel. Jetzt haben sich dazu
Anlagen von Kaffeeh�usern, Vergn�gungsg�rten, Konditoreien gesellt, die
mit derselben Schnelligkeit aufschie�en, wie hier Mode-, Schnittwaren-,
Kleiderhandlungen und Gewerbel�den von solchen er�ffnet werden, die diese
Gewerbe nicht selber treiben, sondern nur von andern treiben lassen. Und
mitten in diesem Sausen und Brausen von Vergn�gungen dann jene Zust�nde
der Not und des Elends, die Bettina jenen menschenfreundlichen Schweizer
im Anhange ihres K�nigsbuches hat schildern lassen--der Gegensatz ist
schneidend.

Ausw�rts f�hlt man diesen Gegensatz fast noch mehr als hier. Ausw�rts hat
man sich verwundert, wie mitten in diesen Tatsachen des dringendsten
Bed�rfens, mitten in diesen beredten Schilderungen der hiesigen Verarmung
pl�tzlich das Krollsche Etablissement hat auftauchen k�nnen. Ich gestehe,
als ich diesen von allen Zeitungen f�r einen Feenpalast ausgegebenen Ort
besuchte, konnte ich den st�renden Gedanken, da� diese Sch�pfung sehr mal
� propos gekommen, nicht unterdr�cken. Zum Gl�ck bleibt auch dieser
"Feenpalast" hinter seinem Rufe zur�ck. Schon in der Ferne, wenn man
durch Staubwolken durchzudringen vermag, sieht das Ganze wie eine gro�e
Ziegelh�tte aus. Man sieht ein Konglomerat von Schornsteinen und
hervorspringenden Hausecken und f�hlt sich durch den ersten Eindruck eher
abgesto�en als angezogen. Dabei �rgert man sich �ber die Idee, ein
solches von allen Fremden zu besuchendes Lokal auf die Achillesferse
Berlins, die Sandw�ste Sahara, auf den Exerzierplatz zu bauen. Der
Berliner Staub, vergessen gemacht durch die freundlichen Anlagen des
Tiergartens, tritt wieder beizend, augenverderbend, unausstehlich in den
Vordergrund; denn recht in den Mutterscho� dieses Staubes ist das neue
Geb�ude gelegt worden. Man betritt es. Alles erscheint daran l�ckenhaft,
h�lzern, durchsichtig, leichte Ware, berechnet auf einen kurzen Effekt.
Mit einem Blick �bersieht man die gewaltige Reitbahn des Vergn�gens.
Keine Abwechslung, kein lauschiges Versteck, keine M�glichkeit des
Alleinseins. Die nackten wei�en Holzw�nde, mit Goldleisten zwar verziert
und hier und da bemalt, aber keine Draperien, keine Vorh�nge, das ganze
Lokal auf einen Blick in die flache Hand gegeben. Das Unterhaltende an
den Maskenb�llen in der gro�en Oper zu Paris ist nicht der gro�e
Tanzraum, sondern das bunte Gew�hl auf den Treppen, Korridoren, in den
Foyers, in Einrichtungen, die hier, bis auf einige wenige Logen, nicht
getroffen sind. Man kann allerdings sagen, Paris besitzt ein solches
Etablissement nicht; aber man mu� hinzuf�gen: Wenn man in Paris so
oberfl�chlich w�re, zum blo�en Dasitzen, Gaffen und Begafftwerden eine
solche Unterhaltungsanstalt zu begr�nden, so w�rde sie gro�artiger,
geschmackvoller, charakteristischer sein. Im Kellergescho� dieses Tempels
der Langeweile befindet sich ein so genannter "Tunnel", eine Lokalit�t
zum Rauchen, wie sie finsterer, schmutziger, erstickender kaum in London
gefunden werden kann. Man glaubt, da� die "Myst�res de Paris" hier ihren
Anfang h�tten nehmen k�nnen. Man glaubt den tapis franc zu betreten und
sieht sich unwillk�rlich nach der Ogresse um. Aber auch die "Myst�res de
Berlin" k�nnten hier anfangen. Gibt es solche? Gedruckt schon eine gro�e
Anzahl, und die zuerst kamen, von Schubar, schon in dritter Auflage ...
Schade, da� sich originelle K�pfe nicht leicht entschlie�en werden, in
die Fu�stapfen eines andern zu treten; wohl aber bliebe es w�nschenswert,
da� sich jemand der deutschen Zust�nde so bem�chtigen k�nnte, wie Eug�ne
Sue der franz�sischen. Hat nicht am Ende auch Sue den Boz nachgeahmt, und
Boz wieder die alten humoristischen Romane der vorigen Jahrhunderte?
Mysterien von Berlin m��ten grelle Schlaglichter auf Deutschlands
sittliche, gesellschaftliche und intellektuelle Zust�nde fallen lassen,
m��ten die Fackel der Aufkl�rung nicht nur in die Kellergew�lbe der Armut
und des Verbrechens tragen, sondern auch in die tr�be D�mmersph�re der
Schein- und �berbildung, der L�ge und Heuchelei....




Impressionen--z.B.: Borsig (1854)


Berlin w�chst an Stra�en, mehrt sich an Menschen, aber man kann des
Abends um neun Uhr doch im Anhaltischen Bahnhofe ankommen und wird, mit
einer Droschke von der Wilhelmstra�e zu den Linden fahrend, glauben, in
Herculaneum und Pompeji zu sein; denn selbst die gro�e Friedrichstra�e
gleicht dann schon einer verl�ngerten Gr�berstra�e. Auf f�nf von der
Eisenbahn herwackelnde Droschken zwei Menschen zu Fu�, einer auf dem
Trottoir rechts, einer auf dem Trottoir links. Doch es ist eigen mit der
Stille einer gro�en Stadt. Am Gensdarmenmarkt feierliche Ruhe und in dem
so gespenstisch einsam daliegenden Schauspielhause st�rmte vielleicht
eben ein vielhundertstimmiges da capo. In seinem Konzertsaale sang
wenigstens Jenny Goldschmidt-Lind.

Wenn man nicht in der Lage ist, seine Ankunft in Berlin vermittels
telegraphischer Depesche irgendeinem Hotelier Unter den Linden anzeigen
und sich eine Suite Zimmer im ersten Stock zweckm��ig vorrichten zu
lassen, so wird man in der Hauptstadt der Intelligenz immer einige M�he
haben, sich in seinem Absteigequartier mit dem Wahlspruche auszus�hnen:
L�ndlich, sittlich. Die Rechnungen der Hotels bleiben gewi� hinter den
Fortschritten der Zeit nicht zur�ck, aber die �rmlichkeit der
Zimmerausstattungen, das Gepr�ge der auf allen m�glichen Auktionen
zusammengekauften M�blierung und die scheinbare Halbeleganz gewisser,
durch �berm��ige Ausnutzung halbverwitterter Verzierungen, z.B. des
unvermeidlichen Wachstuchs auf den Fu�b�den, stellt immer wieder die
�rmlichkeit des Berliner Komforts heraus, von den Betten, ihrer Enge,
ihren zentnerschweren Federpf�hlen nicht zu reden. Von Doppelfenstern ist
in der lichtliebenden Stadt wenig die Rede. Man erkennt auf diesem
Gebiete immer wieder in Berlin seine alten Pappenheimer und l��t sich's
an ihnen gen�gen, wenn nur daf�r die Ausbeute an geistiger Anregung desto
belohnender zu werden verspricht.

Regen und Schnee, Sturm und K�lte lassen die gro�en Schmutzfl�chen der
Berliner Pl�tze und Stra�en doppelt schauerlich erscheinen. Unabsehbar
sind diese Wasserspiegel. Unter den Linden fegen die Stra�enkehrer eine
ganz eigent�mliche breiige Masse zusammen, ein f�nftes Element, das
bekanntlich auch nur in oder doch bei Berlin die Erfindung einer gewissen
Plastik aus Stra�enkot m�glich gemacht hat. Ob sich nicht auch aus der
fl�ssigen und kaltgewordenen Lava, die von Kranzler bis zum Victoriahotel
st�ndlich zusammengekehrt wird, wie aus Chausseestaub eine Terra cotta
f�r Eichlers plastisches Kabinett bilden lie�e? An Ordnung in der
Handhabung der das Eis, den Schnee und den Schmutz betreffenden
polizeilichen Vorschriften fehlt es nicht. An jeder Stra�enecke der
belebten Gegenden steht ein Konstabler, der nach dem Charakter der
preu�ischen Monarchie, als einer vorzugsweise spartanischen, auch nur im
Helme des Kriegers f�r den �ffentlichen Frieden sorgt. Man h�tte aber die
Neuerung des Helms nicht zu weit sollen um sich greifen lassen. Von der
Ehre, ihn tragen zu d�rfen, hat man jetzt die Droschkenkutscher
gl�cklicherweise wieder ausgeschlossen.

Eine in die Augen springende Versch�nerung der Stadt, die sie seit
einigen Jahren gewonnen, sind die nun endlich fertiggewordenen
Standbilder auf den gro�en Granitw�rfeln der Schlo�br�cke. Wohl �ber
zwanzig Jahre schon standen diese blanken Quadersteine und harrten ihrer
k�nftigen Bestimmung. Was hatte man nicht anfangs auf ihnen einst zu
erblicken gehofft? Heilige und Propheten, Panther und L�wen, ber�hmte
Divisionsgenerale und bew�hrte wachsame Residenz-Kommandanten. Jetzt ist
"Das Leben des Kriegers" daraus geworden in griechischer Auffassung. Ob
die vielen Klagen �ber allzu gro�e Nat�rlichkeit dieser Gruppen einen
Grund haben, l��t sich noch nicht recht von dem heutigen Wanderer
beurteilen. Das Schneegest�ber verdeckt alle Aussicht, der durch die
einfache Trottoirreihe ohnehin beengte Fu�boden ist zu na�, um irgendwo
bequem nach dem ionischen Himmel aufblicken zu k�nnen, der sich �ber
diesen wei�en Marmorgruppen ausspannen sollte. Die armen Krieger, wie es
scheint gew�hnt an die Ebenen von Griechenland, wo sie als Ringk�mpfer
bei den Nemeischen Spielen den Preis gewannen, haben heute dicke
Epaulettes von Schnee auf ihren Achseln liegen. Man darf mit ihnen
einiges Mitleid haben, man darf annehmen, da� sie frieren; denn zu
ersichtlich sind sie nach Modellen der sch�nsten Grenadiere vom ersten
Garderegiment gemei�elt; zu ersichtlich ist ihre Nacktheit keine
gewohnte, sondern nur ein zuf�lliges Ausgezogensein bei einem
gutgeheizten Berliner Atelierofen; zu ersichtlich ist ihre nur auf die
allgemeine Milit�rpflicht, die ein- und dreij�hrige Dienstzeit, die
Man�verzeit und ein mobilisiertes Ausr�cken nebst endlicher
Errungenschaft eines ehrenvollen Ordens oder einer Anstellung gehende
Allegorie. Die �bergro�en Fl�gel der Viktorien sind schon f�r die
Harmlosigkeit einer Beziehung auf Griechenland zu verd�chtig. Man hat
diese Fl�gel der Viktorien hier in neuerer Zeit schon zu stereotyp
neupreu�isch, d.h. als Cherubimsschmuck, ausgebildet: Es sind dieselben
christlichen Viktorien, die auf Wachschen Bildern das Grab des Heilands
h�ten, die den Eingang in die Kuppeldachkapelle des Schlosses bewachen
und auch sonst schon in die gew�hnlichen Verzierungen der Stadt
�bergegangen sind, selbst bei gewerblichen Zwecken. Diese mehr
christlichen als antiken Cherubim wecken in der Bekr�nzung der Krieger
immer nur die Vorstellung eines seine Pflicht erf�llenden modernen jungen
Landesverteidigers, und darum scheint das Berliner Mitleid um die
erfrierenden jungen Konskriptionspflichtigen und der mehrfach ge�u�erte
Wunsch, ihnen warmhaltende M�ntel und Beinkleider zu schenken, nicht ganz
unmotiviert. Nur �ber die allzu nat�rliche Wiedergabe der Natur hat man
sich mit Unrecht beklagt. Die jungen Grenadiere stehen so hoch, die
Granitw�rfel haben erst noch einen so ansehnlichen �berbau erhalten, da�
eine junge Dame schon sehr neugierig sein mu�, wenn sie, aus einer
Predigt im Dom kommend, an dem modernen Griechentum auf der Schlo�br�cke
ein �rgernis nehmen will ...

Die Zunahme Berlins an Stra�en, H�usern, Menschen, industriellen
Unternehmungen aller Art ist au�erordentlich. Auf Stellen, wo ich mich
entsinne, mit Gespielen im Grase gelegen und an einer Drachenschnur
geb�ndelt zu haben, sitzt man jetzt mit irgendeiner Dame des Hauses,
trinkt Tee und unterh�lt sich �ber eine wissenschaftliche Vorlesung aus
der Singakademie. Wo sonst die blaue Kornblume im Felde bl�hte, stehen
jetzt gro�m�chtige H�user mit himmelhohen geschw�rzten Schornsteinen. Die
Fabrik- und Gewerbst�tigkeit Berlins ist unglaublich. Bewunderung erregt
es z.B., einen von der Natur und vom Gl�ck beg�nstigten Kopf, den
Maschinenbauer Borsig, eine imponierende, beh�bige Gestalt, in seinem
runden Qu�kerhut in einer kleinen Droschke hin und her fahren zu sehen,
um seine drei gro�en, an entgegengesetzten Enden der Stadt liegenden
Etablissements zu gleicher Zeit zu regieren. Borsig besch�ftigt 3000
Menschen in drei verschiedenen Anstalten, von denen das gro�e
Eisenwalzwerk bei Moabit eine Riesenwerkstatt des Vulkan zu sein scheint.
Es kommen dort Walzen von 120 Pferdekraft vor. Borsig baut gegenw�rtig an
der f�nfhundertsten Lokomotive. Man berechnet ein Kapital von sechs
Millionen Talern, das allein durch Borsigs Lokomotivenbau in Umsatz
gekommen ist. Es macht dem reichen Mann Ehre, da� er sich von den
gl�cklichen Erfolgen seiner Unternehmungen auch zu derjenigen F�rderung
der Kunst gedrungen gef�hlt hat, die im Geschmacke Berlins liegt und dem
K�nige in seinen artistischen Unternehmungen sekundiert. Er hat sich eine
pr�chtige Villa gebaut und pflegt einen Kunstgarten, der schon ganz
Berlin einladen konnte, die Viktoria regia in ihm bl�hen zu sehen.

F�r gewisse industrielle Spezialit�ten gibt es in Berlin Betriebsformen,
die wenigstens auf dem Kontinente ihresgleichen suchen. Vor dem
Schlesischen Tore liegen die Kupferwerke von Heckmann. Hier werden jene
riesigen Vakuumpfannen geschmiedet, die man in den R�benzuckerfabriken
n�tig hat; hier werden die Kupferdr�hte f�r die elektrischen Telegraphen
gezogen. Heckmann bezieht sein Material direkt aus England, Schweden und
vorzugsweise Ru�land. Ebenso gro�artig ist Raven�s Handel mit
Schmiedeeisen, Blei, Messing, Zinn und allen metallischen Rohprodukten.
Es charakterisiert den Berliner Gro�kaufmann, der seine urspr�nglichen
naiv-b�rgerlichen Triebe nicht lassen kann, da� Raven� in einem Anfall
guter Laune s�mtliche verk�ufliche Weine in Bordeaux aufkaufte und sich
das Privatvergn�gen machte, das Modell einer gro�artigen, aber soliden
Weinhandlung aufzustellen, an der es ihm in Berlin sehr n�tig schien.
Goldschmidt und Dannenberger haben Kattunfabriken im Gange, die Tausende
von Menschen, die Bev�lkerung kleiner Stadtbezirke, besch�ftigen,
�berdies ein pauperistisches Element enthalten, das eine umsichtige
Behandlung erfordert ...




Quatsch, Kroll und "Satanella" (1854)


Es gibt ein Wort, das man nur in Berlin versteht. Aber auch nur in Berlin
finden sich Erscheinungen, die man damit bezeichnen mu�. Es ist dies der
Ausdruck: Quatsch.

Quatsch ist der Anlauf zum Witz, der, auf dem halben Wege stehen
bleibend, dann nat�rlich noch hinter dem halben Verstande zur�ckbleibt.
Denn man kann eine halbwegs vern�nftige Meinung, ein halbwegs ernstes
Urteil noch immer als eine leidliche Manifestation gesunder Vernunft
gelten lassen. Der halbe Verstand geh�rt oft der Mystik an, die bis auf
einen gewissen Punkt auch gew�hnlich eine Art Logik f�r sich hat. Der
halbe Witz aber ist schrecklich. Er ist das absolut Leere. Er macht die
Voraussetzung, etwas Apartes bringen zu wollen und bleibt in der Grimasse
stecken. Er schneidet ein pfiffiges Gesicht und sagt eine Dummheit.
Quatsch ist nicht etwa der Unsinn. Es lebe unter Umst�nden der Unsinn!
Den Unsinn haben �sthetiker g�ttlich genannt, den echten, wahren,
nat�rlichen Unsinn, der die H�lfte z.B. des Wiener Witzes ausmacht. "Ein
vollkommener Widerspruch fesselt Weise und Toren", sagt Goethe; aber der
relative Widerspruch ist das ewig Gesuchte, das niemals Zutreffende, das
herren- und ziellos Herumtaumelnde und Faselnde, mit einem Wort das
Quatsche.

Berlin ist gro� im Quatschen. Es kichert �ber jede Grimasse zum Witz,
wenn auch der Witz ausbleibt. Irgendeine zweimal wiederholte
absonderliche Redensart findet unverz�glich ihr Publikum. Man findet hier
Menschen, die f�r witzig gelten, weil sie keinen Satz enden wie andere
Menschen, jedes Ding mit einem andern Namen nennen, Begriffe verwechseln
und das Ernsteste im Tone der Ironie sagen. Es herrscht bei ihnen ein
ewiges Vermeiden der geraden Linie, die andere Menschen gehen; sie
fallen, sie stolpern �ber sich selbst; die Berliner nennen das alles
witzig, w�hrend ein Vern�nftiger es Quatsch nennen mu�. Ich sah "M�ller
und Schultze bei den Zulu-Kaffern". Der Gegensatz war burlesk genug. Die
wilden Hottentotten mit ihrem rasenden Tanze, ihrem Kriegsgeschrei, ihrem
gellenden Pfeifen, mit Geb�rden, die eine Hetze wahnsinniger Affen zu
zeigen schienen und im Grunde Furcht und Entsetzen, Grauen und Mitleid,
solches Gebaren menschlich nennen zu m�ssen, einfl��te, und unter ihnen
die beiden Stereotypen des "Kladderadatsch", zwar ziemlich treu im
�u�ern, aber in jedem Worte, das sie sprachen, Vertreter des absolut
Quatschen bis zum Ekel. "Schultze!" "M�ller!" "M�ller!" "Schultze!" "Bist
du et?" "Ja, ik bin et." "Hurrjeh!" usw. Man denke sich einen solchen
Scherz auf dem Palais-Royal-Th��tre in Paris, wir wollen nicht einmal
sagen mit Levassor und Ravel, sondern nur mit Sainville und Kalekaire!
Das Krollsche Theater mag die Mittel nicht besitzen, gute Komiker zu
bezahlen, aber der Text von Cormon, Clairville, Dennery und wie die
Fabrikanten solcher Gelegenheitsscherze in den kleinern Pariser Theatern
hei�en, w�rde nicht so unbedingt nur fade sein. Man mu� das Pariser Oh!
Oh! geh�rt haben bei jedem abblitzenden Einfall eines solchen
Unsinn-Textes, um zu verstehen, wie die Franzosen auch bei solchen
Veranlassungen witzig und geistreich sein k�nnen. Diese Berliner
Dramatisierung der Zulu-Kaffern war aber so widerw�rtig, als wenn man
sich vorstellen wollte, der Naturgeist selbst erh�be einmal seine
gewaltige Stimme, finge zu reden an und verwechselte dabei mir und mich.

Das Quatsche ist doch wohl in den Berliner dadurch gekommen, da� sein
urspr�nglich einfacher, sogar naiver und kindlicher Sinn den
Anforderungen einer immer mehr anwachsenden und �ber seine geistige Kraft
hinausgehenden Stadt nicht gleichkommt. Schon das verdorbene
Plattdeutsch, das den Volksjargon bildet, tr�gt den Stempel der
Unzul�nglichkeit an sich. Es ist die absolute Sprache der Unterordnung,
der Beschr�nktheit; es ist die Sprache der Hausknechte, H�kerinnen,
kleinen Rentiers, der Kinder, des in die Stadt versetzten Bauers. Die
Sprechweise der Gebildeten tr�gt so sehr noch die Spuren vom Tonfall des
Volksdialekts, da� es zu einer ganz freien Sprachbehandlung im Sinne des
reinen Oberdeutschen hier nur bei sehr wenigen kommt. Wird nun ein so
beschr�nktes und in seiner Art doch wieder sehr scharf ausgepr�gtes
Sprachmaterial bestimmt, dem gro�en Ideenkreise einer Stadt, die eine
Hauptstadt der deutschen Intelligenz sein will, zum Ausdruck zu dienen,
so entsteht dadurch jenes absolut Alberne, das man eine Art Geistespatois
nennen m�chte. Diese Mi�geburt entstand erst mit der Zeit, wo Berlins
Trieb nach �ffentlicher Bew�hrung wuchs. Seine Bev�lkerung emanzipierte
sich zum Gro�st�dtischen. Die Schusterjungen machten wohl die �ffentliche
Meinung schon zu Friedrichs des Gro�en Zeit; der K�nig sagte den
Katholiken, die das Fronleichnamsfest �ffentlich feiern wollten: Er h�tte
nichts dagegen, wenn die Schusterjungen es nicht hinderten. Allein die
literarische Vertretung des Schusterjungentums ist neu und schreibt sich
von den bekannten Eckensteherwitzen her. Dieser Fortschritt war an sich
nicht unwichtig. Es ist mit diesem Neu-Berlinertum viel gesunde Vernunft
zur Geltung gekommen und wer w�rde verkennen, da� "Kladderadatsch" ganz
Deutschland, von Saarlouis bis Tilsit, vorm Einschlafen gesch�tzt hat?
Aber die "Gelehrten des Kladderadatsch" sind witzige Ausl�nder, die sich
nur berlinischer Formen bedienen. Ohne die Sch�rfe dieses Blattes w�rden
diese Formen, wie die Erfahrungen auf den neuer�ffneten hiesigen B�hnen
zeigen, ganz ins Quatsche zur�ckfallen.

Die Art, wie hier in neuerer Zeit B�hnen er�ffnet worden sind (um diese
F�hrte des Geschmacklosen weiter zu verfolgen), ist eine der
unglaublichsten Inkonsequenzen einer Regierung, die in allen andern
geistigen F�chern so au�erordentlich schwierig ist. Das Ministerium
Ladenberg ging auf eine so gewissenhafte Revision der Theaterkonzessionen
aus, und in Berlin durften Kaffeeh�user und Tanzlokale sich in Theater
verwandeln! Es ist noch ein wahres Gl�ck, da� unser Schauspielerstand
durch die sogenannten Tivolitheater nicht ganz verwildert ist, was
freilich in einigen Jahren immer mehr der Fall sein wird; es finden sich
immer noch einzelne Darsteller, die den Ehrgeiz besitzen, mit ihrer Kunst
nicht ganz zugrunde zu gehen. Kaum ist die n�chste materielle Not
befriedigt, so werden sie bestrebt sein, den gl�cklicher gestellten
Kollegen an den Hof- und gro�en Stadttheatern gleichzukommen und Besseres
und Edleres zu spielen. So hat sich das hiesige Friedrich-Wilhelmst�dtische
Theater, besonders durch die Bem�hungen der trefflichen HH. G�rner und
Ascher, zu einer �berraschenden Geschmacksrichtung, die sich in den
schwierigsten �sthetischen Aufgaben versucht, emporgearbeitet, allein im
Sommer verwandelt es sich wieder in ein Parktheater und noch ist die
Bev�lkerung zu sehr geneigt, an dem Ton Freude zu haben, der auf einigen
andern Theatern im Sinne des Quatsch angeschlagen wird. Theater �ber
Theater! Hier gehen Menschen herum, die, ohne die geringste geistige
Bildung, ohne Geldmittel sogar, eine Theaterkonzession in der Tasche
haben; andere glauben sie ohne weiteres durch ein geeignetes F�rwort an
hoher Stelle erlangen zu k�nnen. Einen Zirkus zu er�ffnen oder eine B�hne
scheint nach den Gesetzen der Gewerbefreiheit einerlei und allerdings hat
jeder Spekulant recht, wenn er sich auf seine Vorg�nger beruft und z.B.
fragt: Wie kommt der Caf�tier Kroll zu einer B�hne, wie kommen zwei
Gebr�der Cerf, Handlungsbeflissene, dazu, wie kommt jener einst zum
Gesp�tt der Vorst�dte deklamatorische Vorstellungen gebende Rhetor
Gr�bert dazu? Wer ist Herr Carli Callenbach, der auch ein Theater
besitzt? Diese Anarchie auf dem dramatischen Gebiete macht dem Freunde
der Literatur ganz denselben Eindruck, wie es dem Freunde milit�rischer
Ordnung peinlich war, sogenannte B�rgerwehr in rundem Hut und �berrock
die Armatur der k�niglichen Zeugh�user tragen zu sehen. Nicht da� die
B�rgerwehr als solche zu verwerfen war, aber sie bedurfte der
Organisation, sie bedurfte jener Haltung, die dem Waffendienste geziemt;
ebenso verletzt wendet sich die dramatische Muse ab, wenn man ihr opfert
wie dem Gambrinus in bayrischen Bierstuben. Man kann die treffliche
Organisation der Pariser Theater mit diesen Polkawirtschaften Thaliens in
keine Vergleichung bringen, man vergleiche wenigstens die Theater der
Wiener Vorst�dte. Die Josephst�dter B�hne ist vielleicht diejenige unter
ihnen, die am tiefsten steht und doch hat sie eine bestimmte Spezialit�t;
manches Talent, z.B. Mosenthals, entwickelte sich zuerst auf ihr,
"Deborah" erschien zuerst auf der Josephst�dter B�hne.

Das Repertoire des K�niglichen Theaters fand ich im Schauspiel sehr wenig
anziehend, "Waise von Lowood", "Deutsche Kleinst�dter", "Geheimer Agent"
usw. Es herrscht hier eine Unsitte, mit der sich kein noch so
wohlmeinender �sthetischer Sinn vereinbaren l��t, n�mlich die Befolgung
der Spezialbefehle, welche die einheimischen und fremden h�chsten
Herrschaften �ber die St�cke aussprechen d�rfen, die sie zu sehen
w�nschen. Es ist dies eine Form des Royalismus, die in der Tat etwas
auffallend Veraltetes hat und in dieser Form in keiner Monarchie der Welt
vorkommt. Bald hei�t es: "Auf h�chstes Begehren", bald: "Auf hohes
Begehren", bald: "Auf Allerh�chsten Befehl", bald nur einfach: "Auf
Befehl", unter welcher bescheidenem und auch seltener vorkommenden Form
sich die W�nsche des K�nigs zu erkennen geben. Was ist das aber f�r eine
Unsitte, da� die Kammerherren auch jeder durchreisenden, prinzlichen
Herrschaft die St�cke bestellen, welche diese zu sehen w�nschen! Die
geistigen Armutszeugnisse, die sich Prinzen, Prinzessinnen, ab- und
zureisende kleine Dynasten und Dynastinnen mit ihren W�nschen um dieses
Ballet, um jene Oper, um eine kleine Posse geben d�rfen, sind schon an
sich kl�glich und fallen ganz aus der Rolle, welche die Monarchie
heutigen Tages zu spielen hat; aber der Gang der Gesch�fte wird dadurch
auch auf eine Art unterbrochen, unter welcher Kunst und Publikum leiden.
Hat eine Prinzessin eine Empfehlung von ausw�rts bekommen, die ihr eine
Schauspielerin oder S�ngerin �berbrachte, so bestellt sie die St�cke, in
denen sie auftreten soll. Kommt der Hof aus Mecklenburg-Strelitz, so legt
man ihm die St�cke vor, die gerade leicht anzurichten sind, er streicht
sich einige an und man liest: "Auf h�chstes Begehren: 'Der geheime
Agent'", ein St�ck, das jetzt auf jedem Liebhabertheater gesehen werden
kann. Der K�nig besitzt so viel Geist, da� ihm diese Manifestationen des
Privatgeschmacks seiner Br�der oder Neffen oder Vettern ohne Zweifel viel
Heiterkeit verursachen; er sollte aber einen Schritt weitergehen und
diesen Mi�brauch der von den Kammerherren ver�nderten Repertoires im
Interesse der Kunst und des Publikums verbieten. Es macht sich dies
�ffentlich kundgegebene Denken und Mitreden der "Herrschaften" in einem
Staate, der ja doch wohl ein konstitutioneller sein soll, sehr wenig nach
dem Geiste der in ihm allein anst�ndigen �ffentlichkeit.

Nat�rlich ergibt sich unter solchen Umst�nden, wo die Gro�en und
M�chtigen �ffentliche Fingerzeige �ber ihren eigenen Geschmack geben
d�rfen, die F�rderung des Gedankenvollen und Notwendigen an einer B�hne
weit schwieriger. Wenn sich die Gro�en "Satanella" oder "Aladins
Wunderlampe" kommandieren, wenn Pferde auf dem K�nigsst�dter Theater
agieren, Klischnigg, der Affenspieler, und die Zulu-Kaffern auf dem
Krollschen Theater ihr Wesen treiben, kann eine erste Auff�hrung eines
neuen Dramas im Schauspielhause nur ein kleines Publikum finden; vor
einem halbbesetzten Hause sah ich die erste Auff�hrung des "Demetrius"
von Hermann Grimm. Es war ein kleines Geheimratspublikum aus der Gothaer
Richtung; ein paar Offiziere, einige Professoren, wenig Studenten, auf
zehn Menschen immer ein bestallter Rezensent. Die Darstellung war ebenso
warm wie die Ausstattung gl�nzend. Das funkelte von Farbenpracht, Frische
und Neuheit der Kost�mstoffe, �berall, in den kleinsten Ausschm�ckungen
der W�nde zeigte sich ein vorhergegangenes Studium der betreffenden
Geschichte, Sitten und Kleidertrachten der Zeit, in welcher die Handlung
spielte. Das St�ck war eine Anf�ngerarbeit, die kaum Talent verriet (nur
aus �berf�lle sprudelt der Quell einer geistigen Zukunft, nicht aus einer
D�rftigkeit, wo sich Armut den Schein der Einfachheit geben will), aber
die Darstellung ging von einem sch�nen Glauben an den Wert des St�ckes
aus; nirgends sah man ihr eine Mi�stimmung �ber die aufgeb�rdete,
undankbare und f�r die Zeit der besten Saison verlorene Aufgabe an und
mit dem halbunbewu�ten Pflichtgef�hl verband sich die noch immer
au�erordentlich ansprechende Nat�rlichkeit der Hendrichsschen Spielweise.
Rollen, die keine Schwierigkeiten der Dialektik bieten, wird Hendrichs
immer vorz�glich spielen. Dieser K�nstler ist ein schwacher Hamlet, aber
ein liebensw�rdiger und �berredender Romeo. In seiner Passivit�t liegt
Poesie und da er nur die Konturen ausf�llt, die der Dichter ihm
vorzeichnet, so nimmt er durch die Treue und Einfachheit, mit der er sich
seinen Aufgaben unterzieht, �berall f�r sich ein, wo einmal die Macht der
Gew�hnung ein Publikum f�r ihn gewonnen hat, wie in Berlin, Frankfurt und
Hamburg, wo er gewohnte Triumphe feiert.

Ich bedauerte, Dessoir nicht besch�ftigter zu finden. Dieser geistvolle
Schauspieler leidet hier an der �blichen Abgrenzung unserer Rollenf�cher.
Der Begriff eines Charakterspielers, den er zu vertreten hat, ist so
vieldeutig. Man kann Hamlet als Liebhaber spielen, man kann ihn aber
auch, wie Dawison und Dessoir tun, als Charakterzeichnung geben. Dessoir
ist einer jener Schauspieler, die zwar in jedem Ensemble eine Zierde sein
werden, selbst wenn sie nur zweite Rollen spielen, aber Dessoir hat den
ganzen Beruf, eine Stellung einzunehmen, die ihn zum Matador einer B�hne
macht und jede bedeutende Aufgabe, die nicht ganz dem Liebhaberfache
angeh�rt, ihm zuweist. Alle die Rollen indessen, auf die ihn sein
k�nstlerischer Trieb hinf�hren mu�, sind noch im Besitze der Herren Rott
und D�ring. Es spricht f�r die geistige Anregung, die Berlin bietet, f�r
die Belohnung, die man im Beifall eines nat�rlich sich hingebenden
Publikums findet, da� Dessoir darum doch seinen hiesigen, h�chst
ehrenvoll behaupteten Platz mit keinem andern vertauschen m�chte.

Vom Schauspiel sagt man an der Verwaltungsstelle, es w�rde keineswegs
vernachl�ssigt und es hat sich seit D�ringers Mitwirkung sehr gehoben;
dennoch mu� man bei dem Vergleiche der unverh�ltnism��igen Pracht, die
das Opernhaus umgibt, w�nschen, es w�rde doch endlich ganz von der Musik
und dem Ballett getrennt, es verfolgte seine ernste und schwierige
Aufgabe f�r sich allein. Das Schauspiel kann nur ein Stiefkind erscheinen
gegen die Art, wie die Leistungen des Opernhauses nicht etwa von der
Verwaltung geboten, sondern vom Publikum empfangen werden. Neun gl�nzende
Proszeniumslogen ziehen fast ebensoviel Aufmerksamkeit auf sich wie die
Leistungen der Szene. Das Opernhaus ist das Stelldichein der h�hern und
mittlern Gesellschaft, der stete Besuchsort der Fremden, die Sehnsucht
der allgemeinen Schaulust und ein Tempel des Genusses. Nicht Paris und
Wien finden im Ballett ihre speziel1sten sinnlichen Bed�rfnisse so
befriedigt wie Berlin. "Satanella" und "Aladins Wunderlampe" sind die
Ballette des Tages, die jeder gesehen haben mu� und die derjenige, der
die Mittel besitzt, nicht oft genug sehen kann. Welche F�lle von Licht,
Farbe, Glanz aller Art, von Jugend, Sch�nheit und Gefallsucht! Die
musikalischen Kr�fte sind hier so gro�, da� z.B. an einem Abend im
Opernhause der "Prophet" gegeben werden kann, im Schauspielhause die
Zwischenaktmusik zu "Egmont" vol1st�ndig da ist und noch in der
Singakademie ein Konzert mit der k�nigl. Kapelle begleitet werden kann.
Es ist dies nur m�glich durch die Unzahl von Akzessisten und
Exspektanten, die zwar nicht die Leistungen vorz�glich, aber alle F�cher,
auch die des Chors und des Ballettkorps so vol1st�ndig machen. Auf
drei�ig T�nzerinnen, welche die Verwaltung besoldet, kommen ebensoviel
junge, h�bsche, talentvolle M�dchen, die unentgeltlich mitwirken, nur um
der Anstalt anzugeh�ren und vielleicht einmal in die besoldeten Stellen
einzur�cken. Vor der Auswahl von jungen Leuten, die Eltern und Angeh�rige
"um Gotteswillen" der Verwaltung zu Gebote stellen, kann diese sich kaum
retten. Daher auf der Szene die �berraschendste Massenentfaltung. Die
Kunst der Beleuchtung, der Glanz der Kost�me, der Geschmack der
Dekorationen ist aufs h�chste getrieben. Da steigen Feentempel aus
der Erde, da senken sich Wolkenthrone mit allen Heerscharen des
orientalischen Himmels nieder, da leuchten und blitzen unterirdische
Grotten von Ede1steinen, da sprudeln nat�rliche Springbrunnen im
Mondenschein und fallen, vielfach gebrochen, in Bassins herab, an deren
R�ndern die lieblichsten Gestalten schlummern. Jede Demonstration der
Szene ist ganz und vol1st�ndig. Nirgendwo erblickt man die Hilfsmittel
der blo�en Andeutung, die an andern B�hnen die Illusion vorzugsweise in
die erg�nzende Phantasie der Zuschauer legt; hier ist die Schere der
�konomie verbannt, die aus Amazonenr�cken von heute f�r morgen Pantalons
f�r Verschnittene macht. Hier fangen alle Sch�pfungen immer wieder von
vorn an. Kein Kost�mier und Dekorateur ist an die Wiederaufstutzung alter
Vorr�te gewiesen; hier regieren jene Warenmagazine, wo es immer wieder
neue Seide, neuen Sammet und f�r die geschmackvol1sten Maler neue
Leinwand gibt.

Ein Ballett in Berlin zu sehen wie "Satanella" ist in vieler Hinsicht
lehrreich. Dem �sthetiker macht vielleicht die Grazie und herausfordernde
Keckheit z.B. der jungen Marie Taglioni eine besondere Freude, aber die
Vorstellung im gro�en und ganzen mit allem, was dazu auch von Seiten des
Publikums geh�rt, ist kulturgeschichtlich merkw�rdig. Dieser Marie
Taglioni sollte man eine Denktafel von Marmor mit goldenen Buchstaben und
mitten in Berlin aufstellen. Sie tanzt die H�lle, aber sie ist der wahre
Himmel des Publikums; sie tanzt die L�ge, aber sie verdient ein Standbild
als G�ttin der Wahrheit. Denn man denke sich nur dies junge, reizende,
�berm�tige M�dchen mit ihren beiden Teufelsh�rnchen an der Stirn, mit dem
durchsichtigen Trikot, mit den allerliebsten behenden F��chen, mit den
tausend Schelmereien und Neckereien der Koketterie, wie nimmt sie sich
unter den ehrw�rdigen Tatsachen des gegenw�rtigen Berlins aus! Dieser
kleine Teufel da, im rosaseidenen, kurzen Flatterr�ckchen, ist sie etwa
die in der Vorstadt tanzende Pepita? Nein, sie ist das enfant ch�rie der
Berliner Balletts, und das Berliner Ballett ist das enfant ch�rie der
Stadt, des Hofs, ist die Kehrseite der frommen Medaillen, die hier auf
der Brust der Heuchelei von Tausenden getragen werden. B�chsel,
Krummacher, Bethanien, Diakonissen, Campo-Santo, Sonntagsfeier, Innere
Mission--was ist das alles gegen einen Sonntagabend, wenn Berlin in
"Satanella" seine wahre Physiognomie zeigt! Die Prinzen und Prinzessinnen
sind anwesend. Hinten auf der Szene funkelt ein Ordensstern neben dem
andern, jede Kulisse ist von einem Prinzen besetzt, der sich mit den
kleinen Teufelchen des Corps de ballet unterh�lt. Der erste Rang zeigt
die Generale und Minister, das Parkett den reichen B�rgerstand, die
Trib�ne und der zweite Rang die Fremden, die den Geist der Residenz in
der Provinz verk�nden werden, die obern Regionen beherbergen die
arbeitenden Mittelklassen und selbst die halbe Armut, der man sonst nur
Trakt�tchen in die Hand gibt, hat hier das Frivo1ste aller Textb�cher
m�hsam nachzustudieren, um die stumme Handlung der Szene zu verstehen.
Welche Wahrheit deckst du doch auf, du echte Berliner, in der
Treibhausw�rme der speziel1sten, k�niglich preu�ischen Haus-Traditionen
gro�gezogene Pflanze, Marie Taglioni gehei�en! O so werft doch, ihr
besternten Herren, eure Masken ab! Verratet doch nur, da� euer
Privatglaube nichts mehr liebt als die G�tter Griechenlands und da� nicht
etwa hier der Kultus des Sch�nen, sondern drau�en euer offizielles System
eine Kom�die ist.

Satanella verf�hrt einen jungen Studenten, dem das Repetieren seiner
Collegia bei Stahl und Keller zu langweilig scheint. Er hat eine
Verlobte, die vielleicht Geibel und "Amaranth" liest, aber niemand wird
zweifelhaft sein, da� der junge, k�nftige Referendar besser tut, sich an
Heinrich Heine, an die sch�ne Loreley und die Taglioni zu halten. Wie
kalt und n�chtern ist auch die Liebe eines Fr�ulein Forti gegen die Liebe
einer Satanella! Es geht mit letzterer allerdings bergab und geradewegs
in die H�lle, aber welcher Zuschauer wird der Narr sein und nicht
einsehen, da� der Satan den jungen Lebemann nur anstandshalber holt! Kann
das eine echte H�lle sein, in der sogar schon kleine Kinder tanzen, schon
kleine Kinder mit Satansh�rnern umherspringen und, wie von Selma Bloch
geschieht, ein recht widerliches Solo tanzen? Kann das die echte H�lle
sein, deren Vorhof die wunderbarste Mondscheinnacht von Gropius mit dem
reizendsten Ch�teau d'eau und der stillschlummernden antiken Marmorwelt
ist? Wird irgend ein Vern�nftiger einr�umen, da� die Konsistorialr�te
Recht haben, wenn sie die Venus von Milo eine sch�ne "Teufelinne", die
Antiken des Vatikan �berhaupt, wie Tholuck getan, "sch�ne G�tzen" nennen?
Verwandelt sich all' diese Lust und Liebe, all' diese Freude und
Behaglichkeit nicht vielmehr nur rein "anstandshalber", d.h. um dem
Vorurteil zu gen�gen, in Pech und Schwefel, und wird irgend jemand eine
solche Vorstellung, wo besternte Prinzen jede Attit�de der
Solot�nzerinnen beklatschen, mit einer andern Meinung verlassen als der:
Ich f�hle wohl, es mu� einen Mittelweg zwischen Elisabeth Fry und Marie
Taglioni, einen Mittelweg zwischen Bethanien und dem Opernhause, einen
Mittelweg zwischen den Konzerten des Domchors und Satanella geben? Diese
Berliner Ballettabende wecken einen ebenso gro�en Abscheu vor der
m�tressenhaften Sinnlichkeit, die durch sie hindurchblickt, wie vor der
Kasteiung des Fleisches in der neuen Lehre vom Gefangengeben der Vernunft
und dem fashionablen B��ertum, dessen neupreu�ische Fr�chte wir
hinl�nglich kennen.

Beide Extreme gehen in Berlin auf eine erschreckende Art nebeneinander.
Sie gehen nicht etwa getrennt nebeneinander, sondern im Durchschnitt in
denselben Personen. Die Heuchelei und die R�cksicht auf Karriere mietet
sich einen "Stuhl" in der Matth�uskirche, nur damit an dem Schilde
desselben zu lesen ist: "Herr Assessor N. N." und die stille Sehnsucht
des wahren innern Menschen ist hier doch allein--der Genu�. Dem Genu�
bauen auch andere St�dte Alt�re; die buntesten, mit Rosen geschm�ckten
Alt�re baut z.B. Wien. Aber Berlin ergibt sich immer mehr einer Form des
Genusses, die nur ihm ganz allein angeh�rt. Es ist dies die Genu�sucht
eines Fremden, der in vierzehn Tagen durch seine gef�llte B�rse alles
bezahlt, was man in einer Residenz, die er vielleicht in Jahren nicht
wiedersieht, f�r Geld bekommen kann. Es ist die Genu�sucht des
Gutsbesitzers, der seine Wolle in die Stadt f�hrt und sich mit vierzehn
Tagen Ausgelassenheit f�r ein Jahr der Entbehrung auf seiner Scholle
entsch�digt. Dies Berliner Lecken und Schlecken hat die Bev�lkerung so
angesteckt, da� man mit Austernschalen die Stra�en pflastern k�nnte.
Wohlleben und Vergn�gen ist die Devise des hiesigen Vegetierens geworden,
nirgend wird man z. B. den Begriff "Bowle machen" jetzt so schleckerhaft
ausgesprochen finden. Die Betriebsamkeit wird durch den Luxus wohl eine
Weile gestachelt werden, an Gro�st�dtigkeit der Unternehmungen fehlt es
nicht; aber wenn die nat�rlichen Kr�fte versagen, tritt das Raffinement
ein und das Raffinement des Verkehrs, gew�hnlich Schwindel genannt, soll
hier in einem Grade herrschen, der keine Grenzen mehr kennt. Denn was ist
die Grenze, die man Bankrott nennt? Aus Nichts werden die gl�nzendsten
Unternehmungen hervorgerufen. Mit einem Besitze von einigen tausend
Talern mutet man sich die Stellung eines Kapitalisten zu. Der Kredit gibt
nicht dem Redlichen mehr Vorschub, sondern dem Mutigen. Die
Entschlossenheit des industriellen Waghalses leistet das Unglaublichste.
Wo die gr��ten Spiegel gl�nzen, wo die goldenen Rahmen tief bis zur Erde
niedergehen, wo in den Schaufenstern der Butiken die fabelhafteste
Scheinf�lle des Vorrats mit dem Geschmack der Anordnung zu wetteifern
scheint, kann man gewi� sein, auf hundert F�lle bei neunzig nur eine
Grundlage anzutreffen von eitel Luft und windiger Leere.

Es ist mannigfach schon eine Aufgabe der neuern Poesie, der sozialen
Romantik geworden, den Lebenswirren, die sich aus solchen Zust�nden
ergeben m�ssen, nachzusp�ren. Der Totenwagen rasselt still und ernst
durch dies gl�nzende Gew�hl. Rauschende B�lle, in der Faschingsnacht ein
Wagendonner bis zum fr�hen Morgen und die Chronik der Verbrechen, die
Statistik der Selbstmorde gibt dem heitern Gem�lde doch eine d�monische
Beleuchtung. Ersch�tternd war mir z.B. die Nachricht, da� der Philosoph
Beneke von der Universit�t pl�tzlich vermi�t wurde und wahrscheinlich
sich entleibt hat. Erst jetzt kam zur Sprache, da� dieser redliche
Forscher, der sich in der Erfahrungsseelenkunde einen Namen erworben und
besonders auf die neuere P�dagogik einen n�tzlichen Einflu� gehabt hat,
seit l�nger als zwanzig Jahren nicht endlich ordentlicher Professor
werden konnte und sich mit einem j�hrlichen Gehalte von 200 Talern
begn�gen mu�te! Zweihundert Taler j�hrlich f�r einen Denker, w�hrend es
hier Geistliche gibt, die es auf j�hrlich 5000 Taler bringen! Beneke war
ein Opfer des Ehrtriebes, der hier noch zuweilen einen edeln Menschen
ergreift, nicht auf der allgemeinen Bahn des Schwindels gehen zu wollen.
Des Mannes Erscheinen war einfach, war fast pedantisch. Er hatte vor
zwanzig Jahren die etwas steifen Manieren eines G�ttinger Professors nach
Berlin gebracht. Seine Vortr�ge waren etwas �ngstlich, seine Perioden
allzu gewissenhaft, sein System kn�pfte wieder an Hume und Kant an, er
ging �ber die endlichen Bedingungen unsers Denkens nicht tollk�hn in die
Unendlichkeit; was sind Kennzeichen solcher altbackenen Solidit�t in
einer Stadt wie Berlin, wo nur die gl�nzende Phrase, der saillante Witz
und Esprit, das kecke Paradoxon und jener doktrin�re Schwindel etwas
gilt, den Hegel aufbrachte, Hegel, der jahrelang die trivia1sten K�pfe,
die nur in seiner Tonart zu reden wu�ten oder die es verstanden, ihrem
sogenannten Denken eine praktische Anwendung auf beliebte Religions- und
Staatsauffassungen zu geben, zu ordentlichen Professoren bef�rdern
konnte! Hamlet ist auch darin das gro�e und Shakespearen auf den Knien zu
dankende Vorbild aller mit der Welt verfallenen Geistesfreiheit, da� er
auf des K�nigs Frage, wie es ihm ginge, antwortet: "Ich leide am Mangel
der Bef�rderung."

--Wer ertr�ge Den �bermut der �mter und den Kummer Den Unwert
(schweigendem Verdienst erweist!)




Neues Museum--Schlo�kapelle--Bethanien (1854)


Eine derjenigen Sch�pfungen des K�nigs, in denen man unbehindert von
irgendeiner dr�ckenden Nebenempfindung atmet, ist und bleibt das Neue
Museum. Der Fremde wird es bei jedem Besuche wiederzusehen sich beeilen,
er wird sich der Fortschritte freuen, die die Vollendung des Ganzen
inzwischen gemacht hat, er wird sich in diesen R�umen aller l�stigen
Beziehungen auf lokale Absichten und Einbildungen erwehrt f�hlen und im
Zusammenhange wissen nur mit jenen allgemeinen deutschen
Kunstbestrebungen, die uns die Sch�nheit und Pracht von M�nchen, die
Ausschm�ckung des k�niglichen Schlosses in Dresden, die neuen Pl�ne f�r
Weimar und Eisenach, unsere neuen Denkm�ler, Kunstausstellungen,
Kunstvereine und den Aufschwung unserer Akademien geschaffen haben. Das
Neue Museum liegt in einem versteckten, zur Stunde noch beengten,
unfreundlichen Winkel der Stadt, aber es ist die traulichste St�tte der
Begr��ung, das heiterste Stelldichein des Geschmacks und der pr�fenden,
immer mehr wachsenden Neugier der Einheimischen und der Fremden, die
sogleich hierher eilen. Es entwickelt sich langsam, aber reich und
gef�llig. Es entwickelt sich unter Auffassungen, die uns wahlverwandt
sind. Wir sind in Italien und in M�nchen vorbereitet auf das, was wir
hier wiederfinden. Diese R�ume hat mit den Eingebungen seines Genius
vorzugsweise eine gro�e, freie K�nstlernatur zu beleben, ein Dichter mit
dem Pinsel, ein Denker nach Voraussetzungen, die nicht aus dem m�rkischen
Sande stammen. So st�rt uns denn auch hier kein beliebter byzantinischer
Schwu1st, keine russischen Pferdeb�ndiger, oder Athleten oder Amazonen
erf�llen uns, w�hrend wir an Athen denken wollen, mit laked�monischen
Vorstellungen; selbst die hier in Berlin �berall aush�ngende Devise:
"Nach einem Schinkelschen Entwurf", st�rt uns nicht. Man mu� Schinkel
einen erfindungsreichen und sinnigen Formendichter nennen, aber er schuf
doch wahrlich zu viel auf dem Papiere, er zeichnete zu viel abends bei
der Lampe; es waren geniale Studien und Ideen, die er ersann von
Palastentw�rfen an bis zu Verzierungen von Feilnerschen �fen; aber es
fehlte ihm doch wohl eine gewisse Kraft, Reinheit und Einfachheit
des Stils....

Eine zweite gro�e Sch�pfung des K�nigs ist die (Kuppeldachkapelle des
Schlosses). Sie hat eine halbe Million gekostet und ist unstreitig eine
Zierde des Schlosses nach dem ihm eigent�mlichen Geschmack, wenn auch
eben keine Bereicherung der Kunst. Der Baumeister Schadow errichtete die
gewaltige W�lbung auf einem Platze, der bisher im Schlosse unbeachtet
gewesen war, verfallene Wasserwerke enthielt, altem Ger�mpel, freilich
aber auch den vortrefflichen Schl�terschen Basreliefs, die jetzt die
Treppe zieren, als Aufbewahrungsort diente. Die Spannung des mehr ovalen
als runden Bogens ist meisterhaft ausgef�hrt. Einen �berraschenden
Eindruck wird der Eintritt in diesen Tempel jedem gew�hren, der sich erst
im Wei�en Saale an den sch�nen Formen der Rauchschen Viktoria geweidet
hat und zu ihm dann auf Stiegen emporsteigt, die mit lebenden Blumen
geschm�ckt sind und mit Kronleuchtern, die nur etwas zu salonm��ig durch
Milchglasglocken ihre Flammen d�mpfen sollen. Man erwartet in der Kapelle
weder diese Gr��e noch diese Pracht. Bei l�ngerer Betrachtung schwindet
freilich der erste Eindruck. Das steinerne, mit Marmor und Bildern auf
Goldgrund �berladene Geb�ude wird dem Auge k�lter und k�lter. Der Altar,
wenn auch mit einem aus den kostbarsten Ede1steinen zusammengesetzten
Kreuze geziert, die Kanzel, der Fu�boden, alles erscheint dann pl�tzlich
so nur f�r die Schw�le der s�dlichen Luft berechnet, da� man das
lebendige Wort Gottes hier weder recht innerlich vorgetragen noch recht
innerlich empfangen sich denken kann. Das Auge ist zerstreut durch das
Spiel aller hier zur Verzierung der W�nde aufgebrachten Marmorarten. Da
gibt es keine Farbe, keine Zeichnung des kostbarsten Bausteins, von der
nicht eine Platte sich hier vorf�nde wie in einer mineralogischen
Sammlung. Zu dieser durch die Steine hervorgerufenen Unruhe gesellt sich
die Ungleichartigkeit der Bilder. Sie scheinen alle nach dem Gedanken
zusammengestellt, die F�rderer der Religion und des Christentums zu
feiern. Aber auch dies ist ein Galerie- oder Museumsgedanke, kein reiner
Kirchengedanke. Hu�, Luther, die Kurf�rsten von Brandenburg stehen
vis-�-vis den Patriarchen und den Evangelisten. Da mu� es an der einigen
Stimmung fehlen, die Andacht hebt sich nicht auf reinen Schwingen, man
kann in einem solchen Salon nur einen konventionellen Gottesdienst
halten. Ach, und dieser Fanatismus f�r das konventionell Religi�se sitzt
ja wie Mehltau auf all' unsern Geistesbl�ten! Man denkt nicht mehr, man
pr�ft nicht mehr, man �bt Religion nur um der Religion willen. Man ehrt
sie um ihrer Ehrw�rdigkeit, man ehrt sie wie man Eltern ehrt, deren
graues Haar unsere Kritik �ber die Schw�chen, die sie besitzen,
entwaffnen soll. Das ist der Standpunkt der Salon-Religion. Man will
nicht pr�fen, man will nicht forschen, man umrahmt mit Gold und Ede1stein
die Tradition, die man auf sich beruhen l��t. Man schl�gt sein
rauschendes Seidenkleid in k�nstlerische Falten, wenn man im Gebetstuhl
niederkniet; man schl�gt sein goldenes Gebetbuch auf, liest halb
gedankenlos, was alte Zeiten dachten, denkt vielleicht mit R�hrung dieser
Zeiten, wo der Glaube von so vielem Blute mu�te besiegelt werden, gesteht
wohl auch seine eigenen s�ndigen Einf�lle und Neigungen ein, gibt sich
den Kl�ngen einer vom Chor einfallenden Musik mit einigen quellenden
Tr�nen der Nervenschw�che und R�hrung hin und verl��t die St�tte der
Andacht mit dem Gef�hl, doch dem Alten Rechnung getragen, doch eine
Demonstration gegeben zu haben gegen die anst��ige und in allen St�cken
gef�hrliche neue Welt! Das ist die Religions-Mode des Tags. F�r diese
Richtung eines vornehmen Dilettierens auf Religion kann man sich keinen
zweckentsprechendern Tempel denken als die neue Berliner Schlo�kapelle.
Sie erleichtert vollkommen die manchmal auch wohl l�stig werdenden
R�cksichten einer solchen Art von Piet�t.

Weitentlegen vom Ger�usch der Stadt und nur leider in einer zu kahlen,
baumlosen Gegend liegt Bethanien, die seit einigen Jahren errichtete
Diakonissenanstalt. Man f�hrt an einer neuen, im Bau begriffenen
katholischen Kirche vor�ber und bewundert die gro�artige Anlage dieses
vielbesprochenen Krankenhauses, das sich bekanntlich hoher Protektion zu
erfreuen hat. Dennoch soll die Stiftung eine st�dtische sein und ab und
zu wird man von Bitten in den Zeitungen �berrascht, die Bethanien zu
unterst�tzen auffordern, Bitten, die wiederum dies Institut fast wie ein
privates hinstellen. Zweihundert Kranke ist die gew�hnliche Zahl, f�r
welche die n�tigen Einrichtungen vorhanden sind. Dem fast zu luxuri�s
gespendeten Raume nach k�nnten noch einmal soviel untergebracht werden.
Man hat hier ein Vorhaus, eine Kirche, einen Speisesaal, Wohnungen der
Diakonissen und Korridore von einer Ausdehnung, die fast den Glauben
erweckt, als w�re die n�chste Bestimmung der Anstalt die, eine Art
Pensionat, oder Stift oder Kloster zu sein, das sich nebenbei mit
Krankenpflege besch�ftigt. Ohne Zweifel ist auch die Anlage des
Unternehmens auf eine �hnliche Voraussetzung begr�ndet. Bethanien soll
eine Demonstration der werkt�tigen christlichen Liebe sein; die Kranken,
mag auch f�r sie noch so vortrefflich gesorgt werden, nehmen
gewisserma�en die zweite Stelle ein.

Die Oberin der Diakonissen ist ein Fr�ulein von Rantzau. Unter ihr stehen
etwa zwanzig "ordinierte" Diakonissen und eine vielleicht gleiche Anzahl
von Schwestern, die erst in der Vorbereitung sind. Einige der ordinierten
sind auf Reisen begriffen, um ausw�rts �hnliche Anstalten begr�nden zu
helfen. Die Tracht der gr��tenteils jungen und dem gebildeten Stande
angeh�rigen Damen ist blau, mit einem H�ubchen und einer wei�en, �ber die
Schulter gehenden Sch�rze. Wie gr�ndliche Vorkenntnisse hier
vorausgesetzt werden, ersah ich in der Apotheke, die von zwei Diakonissen
allein bedient wird. Auch ein Lehrzimmer findet sich zu theoretischen
Anleitungen. Die groben Arbeiten verrichten gemietete M�gde, die im
Souterrain an den h�chst entsprechenden praktischen Waschhaus- und
K�chenvorrichtungen besch�ftigt sind. Auch M�nner fehlen nicht. Die
Diakonissen sind �berhaupt mehr bei den weiblichen Kranken besch�ftigt
und m�ssen die schwerere Dienstleistung, die besonders im Heben und
Umbetten der Kranken besteht, dem st�rkern Geschlechte �berlassen. Man
bekommt auch hierdurch wieder die Vorstellung von einem gewissen Luxus,
der im Charakter der ganzen Anstalt zu liegen scheint. Man kann den damit
verbundenen Tendenzbeigeschmack nicht gut offen bek�mpfen, da unfehlbar
ein zwangloses Behagen in der N�he von Kranken und Sterbenden die ganze
Stimmung unsers Herzens f�r sich hat. Die Sauberkeit der Erhaltung, die
reine Luft, das Gef�hl von Komfort und Eleganz kommt doch auch den
Kranken selbst zugute.

Einen Freund der Diakonissenanstalten frug ich: Aus welchem Geiste
erkl�ren diese Frauen und M�dchen sich bereit, den Leidenden mit ihrer
Pflege beizustehen? Er erwiderte: Um der Liebe Gottes willen. Unstreitig
bedarf der Mensch, um sich zu seltenen Taten anzuspornen, des Hinblicks
auf einen h�hern sittlichen Zweck. Dennoch h�tt' ich lieber geh�rt: Diese
Institution w�re von der Menschenliebe hervorgerufen. Ich glaube, der Ton
w�rde inniger, die Haltung weniger kaltvornehm sein. Ein Zusammenhalt bei
gemeinschaftlichem Wirken ist n�tig, eine gleiche Stimmung mu� alle
verbinden. Ob aber dazu eine Kirche, ob Gesang und Gebet beim Essen, ob
das Herrnhuter, in "Gnadau" gedruckte Liederbuch, das ich auf dem Piano
aufgeschlagen fand, dazu geh�rt, m�cht' ich bezweifeln. Ein anderes ist
der katholische Kultus von Barmherzigen Schwestern, die sich f�r
Lebenszeit diesem Berufe hingeben und von der Welt f�r immer getrennt
haben; ein anderes diese vor�bergehende Wirksamkeit einer Diakonissin,
die nach vorhergegangener rechtzeitiger Anzeige ihren Beruf wieder
aufgeben und immer noch eine Frau Professorin oder Assessorin werden
kann. F�r einen solchen Beruf reicht Herzensg�te, Menschenliebe und eine,
durch �u�ere Umst�nde hervorgerufene Neigung einen so schwierigen Platz
anzutreten, vollkommen aus. Und sollte denn wirklich im 19. Jahrhundert
die Bildung der Gesellschaft, die Humanit�t der Gesinnung, die Liebe zum
Gemeinwohl, die Sorge f�r die gemeinschaftlichen Glieder einer Stadt,
eines Staats und einer Nation noch nicht so weit als werkt�tiges
(Prinzip) durchgedrungen sein, da� man, um hier drei�ig Frauen in einem
Geiste der Hingebung und Liebe zu verbinden, n�tig hat, nach dem Gnadauer
Herrnhuter Gesangbuche zu greifen?

Man wird ein jedes Krankenhaus mit R�hrung verlassen. Auch in Bethanien
sieht man des Wehm�tigen genug. Ich trat in ein Krankenzimmer von
Kindern. Abgezehrte oder aufgedunsene kleine Gestalten lagen in ihren
Bettchen und spielten auf einem vor ihnen aufgelegten Brette mit
bleiernen Soldaten und h�lzernen H�userchen. Ein blasser Knabe, der an
der Zehrung litt und vielleicht in einigen Wochen stirbt, reichte
freundlich gr��end die Hand. Einen andern hatt' ich gut auf den
Sonnenschein, der lachend in die Fenster fiel, auf die Lerchen, die schon
drau�en wirbelten, auf ein baldiges freies Tummeln im erwachenden
Fr�hling vertr�sten, der Kleine litt am R�ckenmark und wird nie wieder
gehen k�nnen. Ein Krankenhausbesuch ist eine Lehre, die nach "Satanella"
und Aladins "Wunderlampe" sehr n�tzlich, sehr heilsam sein kann. Aber
Bethanien verl��t man doch mit dem Gef�hl, da� hier, wie in unserer Zeit
�berhaupt, noch mehr Menschen krank sind, als die da offen eingestehen,
des Arztes bed�rftig zu sein.




Zur �sthetik des H��lichen (1873)


Himmel! Berlin sei unsch�n? h�re ich einen nationalliberalen Enthusiasten
ausrufen, wie kann man einen so unzeitgem��en Begriff aufstellen! Sie
machen sich ja Treitschke, Wehrenpfennig und wen nicht alles zu
unerbittlichen Feinden! Jetzt, wo in Berlin alles vollendet, gro�, selbst
die Zukunftsg�rten von Steglitz und Lichterfelde arkadisch sein m�ssen!
Die Opportunit�t, die gro�e deutsche Reichs- und deutsche Zentralisations-
frage bedingt den Satz: Berlin ist die Stadt der St�dte! Die Stadt auch
der Sch�nheit! H�chstens im Sommer, wenn der Staub auch in Leipzig zu arg
wird und die Sauergurkenzeit eintritt, dann geh�rt ja Graub�nden und die
Schweiz auch zu Berlin!

Beginnen wir bei alledem und umso zuversichtlicher, als die Pointe
unserer pessimistischen Klagen eben auch das Deutsche Reich sein wird.

(Paris), nach den Verheerungen der Kommune, habe ich nicht wiedergesehen.
Aber das alte Paris steht mir in seinem innern Stra�engew�hl, wenn es
gerade geregnet hatte oder noch das Stra�enpflaster vom Morgentau
beschlagen war und Menschen und fabelhaft geformte Gef�hrte aller Art
sich zum Markte dr�ngten, vollkommen als die alte Lutetia, die Kotstadt,
in der Erinnerung. Keineswegs aber findet dies statt von dem Bilde in
Paris in der m�chtig ausgedehnten Peripherie des innern Kerns! Da ist es
auf Pl�tzen, Br�cken, Verbindungswegen, Toren, Triumphb�gen, selbst
Magazinen und Warenschuppen wie auf Bed�rfnis nur nach dem Sch�nen
angelegt und konsequent durchgef�hrt!

Berlin dagegen (ich spreche gar nicht von der Sch�nheit Wiens) war die
Zentra1stadt eines kleinen Staates, der sich schon ein Jahrhundert lang
sehr f�hlte. Er konnte zwar nicht wie Frankreich Millionen, den Schwei�
der Untertanen, auf seine Hauptstadt verwenden. Aber Herrscherlaune hat
auch an Berlin gearbeitet, geflickt, herumgeputzt, hat W�lder abgehauen
und kommandiert: Hier wird jetzt ein neues Stadtviertel angelegt! Alle
Mittel schienen daf�r gerecht. Ja das Prinz Albrechtsche Palais in der
Wilhelmstra�e entstand geradezu aus einem--verweigerten Heiratskonsense
des Despoten, den man gew�hnlich Friedrich den Gro�en nennt. Kolonisten
mu�ten nach dem Lineal bauen. Man sieht denn auch noch jetzt, teilweise
einst�ckig, diese H�tten neben den neuerdings errichteten
Prachtzinsh�usern auf der Friedrichstadt. Kurzum, es haben seit dem
Gro�en Kurf�rsten immer in Berlin leitende Ideen gewartet, um Berlin zu
einem, dem Ehrgeiz der Hohenzollern w�rdigen Schemel an ihrem Throne zu
machen. Schl�ter, Eosander von Goethe, Knobelsdorff mu�ten sich an
Holland, Versailles und Rom Muster nehmen. Potsdam schadete dann sp�ter
Berlin. Friedrich der Gro�e, Egoist wie er war, baute lieber Pal�ste f�r
sich ganz allein. Die Kirchen, die er auf dem Gensdarmenmarkt erbaute,
waren gleichsam nur "ungern gegeben", halb Marzipan, halb Kommi�brot.
Friedrich Wilhelm III. hatte Schinkels Begeisterung neben sich. Der
Monarch war in Paris und hatte sich in Petersburg verliebt, in
Petersburg, wo man auf die kuppelreichen Kirchen und langen prachtvollen
Stra�enprospekte stolz sein durfte. Seinen Sohn w�rde die Geschichte am
besten Friedrich Wilhelm IV., den Kirchenerbauer nennen. Der gekr�nte
Romantiker hat um seine zahlreichen neuen Berliner Kirchen herum sogar
trauliche Stellen geschaffen, die uns an San Ambrogio in Mailand, an eine
entlegene Votivkirche Roms erinnern k�nnten. Seitdem stockt die
Versch�nerung Berlins. Die konstitutionellen Regenten tun nicht mehr, als
was ihre n�chste Schuldigkeit ist. Was sich neuerdings an Versch�nerung
Berlins geregt hat, wird �berholt durch die riesenm��ig gesteigerte
Privat-Bauwut, deren Konsequenz denn auch der h��lichste Abbruch, Schutt,
ein trauriger Anblick wie Stra�burg nach der Belagerung geworden ist.

Gro�artigkeit und in ihrer Art auch--Sch�nheit liegt in der Avenue vom
Brandenburger Tor bis zum Schlo�; aber man k�nnte noch hundert Jahre so
fortbauen wie jetzt und br�chte doch nicht den Eindruck permanenter
Unsch�nheit von Berlin fort, wenn nicht das Auge im gro�en und ganzen, in
der N�he und in der Perspektive, durch einen gr��eren diktatorisch
befohlenen Sch�nheitskultus befriedigt wird. Freilich liegt hier der
Schaden. Berlin ist eine demokratische Stadt! Nirgends macht sich das
kleine Gewerbe so ausgedehnt geltend, wie hier! Eine Stra�e, wo nur
allein elegante Welt sichtbar w�rde, gibt es in ganz Berlin nicht!
�berall stemmt sich der vom Bau kommende Arbeiter, der Marktkorb der
K�chin, das Produkt des Handwerkers oder die B�rde des Lasttr�gers
zwischen die Eleganz hindurch. Das nur aus wenigen Fu� Breite bestehende
Granit-Trottoir, das vor jedem Hause gelegt ist, l��t einen am anderen
dicht vor�berstreifen. Der Gebildete kommt nirgends souver�n auf, selbst
auf dem Asphalt-Trottoir der Linden nicht. Schon freiwillig weicht er den
Volksgestalten, die sich hier so frei bewegen, wie die Helden der B�rse
oder des Kriegsheeres, aus, nur um eine Szene zu vermeiden. Fast jedes
neue Prachtzinshaus hat Kellergeschosse zu Kneipen, zu Lebensmittel-
Betriebslokalen, zu Werkst�tten. So ist ganz Berlin durchzogen von einem
immerdar werkelt�tigen Eindruck. Vorstadt und innere Stadt, die �berall
geschieden sind, sind in Berlin eine Gesamt-Anschauung in eins.

Die Partie vom Brandenburger Tore bis zum Schlo� ist ein Prospekt, der,
wir wiederholen es, seinesgleichen sucht. Bewundernd wird der Fremde bis
zum Dom gelangen und sich von dem Totaleindruck aufs m�chtigste gehoben
f�hlen. Selbst der Eindruck des Concordienplatzes und seiner Umgebung in
Paris m�chte dagegen zur�ckstehen. Pl�tzlich aber am Dome sieht der
Wanderer eine kleine Br�cke, die in die innere Stadt f�hrt. Noch eben
denkt er an Paris, an die vom Quai des Louvre aus so zierlich
geschwungenen Br�ckchen, die �ber die Seine f�hren. Welcher Anblick wird
ihm aber hier in Berlin zuteil! Eine Holzbr�cke, fr�her um sechs Pfennige
passierbar und jetzt dem Publikum freigegeben und schwerlich auf
demn�chstigen Abbruch wartend, steht augenverletzend hinter den
Grabst�tten der K�nige, ein Pendant zu den faulenden Fischerk�sten, die
in dem tr�ben Flusse vom Fu�e des Schlosses nur allm�hlich weichen zu
wollen scheinen, ebenso wie die Torf- und �pfelk�hne.

Besonders unsch�n wird Berlin durch die �ber alle Beschreibung gro�e
Ausdehnung, die man dem Holz-, Kohlen-, Steinhandel bis ins innerste
Zentrum der Stadt freigelassen hat. Dieser Handel bedarf der
umfassendsten R�umlichkeiten. Meist besitzen alte Gesch�fte solche in
Gegenden, die inzwischen durch die Baulust zur fashionablen Stadt gezogen
sind. Nun hat man keineswegs die h��lichklaffenden L�cken von Holz-,
Kohlen- und Steinhandlungen etwa verdeckt und mit der Stra�e in Harmonie
gebracht durch hohe gemauerte Einfriedungen, nein, die einfache,
verwetterte, schwarze Bohlen-Planke, manchmal geflickt, l�ckenhaft,
verh��licht durchweg die Stadt, wie denn �berhaupt der offne
Kohlenverkauf selbst an Orten sichtbar ist, wo ihn geradezu polizeilicher
Befehl entfernen sollte. Er kann, wie z.B. am Sch�neberger Ufer, eine
ganze elegante Stra�e entstellen. Endlich ist der ordin�re Bretterzaun
doch auch von dem k�niglichen Lustschlosse in Bellevue gewichen!

"Aber das Reich! Das Reich!" Ruhe, lieber Streber! An eine partie
honteuse Berlins werden wir bei Gelegenheit des Suchens nach
Reichstagspalastst�tten erinnert. Man hat daran gedacht, Raczynski oder
Kroll zu rasieren und ging dabei wahrscheinlich von der Absicht aus, den
Stadtteil, wo die Roon- und Bismarckstra�en liegen, mehr in Schwung zu
bringen. Oder wollte man, in Erinnerung an 1848, wo so manche
staatumw�lzende Proklamation von einem St�ndehause herab verlesen wurde,
das deutsche Kapitol aus strategischen Gr�nden isolieren? Die Architekten
scheinen durchaus auf eine Akropolis, eine Nachahmung des Bundespalastes
von Washington, bedacht zu sein. Aber bitte, bewahrt doch die Menschheit
vor diesen gro�en Pl�tzen, wo man in der Sonne keuchen mu�, bis man
endlich die Stufen eines solchen Tempels erreicht hat! Und die Entfernung
von dem gro�en Meilenzeiger am D�nhofsplatz, um welchen herum doch die
meisten Reichsboten wohnen, ist sie keiner Erw�gung wert? Schreckte nicht
die Erinnerung an die Grausamkeit K�nig Ludwigs I. von Bayern, der die
neue M�nchener Universit�t an die �u�erste Grenze der Stadt baute und die
Studenten zwang, t�glich drei-, viermal den anstrengendsten Weg durch
seine endlose, in der Hitze unertr�gliche Ludwigstra�e zu machen? Nun
gut, Kroll scheint gerettet. Aber wenn f�r einen anderen Plan, den etwa
mit der K�niggr�tzer Stra�e, G�rten zerst�rt werden m�ssen, alte
ehrw�rdige Linden abges�gt oder im Deckerschen Garten B�ume, die zu den
Wundern Nordeutschlands geh�ren, wenn Millionen f�r Grund und Boden
gezahlt werden sollen, so lasse man doch die G�rten dem Privatbesitz oder
der �ffentlichkeit und im letzteren Falle zum Schmuck der Stadt. Setzt
Statuen auf diese freigelegten G�rten! Mehr als jetzt Berlin aufweist!
Man kann auch Font�nen dazu springen lassen, Ruheb�nke anlegen,
goldbronzierte Kandelaber aufstellen. Die Gold-Bronzierung des Gu�eisens
bei Laternen und Gittern, die in Paris an fast allen �ffentlichen
Geb�uden angebracht ist, macht besonders den Effekt eines Strebens nach
Eleganz, das dann auch die Umgebung nach sich zieht.

Eine partie honteuse Berlins ist jene Gegend vom fr�heren "Katzenstiege",
jetziger Georgenstra�e, rechts von der Friedrichstra�e bis zum Gegen�ber
des Monbijou. In unmittelbarer N�he eines der sch�nsten Prospekte der
Welt findet sich der Fremde, der mit Staunen von der K�nigswache oder vom
Friedrichsdenkmal die Akademie entlang ein wenig weiter wandert,
pl�tzlich an der Georgen- und Universit�tsstra�enecke wie unter die
Bedienten-, K�chen- und Remisengeb�ude einer f�rstlichen Hofhaltung
versetzt. Ein ganzer Stadtteil, die n�chste Nachbarschaft des Kaisers,
sein vis � vis sogar, gleicht einem--"Wo die letzten H�user stehen".
In der Tat hie� auch fr�her die vorherliegende, jetzt noch leidlich
gef�llige Dorotheenstra�e die "Letzte Stra�e". Wahrlich, hier f�ngt die
Vorstadt schon an! Links das ehemalige Gropius-Diorama, ein Holzbau, zum
Gewerbe-Museum erhoben, dann Trockenpl�tze, Millt�rmontierung-Aufbewah-
rungen, Kavalleriest�lle und das ungeheure schiefwinklige Geb�ude der
Artilleriekaserne, das an den W�nden vor undenklich fehlendem Kalkbewurf
grauenhaft anzusehen, durch und durch verfallen und zum Abbruch mahnend
ist. Es ist ein Terrain, dessen jetzige Bewohnung auf die gro�en Fl�chen
vor den Toren verwiesen werden mu�, die schon Kasernen genug aufgenommen
haben. Gef�llig lie�e sich hier der Quai regulieren, die h�lzerne
Ebertsbr�cke in eine steinerne oder hochgespannte eiserne verwandeln, das
gewaltige Terrain durch ein Reichstagsgeb�ude in Einklang bringen mit der
B�rse, dem Museum, dem Schlo�, der Universit�t und dem gr�nen Baumkranze,
der dr�ben jenseits der Spree vom Schlo� Monbijou her�ber winkt. Wer
jetzt diese Gegend durchwandert, mu� sich sagen, da� hier alles den
Charakter entweder des nur momentan Aushelfenden oder des �berlebten
tr�gt. Alles ist arm, unsch�n, unkaiserlich.

An einigen Punkten Neuberlins, wo dasselbe gleichsam aus einem Gusse
entstanden ist, finden sich, man darf der Wahrheit nichts vergeben,
Eindr�cke von einem so erhebenden Reize, als bef�nde man sich in Genf im
neuen Viertel des Bergues oder in Lyon. Leider sind es Gegenden der
Stadt, die vom Residenztreiben, sogar von den sonst �berall
unvermeidlichen "Theatern" zu sehr entlegen sind. Das Luisenufer mit dem
Prospekt auf das Engelbecken, auf die neue katholische Kirche, Bethanien,
im Hintergrunde die neue Thomaskirche--man w�nschte, dieser Charakter
w�re allgemein festgehalten und f�r das Ganze ma�gebend. Hier bildet der
Kanal den Mittelpunkt eines wahrhaft sch�nen Gem�ldes. Auch an anderen
Stellen k�nnte es die volle Spree, wenn ein dekorativer Sinn--des
Monarchen? Des Magistrats? Der Privaten?--den schon gebotenen Anf�ngen zu
Hilfe k�me. So ist, z.B. wenn man von der Wal1stra�e kommt und die
Waisenhausbr�cke betritt, der hier gebotene Rundblick vollkommen von
jener Gro�artigkeit, die in Wasserst�dten wie Hamburg, in den Seest�dten
Hollands so m�chtig ergreift. Aber leider fehlen alle Nebenbedingungen.
Es fehlen Quais, Regulierungen der durch H�userabbruch offengelegten
Hinterfronten einiger Stra�en, die mit einer jahrhundertalten Kruste von
Schmutz und Ungeniertheit bedeckt sind, es fehlen ausdr�ckliche Gebote an
die im Wasser arbeitenden Gewerbe, die Unterlage ihres Tuns und Treibens
dem Auge etwas gef�lliger zu machen. Selbst der Blick vom durchbrochenen
Kolonnadengang des M�hlendamms �ber die Spree hinweg links zur
Stadtvoigtei k�nnte trotz des mehr als w�sten Gegen�bers f�r die vollere
Wirkung einer belebten, echten Hafenstra�e gewonnen werden.

F�r solche und �hnliche Ideen schw�rmten in alter Zeit die Kronprinzen!
Jetzt, wo der Fiskus f�r ein Reichstags-Geb�ude im Tiergarten auf Grund
und Boden mehr gefordert hat, als selbst die Gr�nder Unter den Linden
gefordert haben w�rden, mu� man sich schon begn�gen, wenn nur die
st�dtische Baukommission K�nstler zu Referenten hat, die f�r Berlins
Zunahme und Wachstum einen gewissen sch�pferischen Plan im gro�en und
ganzen verfolgen, ohne dabei die Einzelheiten zu vergessen. Es handelt
sich nicht darum, allm�hlich die Netze und Linien eines neuen
Anbauungsentwurfes auszuf�llen, nicht um die Frontenpracht der Neubauten,
es handelt sich um die Wegschaffung und Milderung der entstehenden
L�cken, um ein richtiges Erhalten und ein richtiges Zerst�ren. Freilich
ist die Macht des Besitzes so gro�, da� selbst eine in solchem Grade die
Stra�e entstellende Novantike wie der sogenannte "Eisbock" noch immer
nicht den Mahnungen der Polizei und Stadtbeh�rde gewichen ist! Das ist
die M�hle von Sanssouci! Das soll nun gro� sein! Begierig bin ich, was
aus der gro�en neuen Siegesallee im Tiergarten werden wird; noch steht
dem Siegesdenkmal als Gegenpol an der Viktoriastra�e eine Litfa�s�ule
gegen�ber.

Auf das H��liche in den Staffierungen der Stra�e durch ihr gewohntes
Leben, die Wagen, die Droschken, die Bierflaschentransporte, das H��liche
in Gewohnheiten und Manieren, im Sprechen, in der Geltendmachung seiner
�berzeugungen selbst beim sch�nen Geschlecht usw. einzugehen, ist sehr
mi�lich. Habe ich doch ohnehin schon den Zorn zu f�rchten unserer alles
im rosenroten Lichte sehenden Optimisten.


       *       *       *       *       *

II. F�r und Wider Preu�ens Politik




�ber die historischen Bedingungen einer preu�ischen Verfassung (1832)


W�re Repr�sentation das alleinige Element des Liberalismus, so k�nnte
Preu�en in einer fr�hern oder sp�tern Zukunft noch der Stimmf�hrer
desselben werden. Aber es ist nicht so. Wir k�mpfen nicht um Formen,
sondern um den Geist, der sie beleben soll. Wir d�rfen nur die Initiative
der liberalen Ideen stellen und da, wo sie ins Leben eingef�hrt werden
sollen, wachen, da� sich ihre urspr�ngliche Reinheit erhalte; da� sich
nicht Eigennutz, sondern nur das wohlverstandene Interesse in sie mische,
nicht die Willk�r sich zu ihrem Ausleger aufwerfe, sondern da� das Gesetz
es sei, das entscheidet. Oder k�nnen wir uns mit dem Schwerte bewaffnen
und Konzessionen ertrotzen? Die Geschichte wei� nur von Schwertern in der
Hand des Eroberers oder des Richters. Die V�lker demonstrieren nur mit
dem Worte und wenn sie das Schwert ergreifen, so strafen sie. Sie
ertrotzen kein Gesetz, sondern strafen nur das �bertretene. Werden die
Forderungen des Liberalismus dann befriedigt sein, wenn Preu�en eine
l�ngst versprochene Verfassung erh�lt? Nein, dann beginnen sie erst.
Jetzt stehen wir noch ruhig versammelt um die langgestreckten Grenzen
dieses Landes und sehen zu, wie der blankger�stete Krieger seiner Ruhe
pflegt, bald rechts, bald links sich wirft, ohne aufzustehen. Den ersten
Ton, den wir in seinen Schild hineinriefen, hat das Echo noch nicht
zur�ckgetragen. F�rchtend oder hoffend warten wir die Antwort ab, die der
preu�ische Staat auf die Frage des Zeitgeistes geben mu�. Weil noch
nichts entschieden ist, so finden wir �berall Gesinnungen gegen Preu�en,
keine Meinungen. Man verehrt es oder ha�t es, f�hlt Sympathie oder
Antipathie, aber die Gr�nde f�r das eine gegen das andre kann man nicht
angeben. Wer f�r seinen Glauben an diesen Staat einen Beweis f�hren
wollte, blieb noch immer in der Mitte stecken: Denn wo er alle seine
Gr�nde gesichert glaubte, da waren sie ihm alle entflohen. Man steht vor
dem preu�ischen Namen entweder mit gefalteten H�nden oder mit dem
Ausdrucke eines moralischen Unbehagens, aber niemand spricht, jeder Mund
ist geschlossen. Erst der Geist, der sich in der preu�ischen Verfassung
offenbaren wird, kann den Widerspruch wecken, und wenn nicht alle Zeichen
tr�gen, so wird dieser Widerspruch der lebhafteste werden, da er im
Interesse der innersten Prinzipien des Liberalismus geltend gemacht
werden mu�. Die nachfolgenden Bemerkungen sollen diese Besorgnis
rechtfertigen.

Welches Bed�rfnis hat den Wunsch nach Verfassungen veranla�t? Unstreitig
das Bed�rfnis eines gesicherten Rechtszustandes. Welches Recht ist unsrer
Zeit angemessen? Die Tradition? Das alte Herkommen? �bereink�nfte �ber
das, was man sich gegenseitig leisten und so f�r Recht ansehen wolle?
Oder ein Recht, das auch das Ziel der alten Handvesten und Vertr�ge
gewesen sein mag, das sich aber in der Feuerprobe der Zeit bew�hrt hat
und auf die ewigen Gesetze der Vernunft begr�ndet ist? Die V�lker haben
diese Frage l�ngst entschieden, ihre F�rsten sind noch andrer Meinung:
Entweder wollen sie das, was rechtens ist, nach den Befehlen ihres
Kabinetts feststellen, oder sie erkl�ren sich bereitwillig zur
Umgestaltung der alten Regierungsform (es gibt eine revolutionierende
Reaktion), holen aber die neue nicht aus dem freien Raume der gro�artigen
Geschichte unsrer Zeit, sondern aus dem Staube der Archive, aus
verwitterten Pergamentbl�ttern, aus den Heften moderner Doktrin�re.
Machen wir die Anwendung auf Preu�en. Wenn wir das gegenw�rtig dort
herrschende Regime despotisch nennen, so ist es uns nat�rlich nur um
einen Namen zu tun. Wir meinen jenen humanen Despotismus, der sich von
Friedrichs II. Regierungsverfahren herschreibt. Die Menschen bilden sich
ein, jeder ihrer Schritte sei ein Beispiel von Billigkeit und
Gerechtigkeit, wenn sie andern das zukommen lassen, was sie ihnen zu
bed�rfen scheinen. Aber wir bed�rfen immer mehr, als wir zu bed�rfen
scheinen. Und umgekehrt, soll man uns Recht widerfahren lassen, wenn wir
nicht eingestehen, da� uns Unrecht geschehen sei? Wer darf uns heilen
wollen, wenn wir behaupten, gesund zu sein? Das ist das Grund�bel der
sogenannten humanen, weisen Regierungen, da� sie vor unaufh�rlichem
Wohltun das rechte Bed�rfnis gar nicht aufkommen lassen. Sie wissen schon
alles im voraus, haben mit ihren guten Handlungen alle H�nde voll zu tun
und sind so eilig, da� sie nur dazu Atem finden, um sich zu loben. Daher
das Vielregieren, die Beamtenherrschaft, die desto unertr�glicher ist, je
gef�lliger sie sein will. Diese v�terliche, ja m�tterliche Sorgfalt ist
bekanntlich die Art der preu�ischen Regierung. Da piepsen die Kleinen
unter den Fl�geln der �ngstlich wachenden Henne so z�rtlich und sind so
voll R�hrung und Dankbarkeit f�r all das Gute, was ihnen ohne Verdienst
und W�rdigkeit erwiesen wird, da� man hier ordentlich von politischen
Tr�nen sprechen kann. Aber dies Vertrauen soll gest�rt werden. Der K�nig
hat selbst den Grundsatz anerkannt, da� der Krieg der Vater aller Dinge
sei und die Zusammensetzung von "allgemeinen Reichsst�nden" in einem
h�chsten Dekrete versprochen. Da� ein solches Versprechen dem Lande wird
gehalten werden, ist unbezweifelt, nur soll die gegenw�rtige Zeit dazu so
ungeschickt sein. Man z�gert, man weist die Bitten der Provinzia1st�nde
um endliche Gew�hrung zur�ck; man will nicht, da� es den Anschein habe,
als g�be Furcht dem Drohenden, was Liebe dem Hoffenden schenken wird. Von
dem dereinstigen Thronfolger ist allgemein die Ansicht verbreitet, er
werde dem v�terlichen Versprechen nicht treu bleiben, sondern sich ihm
durch irgendeinen Gewaltstreich entziehen. Welche Annahme! Der Wille
seines Vaters wird ihm heilig sein, durch seine Befolgung wird er ihn zu
ehren wissen. Noch mehr! Sein erster Regierungsakt d�rfte die Verfassung
werden, aber damit zugleich ein Fehdehandschuh, dem ganzen zivilisierten
Europa hingeworfen.

Die Doktrin unterscheidet zwei Ansichten �ber den Staat. Nach einer ist
er ein Kunstwerk, nach der andern ein Naturprodukt. N�her bezeichnet sich
dieser Gegensatz als politischer Mechanismus und Organismus. Es ist eine
durchaus falsche Konsequenz, wenn man jenen zu einem notwendigen Eigentum
des Liberalismus, diesen zu dem der entgegengesetzten Ansicht machen
will. Die europ�ischen Staaten bieten Beispiele f�r die eine Ansicht so
gut, wie f�r die andere. England, Frankreich, Spanien, selbst Ru�land
haben sich auf dem naturgem��esten Wege entwickelt. Ihre politischen
Institutionen sind nicht nur auf den Geist ihres Volkes berechnet,
sondern auch durch diesen hervorgerufen. Deutschland bietet gr��tenteils
das Gegenteil dar. Hier, wo man sich so sehr gew�hnt hat, immer auf die
Eigent�mlichkeit der Bewohner zu zeigen, wo man gern von Geistern der
Vergangenheit spricht, die in die Gegenwart hineinragen, und noch immer
nicht m�de wird, Analogien zwischen sonst und jetzt aus unserm Gem�te,
unsrer Geschichte zu suchen, hier ist gerade im Politischen ein toter
Mechanismus aufgekommen. Wir haben ein W�rttemberg ohne W�rttemberger,
ein Baden ohne Badener, ein Weimar ohne Weimarer, ein Hannover ohne
Hannoveraner aus dem einfachen Grunde, weil wir umgekehrt wohl Deutsche,
aber kein Deutschland haben. Preu�en ist am meisten von der Geschichte
ironisiert worden: Es repr�sentiert den Zufall, das, was ist und auch
nicht ist. Hegel kann den Anfang seines Systems statt in das abstrakte
Sein auch in Preu�en setzen, das Ende hat er auch wirklich darein
gesetzt. Ja, diese Ironie wird durch die preu�ischen Doktrin�re in
lebendiger Anschauung erhalten. Sie reden nach Preu�en von keinem Staate
lieber als von England, aus demselben Grunde, warum sie Nordamerika am
meisten hassen. Dort sehen sie die Menschen gleichsam wie Naturerzeugnisse
sich gestalten. (In der Tat haben die Sachsen die Sage, sie w�ren auf den
B�umen gewachsen.) Dort entwickelt sich ein Keim aus dem andern: Da ist
nichts Fremdartiges, nichts Neues in den alten Gang hineingetragen:
Selbst die Reformation hat da englisiert werden m�ssen. Wer bewundert
nicht diesen Vorzug der englischen Geschichte? Wer hat es nicht beklagt,
da� Deutschland, das Mutterland, nicht diesen selben Weg der Entwicklung
einschlagen konnte? Und doch--in Preu�en ist jetzt �hnliches entdeckt.
Die Doktrin�re klagen hier Friedrich II. an, da� er in die Regierung
seines Landes ein System gebracht habe, das die Verwandtschaft mit der
einseitigen Aufkl�rung seiner Zeit nicht verleugnen k�nne; da� er den
Adel des Verdienstes h�her stellte, als den der Geburt; da� er ein
Gesetzbuch gegr�ndet habe, was mit den Lehren eines Haller und Bonald in
zu grellem Widerspruche liege. Preu�en sei berufen, die historischen
Interessen zu vertreten. Es g�be keinen Fortschritt, als einen durch
fr�here Zust�nde bedingten. Nicht in dem Willen der leicht erregten
Masse, noch weniger in den Deklamationen der heutigen Wortf�hrer und
Tageshelden liege das Gesetz der Vernunft, sondern wir seien die
Leibeigenen der Vernunft, seien ihr untertan. Weil sich nun diese
Vernunft in dem offenbart, was die Geschichte bringt, so m��ten wir uns
auch and�chtig vor der Macht des Positiven beugen. Das sind die
Zauberformeln, mit denen man in Preu�en die Jugend alt macht und das Alte
("Alles Hohe und Edle der Vergangenheit!" ein bekannter auf Marienburg
ausgebrachter Toast) wieder verj�ngt. Auf solche sogenannte historische
Bedingungen wird die Verfassung des Landes begr�ndet sein.

Der Grundcharakter des germanischen Staatslebens ist die Repr�sentation.
Bei unsern Vorfahren wurde keine Gewalt anerkannt, die nicht ein
f�rmlicher Vertrag als Recht festgestellt hatte. Was der eine dem andern
zu leisten schuldete, war die Folge einer gegenseitigen �bereinkunft. Die
Zeit der Reformation machte diesem Verh�ltnisse ein Ende. Die Einf�hrung
des r�mischen Rechts, die mit dem erwachenden wissenschaftlichen Streben
zusammenhing, zerst�rte im Volke sein urspr�ngliches Rechtsbewu�tsein.
Das Recht wurde Sache der Gelehrsamkeit, und diese konnte nur unter dem
Schutze verm�gender F�rsten gedeihen. Die religi�se Anregung band die
Gem�ter nur noch insofern an die Ereignisse im weltlichen Gebiete, als
sie jener f�rderlich oder hinderlich waren. F�rsten und B�rger hatten
dasselbe Interesse, sich gegen die Anma�ungen des Adels sicher zu
stellen. Daraus bildete sich endlich der Begriff der f�rstlichen
Souver�nit�t. Aus f�rstlichen Bedienten wurden Beamte des Staats. An die
Stelle der Landtage traten Verwaltungen. Aus Rezessen und Abschieden
wurden Kabinettsbefehle. Gegen diese moderne Ausbildung der Souver�nit�t
reagiert unsre Zeit in zwiefacher Weise, als Revolution und Restauration.
Beide kehren sich gegen das Bestehende, beide berufen sich auf die
Geschichte, beide auf die Lehre. Aber die eine spricht von einer
Vertretung der Intelligenz, die andere von der der Interessen. Jene hat
eine Macht gewonnen, die �ffentliche Meinung; diese wird in Preu�ens
n�chster Zukunft mit Entschiedenheit auftreten; auch sie hat eine Macht,
die Gewalt. Haben wir aber Grund, zu f�rchten? Ist es nicht der alte
Kampf der Demokratie und Aristokratie?

Es wird erlaubt sein, sich die Wege anzusehen, die die Verfasser der
preu�ischen Konstitution einschlagen m�gen. Die gegenw�rtigen
Provinzia1st�nde m�ssen die Grundlage derselben bilden. Man r�hmt die
Liberalit�t dieses Instituts und preist die Gleichstellung der drei
St�nde, des Adel-, B�rger- und Bauern-, d.h. freien Grundbesitzerstandes.
Woher aber das entschiedene �bergewicht der Aristokratie in den
Versammlungen? Welche Forderungen hat sie an die Regierungen gerichtet!
Verj�hrte Rechte nimmt sie in Anspruch, Domstifte und deren Pfr�nden,
unverh�ltnism��igen Erla� der Steuern u. dgl. Spricht man in diesem Sinne
von einer Beachtung historischer Bedingungen bei den k�nftigen
Reichsst�nden, so kann man nur w�nschen, diese nie ins Leben treten zu
sehen. Der Bauernstand ist ungebildet und gibt daher seine Rechte den
adeligen Grundbesitzern. Auch die St�dter k�nnen an Bildung z.B. mit den
B�rgern s�ddeutscher St�dte nicht wetteifern und die sie zum Landtage
schicken, sind meist st�dtische Beamte, von der Regierung best�tigt, also
mittelbar Regierungsbeamte. Wollten sie auch eine Opposition bilden, so
sind sie gegen den Adel in der Minorit�t und der Regierung gegen�ber zu
schwach, wie die Landst�nde am Rhein und in Westfalen bewiesen haben.

Die mittelalterlichen St�nde haben ihre Freiheiten und Privilegien
vertreten. Solche besitzen die preu�ischen nicht oder sollen sie ihnen
noch erteilt werden? Sollen die Z�nfte wieder eingef�hrt werden? Wollen
die preu�ischen K�nige wieder Schutzbriefe ausstellen und Urkunden auf
ewige Zeiten? Auch ihre Beutel haben die alten St�nde vertreten. Aber
unsere Zeit verlangt eine Vertretung des Nationalverm�gens, nicht des
zuf�lligen Gutes, das der einzelne Stand besitzt. Eine Wiederherstellung
jenes alten Zustandes w�re ein vol1st�ndiger Umsturz des herrschenden
Finanzsystems, das ohne eignes Verderben nicht aufgeopfert werden kann.
Es ist wahr, da� die F�rsten in den Besitz der meisten Steuern nur durch
ein Unrecht gekommen sind. Denn wenn ihnen die St�nde bei dringenden
Gelegenheiten statt Geld die Erlaubnis gaben, auf f�nf oder zehn Jahre
Schlacht- oder Mahl- oder Tranksteuer zu erheben, so war diese Erlaubnis
immer nur momentan, und erst der sp�ter ausgebildete Begriff der
Souver�nit�t nahm nach g�ttlichem Rechte von dem ewigen Besitz, was ihm
menschliches nur auf eine bestimmte Zeit zugesagt hatte. Aber jetzt ist
den St�nden mit der Zur�ckgabe ihres alten Rechts sehr wenig mehr
gedient, weil sie wohl wissen, da� jene verha�ten Abgaben ihnen weniger
bereitwillig w�rden gegeben werden, als der Regierung. Ehemals zahlten
auch die Ritter nichts. Soll nun jetzt ein moderner Raubadel, der ohne
offnen Angriff auf eine feine Weise pl�ndert, wieder organisiert werden?
Soll die Litanei des armen Landvolkes wieder sein, der liebe Herrgott
m�ge es beh�ten vor den K�ckeritz und L�deritz und vor den Kracht und
Itzenplitz? Auch die Pr�laten fanden sich auf den Landtagen ein, aber nur
um Geld zu verzehren, keines zu geben. Die Geistlichkeit ist jetzt kein
Stand mehr, obschon man in Preu�en Bisch�fe und Erzbisch�fe nach
englischem Muster angeordnet findet. Die Geistlichkeit vertrat fr�her die
Rechte ihrer Pr�benden, solche hat sie aber nicht mehr: Sie vertrat das
Interesse der Kirche, und wenn irgendwo durch die Bem�hungen der
Regierung die Meinung, da� die Kirche in dem Staat aufgehe, verbreitet
ist, so ist es in Preu�en. Die Bauern wurden gar nicht vertreten, jetzt
sind sie es aber als freie Grundbesitzer. Soll ihnen ihr Recht wieder
genommen werden? Sollen Ritter, St�dte und Geistliche die heilige
Dreizahl bilden? Die preu�ischen Bauernaufst�nde gegen den Adel und
Herzog Albrecht werden die Gesetzgeber vorsichtiger machen. �berall mag
man nach historischen Anf�ngen einer den gegenw�rtigen Zeitforderungen
nur einigerma�en gen�genden Repr�sentation forschen, im Preu�ischen
finden sich solche am wenigsten. Die brandenburgischen Markgrafen und
pommerschen Herz�ge sind eigentlich nur zu den St�dten ihrer Territorien
in st�ndischen Beziehungen gewesen und zwar in einer Art, die jetzt nicht
mehr denkbar ist. Sie waren die �rmsten F�rsten und die schw�chsten
zugleich. Nackt und blo�, mu�ten die St�dte sie bekleiden, hungernd, von
ihnen ges�ttigt werden. Die m�rkischen St�dte waren Republiken mit
vol1st�ndigem Gemeinwesen. Da sie ihren Ursprung auf Kolonisation
zur�ckf�hrten, sich selbst konstituierten und Gesetze gaben, so waren es
nicht einmal Privilegien, die ihnen die F�rsten garantierten, sondern was
sie ihnen gaben war Dank und Entsch�digung f�r den Schutz, den ihnen die
Markgrafen, urspr�nglich eine milit�rische Beh�rde, angedeihen lie�en.
Noch anders war die Lage Preu�ens. Ein fast ganz unabh�ngiger St�dtebund,
bl�hend durch Handel und Gewerbe, stand hier dem deutschen Ordenskapitel
zur Seite, noch �fter gegen�ber. Hier machte der Landadel mit den
m�chtigen St�dten Danzig, Thorn, Elbing, Kulm, K�nigsberg gemeinschaftliche
Sache, und die deutschen Ritter, die als Herren des Landes gelten wollten,
verloren ihr Ansehen und ihre Macht immer mehr und zuletzt auch gegen
Polen ihre und des Landes Selbst�ndigkeit. Alle diese Verh�ltnisse hat
die Zeit anders gestaltet. Sie wieder herzustellen, ist unm�glich. Jede
Ann�herung an sie ist eine Halbheit, weil ein Zustand damals den andern
bedingte. Endlich fehlen auch in den neu erworbenen Teilen der preu�ischen
Monarchie in Sitte und Leben �berall die Ankl�nge der Vergangenheit. Die
Rheinprovinzen und Westfalen sind nicht nur in neuerer Zeit einem ewigen
Wechsel von gesellschaftlichen und rechtlichen Formen unterworfen gewesen,
sondern selbst in jener Zeit, die man neu beleben will, waren gerade diese
Gegenden ein Schauplatz der uns�glichsten Verwirrungen, in denen sich
nichts Altes rein und urspr�nglich erhalten konnte. Man denke an die
St�rme, die jene Gegenden am Niederrhein, die L�nder J�lich, Cleve, Berg
ersch�ttert haben! Neben den politischen Umw�lzungen, die sich hier ohne
Aufh�ren folgten, haben auch die kirchlichen und reformatorischen Zwistig-
keiten diese L�nder so zerrissen, da� an eine Wiedergeburt hier nur durch
Animpfung einer neuen Bildung zu denken ist.

Vielleicht sind aber die historischen Bedingungen in einem andern Sinne
verstanden worden. Man wird keine Landschaft errichten, sondern wiederum
nach englischem Vorbilde ein Parlament mit zwei Kammern und dazu eine
dreifache Initiative. Die zweite Kammer w�rde dann die materiellen,
vielleicht auch intelligenten Kr�fte vertreten, die erste aber das Ewige,
das Unver�nderliche, das Unverge�liche oder was wei� ich. Man denkt an
eine preu�ische Pairie mit dem Rechte der Erblichkeit. Ich erschrecke vor
den M�nnern, die in ihr sitzen werden, vor den Urteilen, die sie f�llen
wird. Welche Theorien werden hier zum Vorscheine kommen! W�hrend in der
zweiten Kammer die Aristokratie des Geldes herrscht, prangt in der ersten
die Aristokratie der Geburt im Vereine mit der der Doktrin. Wenn dann
einmal, etwa bei einer Verhandlung �ber die Erblichkeit, Friedrich der
Gro�e in die Sitzung tr�te und anh�rte, wie z.B. die neuliche Erkl�rung
der "Staatszeitung", nicht jedem sei es gegeben, die Majest�t des
K�nigtums zu begreifen, interpretiert wird, k�nnte er noch glauben, in
der Hauptstadt eines von ihm gegr�ndeten Staates zu sein?

Wir geh�ren nicht zu jenen Toren, die die ehrw�rdigen Tr�mmer fr�herer
Zeiten zum Gegenstand ihres salzlosen Spottes machen. Wir bewundern die
Vergangenheit, aber wir lassen sie in ihren Gr�bern, da auch unsre Zeit
einen so sch�nen Fr�hling von neuen Ideen und Hoffnungen keimen l��t. O
wir f�rchten den Kampf mit jenen vornehmen Meinungen nicht, die sich in
Preu�en so gern mit Purpurmantel, Krone und Szepter bekleiden! Unsre Zeit
zittert vor keinem Gedanken mehr. Schon viele R�tsel hat sie gel�st und
auch jene nordischen Mysterien werden ihr nicht verborgen bleiben. Das
ist aber das Herrliche dieser Zeit, da�, wer die Ansicht widerlegt, auch
die Macht �berwunden hat, die sie verteidigen wollte. Wenn ein �dipus
kommt, st�rzt sich die Sphinx in den Abgrund.




Drei preu�ische K�nige (1840)


Indem ich an diese auch in der Form anspruchslosen kleinen Umrisse die
letzte Hand lege, kommt die Trauerkunde vom Tode Friedrich Wilhelms III.
Diese Botschaft mu�te mich, da ich in Berlin den Volksglauben, der K�nig
m�sse in diesem Jahre sterben, allgemein verbreitet fand, doppelt
ersch�ttern. Die h�usliche Zur�ckgezogenheit, in der der Verstorbene
lebte, hatte es unm�glich gemacht, seit Jahren �ber seinen
Gesundheitszustand etwas Gewisses zu erfahren: Zeigte er sich �ffentlich,
so erschrak man zwar �ber die in letzter Zeit au�erordentlich gealterten
Z�ge, aber die Haltung des K�nigs war von jeher so grad und ritterlich
gewesen, da� ihn diese auch in der letzten Zeit nicht verlie�, und man an
eine noch ausgedehntere Lebensdauer glauben durfte. Umso betroffener
mu�te man �ber den Volksglauben sein. Man machte geltend, da� in jedem
Jahrhundert das vierzigste Jahr den Preu�en einen Thronwechsel oder
irgend ein wichtiges Ereignis bringe, man sprach von den n�chtlichen
Umg�ngen der wei�en Ahnfrau des Hohenzollerschen Hauses. Noch oft
erschien der K�nig hinter dem roten Vorhange seiner Proszeniumloge im
Theater. Nur die �ngstliche Einf�hrung Sch�nleins in die innern Gem�cher
des ab und zu als kr�nkelnd Gemeldeten verriet ein tiefer gewurzeltes
Leiden, dem der Monarch denn am ersten Pfingsttage wirklich erlegen ist.

L��t sich eine ergreifendere Situation denken, als ein sterbender K�nig
und ein neuer, der ihm folgt, in dem Augenblick, als der Donner des
Gesch�tzes die Grundsteinlegung zu einem Denkmal Friedrichs des Gro�en
verk�ndete? Wie dr�ngen sich hier in eine kurze Spanne Raum und Zeit,
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammen! W�nsche und Hoffnungen
m�ssen lebendig werden, Besorgnisse sterben, andre k�nnen erwachen,
Gedanken aus den entgegengesetztesten Richtungen m�ssen sich
durchkreuzen. Wer hat den Schl�ssel, um zu erraten, was der jetzt Tote
dachte, das Volk glaubte, der neue Herrscher ahnte? Wie kommt es, da�
gerade die Erinnerung an den Begr�nder der preu�ischen Monarchie in ihrer
Stellung zu Europa die letzte �ffentliche Tatsache im Leben Friedrich
Wilhelms III. sein mu�te? Ist dies eine S�hne der Vergangenheit oder ein
Fingerzeig f�r die Zukunft? Den Ratschlu� des Weltgeistes umh�llen noch
tiefe Nebel und erst die Geschichtsschreibung ferner Zeiten wird die
Sonne sein, die sie erhellt.

Bei den �gyptern sprach man �ber die toten K�nige Gericht. Man wird in
�ffentlichen langen Reden und in kurzen Inschriften viel Unwahres �ber
Friedrich Wilhelm III. sagen, man wird seinem Geiste das zuschreiben,
dessen sein Herz, man wird dem Herzen zuschreiben, dessen sein Verstand
sich r�hmen durfte. Man wird in dem seine Demut finden, was vielleicht
sein Stolz war, und wird ihn vielleicht f�r das loben, wof�r er sich
selbst getadelt hat. K�nige sind wie die Ph�nomene der Luft. Sie werden
von Tausenden ihres Volkes f�r dasselbe verw�nscht, wof�r sie andern
Tausenden die Hei�ersehnten sind. Ein Gewitter raubt der Mutter ihr Kind,
das der Blitz erschl�gt, und tr�nkt die d�rstende Erde, die nach ihm
schmachtete.

Mag man nun mit Montaigne glauben, da� "herrschen" le plus aspre et
difficile m�tier ist, oder mit einem italienischen Sprichworte (von
Oxenstierna einst ironisch angewandt), da� zum Herrschen gerade das
wenigste Hirn geh�rt (der Leipziger Professor Adam Rechenberg hat es
�brigens schon 1676 in einem eignen Werke widerlegt), mag man auch von
dem, was �ber den Verstorbenen gesagt werden wird, abziehen, was der
r�hrende Moment oder pers�nliches Interesse �berfl�ssig hinzuf�gt, so
viel wird selbst die Nachwelt nicht umsto�en k�nnen, da� der innige
Zusammenhang der Schicksale, die die preu�ische Monarchie trafen, mit der
Person Friedrich Wilhelms III. ein in der Erinnerung nie erl�schendes
Licht auf ihn geworfen hat. Eine freudenlose, umflorte Jugend machte ihn
schon fr�h f�r eine stillere Ergebung in das Ungl�ck reif. Die M��igung,
die ihn in seinen Leidenschaften und Gef�hlen beherrschte, lehrte ihn
auch, das sp�tere Gl�ck ohne �berhebung ertragen. Er nahm die Gaben des
Geschicks mit einem Gef�hl an, das ihn auf alles gefa�t machte, wenn es
nur nicht �berraschend und ohne Voraussicht kam. Heftigere Aufregungen
vermeidend be�ngstigte ihn jede leidenschaftliche Anmutung und so erhielt
auch seine letzte Regierungsperiode jenen Charakter bescheidener
Selbstbeschr�nkung, den Preu�en, ein innerlich so kraftvoller und nach
au�en hin nicht ungedeckter Staat wohl aufgeben durfte, ohne f�r seine
Erhaltung besorgt zu sein. Friedrich Wilhelm III. war durch sein
Temperament vor �bereilten Entschlie�ungen gesch�tzt und diese Tatsache
war vielleicht die gl�cklichste Erfahrung f�r das Wohl des Staates in
einer Zeit, wo der Zeitgeist so viel leidenschaftliche Faktoren in
Bewegung setzte und es Staatsm�nner gab, die so gern neue Manifeste des
Herzogs von Braunschweig in die Welt gestreut h�tten und dem Weltlauf mit
kecker Hand in die Z�gel gefallen w�ren. Friedrich Wilhelm III. war nicht
so gro� in dem, was er tat, als in dem, was er vermied.

Da� man sich in Preu�en, da die Zeit des Zuwartens vielleicht vor�ber ist
und den Horizont keine Kriegswolken tr�ben, nach positiven Sch�pfungen
sehnt und das Feld f�r einen gro�artigem Anlauf zur Staatenlenkung nun
ge�ffnet sieht, beweist die �ngstliche Spannung Preu�ens, Deutschlands,
Europas auf den Geist, in welchem Friedrich Wilhelm IV. regieren werde.
Der neue Regierungsantritt hat das vor andern Thronwechseln voraus, da�
wir hier nicht einen J�ngling auftreten sehen, dessen politische Ideen
noch von dem Unterricht seiner Lehrer befangen sind, sondern einen
gereiften Mann, der jahrelang den Zeitlauf und das Terrain der ihm nun
anvertrauten Regierung gr�ndlich beobachten konnte. Das neue Herrscheramt
wird ihm wie ein bekanntes Buch sein, bei dessen Lekt�re er sich Stellen
unterstrich und hier und dort Merkzeichen einlegte. Und da� es solcher
Stellen und Merkzeichen viele geben m�sse, beweist der allgemein selbst
in Berlin verbreitete Glaube an ein neues, durchdachtes, l�ngst
angelegtes und bald hervortretendes System.

Man ersch�pft sich in Vermutungen �ber das politische Glaubensbekenntnis
des neuen K�nigs. Man nennt ihn aristokratisch; aber verdanken nicht
gerade einige talentvolle B�rgerliche ihre Berufung zum Ministerium der
Empfehlung des ehemaligen Kronprinzen? Verwechselt man nicht die
vornehmimponierende und doch gef�llige Haltung des neuen Herrschers mit
Sympathien, die durch nichts bewiesen sind? Man nennt ihn einen Freund
der Richtungen, in welchen Steffens und �hnliche reaktion�re Geister
geschrieben haben. Aber wenn der ehemalige Kronprinz Steffens pers�nlich
kannte, so wird er bald gefunden haben, da� die naive Lebensunsicherheit
dieses geistvollen, aber unpraktischen Mischdenkers am wenigsten zu
seinen politischen Phantasmen und Tr�umereien Vertrauen einfl��en kann.
Wie w�rde auch die gro�e Vorliebe, die der ehemalige Kronprinz f�r seinen
ruhmgekr�nten Ahn Friedrich II. empfinden soll, mit der Hinneigung zu
politischen Theorien stimmen, deren Vertreter, wie Haller, Leo, Steffens
und ihnen �hnliche, in Friedrich dem Gro�en nur einen gekr�nten
Jakobiner sehen?

Man r�hmt von jeher den Geist des neuen Herrschers. Man schreibt ihm
Verstandessch�rfe und Witz zu. Er ist kein Freund des Gamaschendienstes
und hat mehr Sinn f�r das Zivile als Milit�rische. Er liebt den Umgang
mit Gelehrten und K�nstlern, von denen viele sich seiner n�hern
Bekanntschaft erfreuen. Wie harmlos er gewohnt ist, sich dem Talente
hinzugeben, bezeugt der gem�tvolle, anspruchslose Brief, den er an
Chamisso schrieb. (Siehe Hitzigs "Leben Chamissos" Bd. 2, S. 93.) Der
ehemalige Kronprinz ist ein talentvoller Zeichner und da� ihm selbst der
schriftstellerische Ausdruck nicht fremd sein d�rfte, beweist der
Umstand, da� man ihn oft zum Verfasser anonymer Flugschriften machen
wollte! Von sogenannten noblen Passionen, die man Gro�en eher nachzusehen
pflegt, als Kleinen, wei� man nichts. Seine Sittlichkeit wird ger�hmt. Er
besucht die Kirchen anerkannt pietistischer Geistlicher; ob aus Neigung
f�r ihr theologisches System, oder aus Achtung vor ihrer oft
ausgezeichneten Rednergabe, wei� ich nicht. Jedenfalls w�rde eine
religi�se Stimmung dieser Art bei ihm nicht aus einem Minus, sondern
einem Plus der Bildung entstehen; d.h. es ist m�glich, da� sie die
Frucht einer entweder gem�tlichen oder philosophischen Abneigung gegen
einseitige Verstandesreligiosit�t w�re. Es ist kein Zweifel, da� der neue
Herrscher historische Tatsachen den Abstraktionen vorzieht, aber es ist
wahr, da� ihm die Hegelsche Philosophie nicht unbekannt geblieben, so
wird ihm das Progressive in der Geschichte nichts Befremdendes und der
Einflu� des Verstandes auf die Gestaltung der neuen Zeit nichts
Feindseliges sein. Friedrich Wilhelm IV. wird keinen Schritt ins
Ungewisse tun. Ein Ziel hat er gewi� im Auge, wenn auch die Zeit erst
lehren mu�, wo es liegt. F�r gedankenlos halte man keine seiner
Unternehmungen. Ratgeber wird er h�ren, ihnen aber nicht immer folgen.
Reue wird ihm, trotz seines christlichen Sinnes, f�r �ffentliche Schritte
fremd sein. Er wird vielleicht bei einem Unternehmen seine Richtung
�ndern, nie aber einen Schritt wieder zur�cktun. Es lodert viel Feuer in
ihm und sein Geist wird oft in den sch�nen Fall kommen, heftigere
Regungen des Gem�ts zu z�geln. Der g�ttlichste Triumph, den uns der
Himmel schenkte, Beherrscher unserer Leidenschaften zu sein, kann ihn oft
begl�cken. So urteilt die Sage und urteilt vielleicht falsch. Man kann
darnach den Versuch machen, ein Portr�t zu zeichnen und mu� sich zuletzt
doch eingestehen, da� der--Versuch eine Pfuscherei ist.

Es haben sich, von Herrn Varnhagen von Ense ausgebr�tet, so viel kleine
Gentze jetzt aus dem Ei gepickt, da� ich wohl begierig w�re, was einer
von ihnen, dem Beispiel des ehemaligen Kriegsrats Gentz folgend (der eine
Adresse an Friedrich Wilhelm III. bei seiner Thronbesteigung herausgab),
dem neuen Herrscher ans Herz legen w�rde. Mit guten Lehren aus dem
frommen Telemach, der ad usum delphini geschrieben ward, w�rde es wohl
ebensowenig getan sein, wie mit dem Macchiavell. Ein F�rst soll keinem
Schmeichler trauen, sagt Mentor alle Augenblicke; b�ndige eine
Regierungsgewalt durch die andre, sagt der Florentiner; aber wir leben
nicht in Versailles und nicht in Florenz. O der guten Lehren, die man
K�nigen gegeben hat! Sie werden fast alle l�cherlich, wenn man sie auf
bestimmte F�lle anwendet, oder sie setzen an F�rsten dasjenige als
lobenswert voraus, was sich an einem zivilisierten Menschen des 19.
Jahrhunderts wahrhaftig von selbst versteht. Weit schwieriger sind
Ratschl�ge, die einen schwebenden Status quo betreffen. Was w�rde wohl
mit der katholischen Frage, was mit der kommerziellen Stellung Preu�ens
zu Ru�land; was mit dem Wunsch nach einer Verfassung zu beginnen sein?
Dem neuen Herrscher raten wollen? Er hat seit einer langen Reihe von
Jahren den Gesch�ftsgang in der Regierung seines Vaters beobachtet: Er
wird sich l�ngst auf seinen eignen Antritt des Regimentes vorbereitet
haben. Wer die Entw�rfe kennte, die schon alle im Pulte harren! Es ist
leicht m�glich, da� Friedrich Wilhelm IV. f�r Europa einige
�berraschungen im Sinne hat.

Man spricht jetzt soviel �ber Friedrich II. Was ist es, das an ihm so
au�erordentlich gerade jetzt in die Augen spr�nge? Will man einen
schlesischen Krieg? Will man eine straffgezogene Regierungssouver�nit�t?
Nein. Es ist das Pers�nliche, das an Friedrich II. gerade jetzt so
bewundert wird. Preu� und andere haben so herrliche Z�ge von der freien,
unabh�ngigen, entschlossenen Denkungsart dieses K�nigs mitgeteilt. Man
hat in Friedrichs Schriften Ansichten gefunden, die jetzt w�rden f�r
staatsgef�hrlich erkl�rt werden. Es ist kein Zweifel, da� man mit dieser
Verg�tterung Friedrichs des Gro�en einen Wunsch f�r seine Nachfolger
aussprechen will; denn das Lob der Vergangenheit ist immer eine Polemik
gegen die Gegenwart.

Was k�nnte wohl ein heutiger Monarch an Friedrich dem Gro�en lernen?
Vieles f�r die Personen, weniger f�r die Sachen. Nicht alles w�rde jetzt
so am besten geschlichtet, wie es Friedrich II. geschlichtet haben w�rde.
Wohl aber w�rde man f�r die Mittel und f�r die Ratgeber lernen k�nnen.
Theoretiker am Staatsruder w�rde er mit Recht f�r Schwindler erkl�ren und
das N�chste w�rde ihm lieber als das Entfernte sein. Was Friedrich �ber
die Religion dachte, war nicht gut f�r die Schule, besser schon f�r die
Kirche, vortrefflich f�r die Wissenschaft. Der Voltairesche Verstand, der
ihn beseelte, war schlecht f�r den Aufbau des Neuen, aber gut zum
Niederrei�en des Veralteten. Man darf diesen endlichen, witzelnden
Verstand nie zum Feldzugsplan erheben, kann ihn aber gut als Waffe
benutzen. Das klare, unbestochene, vorurteilsfreie Wesen ist an Friedrich
II. bewundrungsw�rdig. Man f�hlt, wenn man seine Antworten und
Resolutionen liest, da� man f�r jedes Leiden bei seinem Gem�t wohl eben
keinen Trost, bei seinem Verstande aber Abh�lfe w�rde gefunden haben.
Seine Phantasie und sein Gesch�ftseifer machten ihm das Verst�ndnis jedes
ihm vorgelegten Falles sogleich klar und man hatte nicht n�tig, wenn man
einen Minister verklagte, zu f�rchten, da� man an eben diesen Minister
w�rde verwiesen werden.

Die Erwartungen auf Friedrich Wilhelm IV. sind gespannt. Die erste Zeit
seiner Regierung geb�hrt der Trauer. In dem dunklen melancholischen Gr�n
des Fichtenhains, der die sterblichen �berreste seines Vaters und seiner
Mutter beschattet, wird man ihn noch zu oft sehen, als da� man aus seinem
Auge etwas andres erraten k�nnte, als Tr�nen. Er wird nicht damit
beginnen, Sch�pfungen seines Vaters umzust�rzen, er wird niemanden, der
des Seligen Vertrauen besa�, aus seiner N�he entfernen. Aber die
Aufforderung zu Taten wird nicht ausbleiben. Die Besetzung der bekannten
erledigten Ministerstelle d�rfte vielleicht das erste Symptom des
Kommenden sein. Klio spitzt ihren Griffel, sinnend lehnt sie den Arm auf
das neue Blatt im Buche der Geschichte und lauscht mit l�chelndernster,
mit bangfroher Erwartung.




Das Barrikadenlied (1848)


Barrikaden! Barrikaden! Eine Wehr der B�rgerbrust! Jeder Freie ist
geladen, Auf zum Kampfe, Kameraden! Freiheitstod ist Himmelslust! La�t
uns graben, la�t uns schanzen! F�sser her und Steine drauf! Trottoire,
glatt zum Tanzen, Wagen mit und ohne Franzen, Alles h�lt die Kugeln auf.

Ha! Sie kommen! Nicht gezittert! Nicht den Blick zur�ckgewandt! La�t sie
schie�en! Glas zersplittert! Hinterm Wall sind wir vergittert. Freie
Br�der, haltet Stand!

Fa�t mit scharfem Blick die Rechten! Zielt und dr�ckt die B�chse los!
Offiziere, k�nnt Ihr fechten? Kommandieren nur den Knechten! Fallt-in
Eures K�nigs Scho�.

Dann bedacht, auf kurzem Pfade, Bricht die erste, ziehn wir dicht In die
zweite Barrikade, In die dritte, vierte-schade, An die f�nfte folgt
Ihr nicht!

So auf Barrikadenbahnen Nur drei Tage sich gewehrt, Und beim vierten Ruf
des Hahnen Unter schwarz-rot-goldnen Fahnen Hat das Volk, was es begehrt!




Landtag oder Nicht-Landtag (1848)


Die Frage, welche jetzt so lebhaft die Gem�ter bewegt, fing klein an. Der
Unterzeichnete wollte sich am Abend nach der Beerdigung die Anschauung
einer Berliner Volksversammlung verschaffen und begab sich in die Zelte,
wohin eine solche ausgeschrieben war. Er fand etwa tausend Menschen, die
in verworrenem Durcheinander �ber Wahlgesetz und Landtag sprachen. Einige
von dem Unterzeichneten zwischen die gehaltenen Vortr�ge geworfene
Bemerkungen erregten die Aufmerksamkeit der Umstehenden. Man machte ihn
zum Pr�sidenten der Versammlung, ein an sich unerquickliches Amt, das er
aber nicht zur�ckwies, weil wir in einer Zeit leben, wo die Anteilnahme
am gemeinen Wesen ede1ste B�rgerpflicht ist. Eine auf Grund der ferneren
Debatte verfa�te und von den HH. Assessor Jung, Dr. Oppenheim und
Fabrikanten Lipke mitunterzeichnete Adresse gegen Berufung des Landtags
wurde Freitag den 24. dem Minister Arnim �berreicht.

Inzwischen ist die Frage zur Parole des Tages geworden und gleichsam das
Symbol der Parteien. Diejenigen, welche in den Begebenheiten des 18. u.
19. M�rz eine Revolution sehen, wollen keinen Vereinigten Landtag mehr,
die, welche nur eine Revolte erblicken, verlangen ihn. Die Gr�nde, mit
denen man sich bek�mpft, sind nicht immer redlich. Ich finde es
unredlich, sophistisch wenigstens, wenn man der gro�en Masse sagt: Wollt
Ihr einen konstitutionellen K�nig? Wollt Ihr eine Kabinettsordre ohne
Beirat der St�nde? usw. Man formuliert die illiberale Frage liberal, und
die Leute, so angeredet, antworten blindlings: Wir wollen einen
konstitutionellen K�nig, wir wollen nichts ohne die St�nde usw. Der K�nig
ist konstitutionell, aber nur durch eine Konstitution, die wir noch nicht
haben. Der K�nig hat sich mit dem Vereinigten Landtag fr�her als
absoluten F�rsten proklamiert, der Vereinigte Landtag bestand neben
diesem absoluten F�rsten, folglich kann er jetzt nicht mehr neben dem
konstitutionellen bestehen. Es ist ein Sophisma, wenn man die
Konstitutionalit�t des K�nigs durch die Berufung des Vereinigten Landtags
beweisen will.

Der Vereinigte Landtag ist ein Berliner Kind, ein Jahr alt; er war etwas
neues, er wirkte vorteilhaft auf unsere politische Atmosph�re, vorteilhaft
auch auf Lokal-Interessen. Diese letzteren verd�chtigen etwas die
Sympathie, die sich f�r ihn zu erkennen gibt. Die Buchh�ndler haben noch
so viel Bildnisse und Reden-Sammlungen vom vorigen Jahre auf dem Lager:
Man denkt, das alles wird jetzt flott; man hofft eine gewisse Beruhigung,
eine Konsolidierung der Verh�ltnisse, die B�rse will endlich Kurse
notieren. Die fr�heren Abgeordneten, die da merken, da� ihre Stunde
gekommen ist, regen sich auch. Sie m�chten gern, das wittern wir in der
Luft, R�mertaten von Entsagung auff�hren, recht flatternd den Mantel nach
dem Winde h�ngen und die L�ge noch mehren helfen, die uns so schon
verd�chtig genug umspinnt. Das alles sind schlimme Aussichten und
vermehren das Mi�trauen in diesen alle Zeit ja rein prek�r und von der
k�niglichen Gnade abh�ngig gewesenen Staatsk�rper.

Man sagt, man k�nne eine moralische Versammlung nicht t�ten. Und doch
verlangt Ihr, da� sie sich selber t�ten soll? Ich gestehe, ich m�chte
nicht auf den B�nken dieses Landtags sitzen mit dem Bewu�tsein, da� ich
mich �berlebt h�tte, da� ich mich hinfort begraben lassen, mich ferner
unm�glich machen soll. Viele Mitglieder des Landtags werden so denken,
vielleicht alle. Sie werden zusammenkommen, sich anblicken und die Augen
niederschlagen. Sie werden sagen: Wie kommen wir hieher? Wir sind
Provinzia1st�nde, wurden vereinigt ohne konstitutionellen Grundsatz, ohne
Befugnis der Gesetzgebung, ohne Macht und Auctorit�t, ja sogar erst die
Periodizit�t ist uns als Geschenk, durch den Augenblick, verliehen. Wir
haben uns immer unbehaglich und unheimlich zusammengef�hlt, wir haben
immer dahin protestiert, da� wir nicht die St�nde, die 1815 versprochen
sind, vorstellen, und so k�nnen wir nichts anderes tun, als uns in
Provinzia1st�nde, was wir sind, aufl�sen, nach D�sseldorf, M�nster,
K�nigsberg, Breslau gehen, f�r das Wohl der Provinzen sorgen und uns der
kleinen Freiheiten, die uns das Patent vom 3. Febr. gew�hrte, freiwillig
begeben.

Die Politik sollte diesen Fall voraussetzen, sie sollte sich r�sten
darauf:

1. da� dieser Vereinigte Landtag sehr unvol1st�ndig erscheinen, 2. sich
f�r inkompetent erkl�ren und 3. von der noch g�renden Aufregung
vielleicht sogar gewaltsam beanstandet werden wird.

W�nschen das die Minister? K�nnen es die Freunde des Friedens und der
Ordnung w�nschen?

Ferner: Aus dem Vereinigten Landtag soll das deutsche Parlament beschickt
werden. Und �berall regt sich in Deutschland der Protest gegen diese
Idee. Die Frankfurter Versammlung wird erkl�ren, sie w�rde von diesen
Provinzia1st�nden nimmermehr Deputierte, die das preu�ische Volk zu
vertreten h�tten, empfangen. Neue Verwirrung nach einer so wichtigen
Seite hin, der nationalen! Neue Aufforderung, bei Zeiten vorzubeugen und
solchen Verwickelungen dadurch zu entgehen, da� man den Vereinigten
Landtag, als solchen, fallen l��t. Preu�en bedarf in diesem Augenblick so
dringend der allgemeindeutschen Sympathie.

Wir haben n�tig erstens eine konstituierende Versammlung, welche die
Konstitution bespricht, und dann erst m�gen die neuen St�nde kommen, die
vielleicht wesentlich modifiziert werden durch das (National-Parlament).
Vielleicht ist das letztere wichtiger, als unsere St�nde. Wenn das
deutsche National-Parlament �ber vier der wichtigsten Lebensfragen eines
Volkes zu entscheiden hat, werden die St�ndekammern aller deutschen
Staaten ohnehin nur gewisserma�en zu Provinzia1st�nden herabsinken. Warum
streiten wir uns �ber das k�nftige Wahlgesetz? Im Augenblick handelt es
sich nur um eine konstituierende Versammlung f�r Preu�en, und diese mu�
allerdings auf der breitesten Unterlage angelegt sein, nicht ganz
abstrakt-numerisch, aber doch so viel wie m�glich. (Dahlmann) hat gewi�
Kenntnisse preu�ischer Verh�ltnisse genug, um rasch ein solches
Wahlgesetz zur konstituierenden Versammlung zu entwerfen. Er wird
vorurteilslos genug sein, sich dabei an die gegebenen Zust�nde des
historischen Augenblickes, nicht an seine G�ttinger Diktate zu halten.

Ich komme nochmals auf das obige Sophisma zur�ck von einem
konstitutionellen K�nig, der nichts ohne den Vereinigten Landtag tun
k�nne. Ich find' es geradezu machiavellistisch. Unser konstitutioneller
K�nig ist sehr jung. Er ist es vor allen Dingen durch die Konstitution,
die wir erst bekommen sollen. Ein Pre�gesetz war rasch erlassen, ohne die
St�nde. Da besorgte man, die Freiheit der Presse m�sse doch gleich eine
beruhigende Form haben. Jetzt berufe der K�nig eine konstituierende
Versammlung durch einen Aufruf an sein ganzes Volk! Die Wahlen, so oder
so modifiziert, wenn nur �berwiegend dem Grundsatz der Allgemeinheit
ehrlich entsprechend, werden ihm die M�nner bringen, die allein die
Gegenwart und Zukunft organisieren k�nnen. Es ist sophistisch, hier von
einem "Gewaltstreich" zu sprechen. Der K�nig ist in diesem Augenblick der
Ausdruck der Zeit, er will, was (wir) wollen, er gibt Gesetze, die ihm
die (Lage der Dinge) diktiert. Er kann einfach sagen: Ich habe Euch dies
und das in diesen Tagen versprochen, garantiert ohne die St�nde, Inneres,
�u�eres, Deutsches, Preu�isches, Berlinisches, kein Mensch hat gesagt:
Der K�nig darf die B�rgerwehr nicht ohne die St�nde geben, die deutsche
Kokarde nicht aufstecken usw., und nur in der Wahlangelegenheit, da wollt
Ihr von st�ndischer (Zustimmung) sprechen? In der gef�hrlichsten Frage,
wo der meiste Egoismus zu f�rchten steht?

Der Vereinigte Landtag enth�lt Elemente, die uns sehr (lieb) und (wert)
sind. Seid gewi�, die werden wir alle wiederfinden in den neuen Wahlen!
Die alten Stadtverordneten aber, Gemeinder�te usw., die durch Vorrechte
gew�hlt wurden und die l�rmendste Agitation (f�r) den Landtag machen, die
wohl nicht, und das ist gut. Eine Beleidigung des Vereinigten Landtags
erblick' ich auch nicht. Kr�ftig gesprochen kann man sagen: Es fiel so
vieles, warum nicht er? Milder gesprochen mu� man sagen: Der Vereinigte
Landtag ist nur ein aus Gnade eines (absoluten) K�nigs geschenktes
(Rendezvous). Die Provinzia1st�nde sollen nicht sogleich vernichtet
werden. Sie m�gen in ihre Provinzen gehen, dort das allgemeine
Wahlgesetz, das die konstituierende Versammlung gegeben hat, sich
mitteilen lassen und sich dort, wo sie geboren sind, auch in der Stille
aufl�sen oder, w�re es der Fall, da� das deutsche National-Parlament nur
Provinzia1st�nde um sich sehen will, einer neuen Organisation
entgegenharren. Das in (Berlin) Vereinigtsein dieser St�nde ist etwas
rein Arbitr�res, Zuf�lliges gewesen, und keinen Landstand kann es
beleidigen, wenn man gegen diese Vereinigung protestiert.

Also, la�t Euch nichts vorreden von Rechtsverletzung, Gewaltstreich,
einseitiger Willk�r. Das sind Gruben, die man Eurer guten, ehrlichen,
freien Gesinnung gr�bt. Wenn wir eine Konstitution haben und darauf
gebaute wahre St�nde des Volkes, dann erst sollen die einseitigen Befehle
von oben aufh�ren. Jetzt aber, solange nichts rechtlich Bindendes da ist,
wollen wir froh sein, wenn die st�rmisch gewesenen Vorboten des
angebrochenen V�lker-Fr�hlings uns noch recht viel solcher Bl�ten vom
Baume der Majest�t sch�tteln, wie diejenigen waren, welche wir in den
j�ngst vergangenen Tagen als Gesetze und Verheissungen empfingen. Ein
Wahlgesetz gibt jetzt nicht der K�nig sondern das Volk, die Zeit, der
Sieg des Augenblicks.

Dr. Karl Gutzkow




Preu�en und die deutsche Krone (1848)


Man kann es vom h�heren, vaterl�ndischen Standpunkte aus nicht billigen,
da� sich S�ddeutschland aus den hiesigen Begebenheiten, die den
gewaltigen Umschwung unserer Verh�ltnisse hervorriefen, nur die
Ereignisse vom 18. und 19. M�rz herausgreift und auf diese schmerzlichen
Tatsachen hin bei der Wiedergeburt Deutschlands Preu�en desavouiert. Denn
was man gegen die Person des K�nigs sagt, trifft in diesem Falle das
Land, trifft Preu�en und viel empfindlicher Deutschland selbst.

Man ber�t eine Einigung Deutschlands auf den Grund eines zu w�hlenden
k�rzeren oder l�ngeren Oberhauptes. Seit Pfizers "Briefwechsel zweier
Deutscher" steht es fest, da� selbst die freisinnige, deutsche,
hochherzige Bewegungspartei f�r die Idee einer preu�ischen Hegemonie ist.
Die s�ddeutschen Deputierten, die mit einem Doppelplane der Organisation,
einem monarchischen und einem republikanischen, hierher kamen, vertraten
anfangs denselben Geist, dieselbe Meinung, und noch am 18. und 19. M�rz
soll Preu�en pl�tzlich "unm�glich" geworden sein? Darin liegt eine
politische Unklugheit und eine doppelte Ungerechtigkeit.

Um es ganz offen zu sagen, wonach streben wir? Wir m�chten s�mtliche
deutsche F�rsten auf eine Art Standesherrenschaft zur�ckf�hren, ihnen in
Frankfurt (einem nicht gut gew�hlten Orte; Leipzig, Gotha, Weimar,
N�rnberg w�ren besser) eine ehrenvolle und w�rdige Vertretung ihrer
Interessen und Erinnerungen geben und das ganze Reich durch ein
tempor�res oder dauerndes, erbliches oder nichterbliches Bundesoberhaupt
regieren lassen. Ohne eine sehr bedeutende Nullifikation unserer F�rsten
ginge es dabei nicht ab. Die kleineren scheinen nicht abgeneigt, solchen
W�nschen sich zu f�gen; ja sogar gr��ere F�rsten, die K�nige hei�en, ob
sie gleich wegen ihres Gebietes nur Herz�ge oder Landgrafen hei�en
sollten, ich sage, selbst gr��ere haben W�rme und Gef�hl f�r das
Gemeinsame genug, da� sie freiwillig ihre Souver�nit�t angeboten und auf
den Altar des Vaterlandes niederzulegen versprochen haben. Ein K�nig
sogar, der sich gegen diese Richtung anzustemmen nicht mehr kr�ftig genug
f�hlte, entsagte seinem Throne und trat ihn seinem Erben ab, der dieser
idealen Richtung sich verwandter f�hlt. Von �sterreich w�rde man immer
nur einzelne Teile seines Gebietes haben vertreten wissen wollen und wenn
auch die Wiener Bewegung, der Sturz Metternichs eine augenblickliche
Hingabe an das alte Kaiserhaus in uns erwachen lie�, sie kann nur
vor�bergehend sein. Warum nur vor�bergehend? Weil einmal die
Pers�nlichkeit des gegenw�rtigen Kaisers keine ausreichende ist, zweitens
der Wiener Aufschwung der rechten freiheitsged�ngten Grundlage im ganzen
Reich ermangelt und drittens in Frankfurt nimmermehr gew�nscht werden
kann, da� Deutschland wieder in das Schlepptau der europ�ischen Politik
des Hauses Habsburg genommen wird. Was man f�r [die] Reorganisation
Deutschlands tut, mu� ohne organische Aufnahme �sterreichischer Elemente
geschehen. �sterreich kann nur ehrenhalber dabei beteiligt sein.

So bliebe immer nur die preu�ische Anlehnung als die haupts�chlichste und
entscheidendste �brig. Das schlechte Preu�ische ist ja im Innern zerst�rt
und wird noch mehr zerst�rt werden durch Amalgamierung mit dem �brigen
deutschen Stoff; das gute Preu�ische aber ist f�r Deutschland so
wesentlich, da� es Torheit und Verblendung w�re, sollte sich auf ein
einzelnes Faktum, �ber das wir noch sp�ter sprechen werden, auf eine
einzige dem K�nigtume gegebene Lehre hin diese Idee der vol1sten Aufnahme
Preu�ens in die deutsche Sache zerschlagen. Welchen Ersatz wollt Ihr in
Heidelberg und Mannheim bieten? Es ist sehr leicht, in tausendfacher
Anzahl Versammlungen ausschreiben, sich in Drohungen und Verw�nschungen
ergehen, Lieder singen usw., aber die n�chterne Erw�gung der Tatsachen
sollte Euch zwingen, Euren Unmut zu beherrschen und �ber die Personen
nicht die Sache zu verlieren!

Isoliert man Preu�en, isoliert man die Empfindung seines jetzt sich zwar
konstitutionell bindenden K�nigs, dessen Pers�nlichkeit indessen nicht so
nach Gefallen zu beseitigen ist, so k�nnte der deutschen Wiedergeburt
eine gro�e Gefahr erwachsen. Der Provinzialgeist reagiert jetzt gegen die
Hauptstadt Preu�ens, pommersche und uckerm�rkische Bayards wiegeln die
unzurechnungsf�hige altfr�nkische Loyalit�t der Bauern und den �rger des
Adels auf, das Heer ist verstimmt, viele seiner F�hrer sind geradezu
verd�chtig, die ganze Maschine der Verwaltung l�uft noch in den alten
Wellen und R�dern, Polen hofft auf friedliche, unblutige Wiederherstellung
und l��t im Adressenrauschen und Fraternit�tspredigen vielleicht den
Moment der Tat vor�bergehen, Ru�land, das ger�stete, einige, feste wei�,
was es will, es trifft, ungehindert von Polen, Preu�en unvorbereitet,
uneins, z�gernd, den K�nig verstimmt, abgek�hlt durch Eure Proteste, der
Strom von Osten flutet heran ... und was dann? S�d- und Westdeutschland
haben nur noch eine Einigkeit auf dem Papier und die Erinnerungen an die
milit�rische Kraft des Reiches sind eben nicht erhebender und
vertrauenerweckender Art.

Preu�ens historische Bestimmung ist die des Werdens, des Flie�ens,
Wallens, sich Gestaltens und Ausdehnens. Deutschland, Preu�en in sich
aufnehmend, wird allein stark sein. Was weist Ihr Preu�en zur�ck? Ist es
nicht ein neues, das sich mit Euch verschmelzen will? Habt Ihr noch
Mi�trauen in das von Euch besp�ttelte Berlin, dem Ihr in diesem
Augenblick allein den kr�ftigsten Beweis einer in Deutschland doch
m�glichen Auflehnung gegen �bergriffe und Anma�ungen der Gewalt verdankt?
Berlin hat sich nicht nur durch seinen pers�nlichen Mut zur geistigen
Hauptstadt Deutschlands gemacht, sondern auch durch die F�lle von Fragen,
die sich in politischer und sozialer R�cksicht hier allein aufgeworfen
haben. Man kam fast nirgends �ber die patriotischen und liberalen
Abstraktionen hinaus, in Berlin lodert es radikal vom Herd des
Volkes auf.

Nenn' ich die Isolierung Preu�ens in diesem Augenblicke unpolitisch, so
ist sie auch ungerecht und zwar in doppelter Hinsicht. Ungerecht gegen
das preu�ische Volk, ungerecht sogar gegen den F�rsten. Was am 18. M�rz
verbrochen wurde, ist das Verbrechen aller deutschen F�rsten. In Wien ist
auf das Volk geschossen worden wie in Berlin, und das Blutbad w�rde
ebenso gro� geworden sein wie hier, wenn man dort nicht sogleich in der
Absetzung Metternichs eine rasch ausf�hrbare Konzession gehabt h�tte.
Metternich stand schon so schwankend, da� er durch eine Stra�enbewegung
fiel. In Berlin war der Kampf rein eine Schlacht, die man dem Milit�r als
solchem lieferte, dem Milit�rstaat, dem Land der Polizeityrannei, kurz,
es war ein fast pers�nlicher Vernichtungskampf. Jeder deutsche F�rst,
umgeben von solchen Gener�len, solchen milit�risch gesinnten Prinzen,
solchen milit�rischen jahrhundertalten Arroganzen, h�tte ebenfalls feuern
lassen. Der K�nig braucht darum gar nicht pers�nlich der "W�rger" und
Schl�chter zu sein, f�r den ihn die Heidelberger Adresse erkl�rt. Er ist
ganz einfach der Ausdruck seiner Standesvorurteile, seiner milit�rischen
Erziehung, das Echo seiner Ratgeber, das weiche Wachs seiner Br�der und
sogenannten Jugendfreunde, der Fr�mmlinge, der Volksver�chter jeden
Grades. Rechnet man noch hinzu, wieviel Unruhe und Unselbst�ndigkeit er
in sich selbst besitzt in dem Gef�hl seiner nunmehr achtj�hrigen
widerspruchsvollen Regierung, wo ihn, den romantisch gestimmten Epigonen
vergangener Zeitrichtungen, der Sturmwind des Tages ewig im Kreise
umherwirbelte und er bei dem unleugbaren Willen, gut, gerecht, weise,
edel sein zu wollen, und dem Bewu�tsein, gut, gerecht, weise, edel sich
selbst zu erscheinen, doch der Welt gegen�ber immer als das Gegenteil
davon hervortrat: so ist es im h�chsten Grade ungerecht, die v�llige
Umkehr und neue Geburt, zu der er am 20. M�rz die Lust bezeugte, das
Emporhalten des Reichsbanners und den Enthusiasmus eines neuen ihn
innerlichst ergreifenden Menschen abzuweisen und seine warme Hingabe an
die deutsche Sache zu erk�lten. Noch bed�rfen wir, um das, was in
Frankfurt bezweckt wird, auszuf�hren, der Pers�nlichkeit unserer F�rsten.
Noch kann die Reue, das Bed�rfnis nach Popularit�t, der geweckte
Enthusiasmus des preu�ischen K�nigs in die Waagschale der Frankfurter
Entschl�sse das Gewicht der Entscheidung legen; warum festhalten an dem,
was am 19. in Berlin geschah und wie es in M�nchen, Kassel, Karlsruhe,
Hannover geschehen sein w�rde, wenn nicht das Volk gleich anfangs eine
kr�ftige Miene gezeigt h�tte! Mit Worten ist in St�dten, die ich nicht
nennen will, von unseren F�rsten mehr gemordet worden, als hier in Berlin
mit Waffen.

Deutschlands Wiedergeburt unter dem preu�ischen Banner ist, so lange wir
in der konstitutionellen Monarchie uns bewegen wollen, die einzige
kraftvolle und Zukunft versprechende L�sung des Augenblicks. Wollt Ihr
die Einigung Deutschlands in wahrer Vollendung, so k�nnt Ihr nur den
M�chtigsten an die Spitze stellen und das, was Ihr an seiner Person
vermissen wollt, durch den Genius seines Volks ersetzen!

Dringen diese Ansichten nicht durch, scheitern sie an einer
un�berwindlichen pers�nlichen Abneigung, so treten folgende F�lle ein:
Erstens werden wir um die Ru�land in Schach haltende polnische
Insurrektion betrogen, da ein unter den Auspizien des Panslawismus
friedlich geschaffenes K�nigreich Polen leicht mit dem Zaren friedlich
sich abfinden d�rfte. Zweitens h�tten wir die russische Invasion, die ein
innerlich zerworfenes, milit�risch unorganisiertes Deutschland, ein f�r
den Augenblick an sich selbst irrgewordenes Preu�en vorf�nde. Drittens
endlich, wer sch�tzt uns--vor Verrat, vor einer tief angelegten,
grauenerregenden.... Intrige? All' diese Lose schlummern im Scho� der
n�chsten Zukunft, wenn S�ddeutschland in seinen Ablehnungen und Protesten
so fortf�hrt, wie es begonnen, es sei denn, da� der K�nig von Preu�en,
der gro�en Mission seines Volkes sich unterordnend, den Wink verst�nde,
den ihm Gervinus im neuesten Bulletin der "Deutschen Zeitung"
gegeben hat.




Abwehr einer Verleumdung (1850)


In N�. 43 dieser Zeitung sagt ein Anonymus, dem die Redaktion sogar die
Ehre erweist, seine b�sen Verd�chtigungen in den Gro�druck des
politischen Textes aufzunehmen, der Unterzeichnete k�nnte schon deshalb
als "technischer Direktor" des K. Hoftheaters nicht berufen werden,
weil--ihm etwa die n�tigen dramaturgischen Kenntnisse mangelten? Nein.
Oder weil von ihm bekannt w�re, da� er zwar kein republikanischer, aber
doch sonst ein gar schlimmer und bedenklicher Autor w�re? Auch das nicht!
Nun, warum denn sonst nicht? Er hat etwas viel, viel �rgeres begangen. Er
w�re im Jahre 1848 von Dresden ganz besonders zu den "M�rzereignissen"
her�bergekommen. Zwar setzt der wohlwollende "Zuschauer" sch�chtern
hinzu: "Wie es scheint." Verzwicktes "wie es scheint"! Warum nicht
sogleich dreister? Warum nicht sogleich geradezu gesagt, ich h�tte
Barrikaden befehligt?

Im Mai 1849 hab' ich in Dresden, wohin ich nicht erst zu reisen brauchte,
wirklich eine Barrikade bauen sollen. F�nf M�nner in Sensen hielten mir
Steine entgegen und wollten mich zwingen, Hand anzulegen. La�t mich! Ich
bin kein Baumeister! mu�t' ich ihnen sagen. Es half nichts: "die Sense
sollte michs schon lehren!" Erst als ich etwas unsanft sagte: Leute, ich
habe f�r die deutsche Einheit mehr mit dem Wort getan, als ich hier mit
Steinen tun kann! lie� mich die damals souver�ne Insurrektion meines
Weges ziehen. Freilich! Warum sa� ich nicht, wird mein "Zuschauer"
fragen, auch hier versteckt in irgendeinem Keller? Warum war ich an jenem
M�rzsonntage 1848 vor dem Schlosse in Berlin und sah mir dies Wogen und
W�ten einer ungebundenen Menschenmasse an? Der schlimme "Zuschauer" sagt,
Herr Polizeipr�sident v. Minutoli m��te dar�ber auch noch erst Bericht
erstatten. Niemand kann im geschichtlichen Interesse mehr w�nschen als
ich, da� der freundliche und um den milderen Verlauf jener Tage vielfach
verdiente Herr v. Minutoli seine damaligen Erlebnisse erz�hlte. Aber ich
w�nschte doch, Felix Lichnowski lebte noch und best�tigte mir's, da� er
mich aufforderte: "Freund, Sie m�ssen reden! Sie m�ssen! Ich lasse Sie
nicht!" "Wor�ber?" "�ber was Sie wollen! Ich bin heiser, ich kann nicht
mehr! Nur reden, nur beruhigen!--Nun denn, sagt' ich, ich habe in jenem
patriotischen, angeborenen, mark-brandenburgischen, vaterst�dtischen
Drange, von dem man damals noch nicht ahnte, da� man ihn sp�ter f�r
revolution�ren F�rwitz erkl�ren k�nnte, das Wort des K�nigs: Kommt und
ratet mir! so aufgefa�t, da� ich ihm einen Brief �bergeben lie�, worin
ich ihn bat, in die aufgel�ste Ordnung irgendeinen, die Massen nur legal
zusammenziehenden, die Gem�ter zerstreuenden neuen Gedanken zu werfen, am
liebsten den der B�rgerbewaffnung! "Sprechen Sie dar�ber! Sogleich! Hier!
Heran! Ich lasse Sie nicht mehr fort!" Ich sprach, und die Massen, die zu
allen Konzessionen, die sie kaum verstanden, noch etwas Neues,
Handgreifliches, leicht Verst�ndliches hinzuempfingen, zerstreuten sich.
Es ist bekannt, da� der K�nig denen gedankt hat, die an jenem
Sonntagmorgen zum Schlosse hielten. Freilich, sehr exaltiert, sich ohne
Portefeuille f�r einen Politiker zu halten! Sehr exaltiert, nicht wie
jener Feigling im "reisenden Studenten" in den Mehlkasten zu springen und
zu rufen: Brennt's noch? Wer damals in den Mehlkasten sprang, der kam
freilich f�r immer sehr wei� heraus.

Einige Tage g�rte das, alle ergreifend, noch so fort. Und wenn mein
"Zuschauer" sagt: Vor dem 18. M�rz schon h�tt' ich "T�tigkeit entwickelt",
so will ich ihm sagen, was ich vor und nach dem 18. M�rz f�r "T�tigkeit
entwickelte." Am 6. kam ich mit Weib und Kind nach Berlin, um meinen
Urlaub dort zu verleben. Von da bis zum 18. schrieb ich im Hotel de
Russie mein Schauspiel: Ottfried. Und vom 22. M�rz bis 22. April, also
w�hrend der vollen Bl�te der Revolution, sa� ich am Krankenbette eines
Kindes, am Sterbebette einer Frau. O Du leidiger "Zuschauer"! Ich
beantworte Deine b�se Anklage so ausf�hrlich nicht wegen des "technischen
Direktors" (der nicht mir, nur jener Anstalt fehlt), sondern deshalb,
weil diese in Berlin eingerissene Enth�llungssprache, dies mystische: Der
war gestern in der und der Stra�e! Man hat ihn da und dort mit dem und
dem verkehren sehen usw. eine wahre Schmach unserer Zeit ist und an die
tr�bsten Tage r�mischer Delatorenwirtschaft erinnert.

Wenn man von mir sagt, da� ich bei dem mir mannigfach einger�umten
Berufe, f�r die deutsche Schaub�hne theoretisch und praktisch zu wirken
und an jedem Hoftheater die �sthetische Initiative ergreifen zu k�nnen,
doch immer noch so "taktlos" bin, in politischen Dingen mehr links als
rechts zu stehen, so kann ich mich dagegen nicht verteidigen und werd' es
nicht. Aber den Vorwurf, da� ich in meinem Leben je gew�hlt, agitiert
oder konspiriert h�tte, weis' ich mit Verachtung zur�ck.

Dresden, 23. Februar 1850.

Dr. Karl Gutzkow




Varnhagens Tageb�cher (1861)


Wir m�gen nicht das Schlimme wiederholen, das sich schon reichlich in
manchen Bl�ttern �ber Ludmilla Assings neue Mitteilungen aus dem Nachla�
ihres Oheims (zwei B�nde, Leipzig, F. A. Brockhaus, 1861) gesagt findet.
Die Ausdr�cke der Anfeindung und Verachtung kommen meist aus der Region,
wo man sich durch die guten Seiten dieser Tagebuchnotizen
getroffen f�hlt.

Wer die Zeit von 1835-43 (dies die Jahre, die die vorliegenden zwei
ersten B�nde treffen) mit all dem Unmut und dem Druck pers�nlichster
Benachteiligung durchlebt hat, dem Varnhagen in seinen Aufzeichnungen
Worte leiht, der entschuldigt das meiste von dem, was andere hier
verurteilen wollen. Ihm bleibt es eine Erquickung, noch einmal bis in die
kleinsten Details jenen traurigen Zeiten der Verfolgung und endlich zu
Fall gekommenen Tyrannei nachzuleben. Ihm gew�hrt es einen hohen Genu�,
sich sagen zu k�nnen: An alledem warst auch du mit den tiefsten Atemz�gen
deines Lebens beteiligt, f�hltest dieselben Gewaltschl�ge der Schergen,
hofftest auf dieselben Sonnenblicke der bessern Zeit! Bis ins einzelnste
lebt sich ein �lteres Geschlecht in diesen Varnhagenschen Mitteilungen
noch einmal wieder sein eigenes Leben durch.

Und auch das ist eine der guten Seiten dieser Ver�ffentlichungen, sie
lehren Hingebung an Zeit und Menschen, Verehrung und Piet�t vor der
gemessenen Stunde, auch vor fremder Bildung, fremdem Lebensschicksal und
vollends vor dem eigenen, soweit wir nur zu oft geneigt sind, immer nur
in hastiger Erwartung des Zuk�nftigen unsere Befriedigung zu finden. Je
massenhafter die Zeit ihre Strebungen ansetzt, je verallgemeinerter die
Wirkungen des Zeitgeistes sind, desto erhebender diese Beachtung des
Einzellebens, diese sinnige Beobachtung des Individuellen und
Pers�nlichen. Letztere Beobachtung ist bei Varnhagen nicht ganz von der
Neugier, noch weniger lediglich vom Gefallen an dem medisanten Gefl�ster
der G�ttin Fama eingegeben; sie entspringt aus einem Pers�nlichkeitskultus,
den wir nicht verwerfen oder um seiner etwaigen Abnormit�ten willen
verurteilen wollen.

Welche F�lle von interessanten Mitteilungen diese beiden B�nde enthalten,
ist in allen Zeitungen schon gesagt worden. Wir k�nnen allerdings den
verstehen, der die M�glichkeit, solche Tageb�cher zu f�hren, in mehr
bedenklichen als guten Charaktereigent�mlichkeiten finden will; das vor
uns liegende Endergebnis solcher Art oder Unart ist jedoch lehrreich und
n�tzlich. So viel l��t sich bei jedem einigerma�en Urteilsf�higen
voraussetzen, da� ihm nicht jede dieser fl�chtig hingeworfenen �u�erungen
ma�gebend sein wird--es kann in ihnen getadelt werden, was vielleicht
alles Lobes wert ist--aber luftreinigend wirken diese Explosionen;
Behutsamkeit werden sie nach allen Seiten hin verbreiten. Wie gut tut es
nur allein schon den Hochgestellten und M�chtigen, da� sie �berall sich
eingestehen m�ssen: Hier ist zwar nicht durch Anschlag vor Fu�angeln
gewarnt, aber h�te dich bei jedem Schritt, unvorsichtig und unbedacht
zu sein!

Auch darin m�ssen wir eine h�chst interessante Wirkung dieser
Ver�ffentlichungen sehen, da� wir die au�erordentliche und fast
unglaublich scheinende (Nat�rlichkeit) kennenlernen, die in gewissen
h�hern Regionen waltet. M�glich, da� zwei Dritteile dieser hier vom Hofe,
den Prinzen, den Staatsm�nnern Preu�ens aus den oben genannten Jahren
mitgeteilten Anekdoten unrichtig erz�hlt oder leere Erfindungen des
Ger�chts sind; dennoch bleibt immer noch genug zur�ck, um uns ein Bild
dieser steten Agitation zu geben, die um die hervorragenden Erscheinungen
der Erdenmacht sich auf- und abbewegt. So st�rmt der Zugwind am meisten
um gro�e, alleinstehende Kirchen und l��t schon in der Legende den Teufel
da sein lustigstes Spiel treiben. Varnhagen hat F�rsten und Regierende
genug selbst gesprochen, teilt �u�erungen von erlauchten Lippen genug
selbst mit, die sein eigenes Ohr vernommen, um die Vorstellung zu
erwecken: So also be�ngstigt euch Herrschende doch die Zeit und die
tausendfache Verpflichtung, die gerade euch stets mahnend zur Seite
steht! So jagen euch die unfertigen Gestaltungen dieser irdischen Welt
hin und her; so bringt der Vorwitz und die Torheit und welche
Leidenschaft der Menschen nicht--! unabl�ssig Wirkungen hervor, deren
Ursachen wir Fernstehenden kaum ahnten! In den Zeitungen stand das alles
so kalt und so abgeschlossen fertig da, was sich hier hinter den Kulissen
so hei� siedend und wallend erst formte, so unfertig, so nur wie
vorl�ufig! Diese H�nde konnten m�chtige Fahrzeuge zimmern und doch nicht
dem Sturm und den Wellen gebieten! Wir haben seit langem nicht so auf den
Sieg des Wahren und Gerechten vertraut wie nach der Lekt�re dieser
Tagebuchmitteilungen, die uns die Gewalthaber der Erde als ebenso
hilfsbed�rftige Menschen schildern, wie wir selbst sind.




Vorl�ufiger Abschlu� der Varnhagenschen Tageb�cher (1862)


Es w�rde �berfl�ssig sein, das Erstaunen und die mannigfachen Bedenken
�ber die Existenz und die fr�hzeitige Herausgabe der Varnhagenschen
Tageb�cher zu wiederholen. Ihr �ffentliches Vorhandensein ist nun einmal
ein Begegnis wie ein Naturph�nomen, das sich aller Berechnung entzieht.
Selbst eine Anklage und vor allem die gerichtliche Verfolgung erscheint
uns im vorliegenden Falle wenig angebracht, da man nur einfach zugeben
sollte, da� es sich hier um ein literarhistorisches Ereignis, ein
psychologisches R�tsel, um eine in dem Leben eines ausgezeichneten Mannes
uns bis jetzt noch unvermittelt erscheinende Anomalie handelt. Die
Entwaffnung dessen, der durchaus entr�stet sein und bleiben will, sollte
in den Vorz�gen des Schriftstellers selbst liegen, der uns so lange Jahre
hindurch ein Muster der M��igung und des Strebens nach dem Kerngehalt der
Zeit und Welt erschien. Ihn jetzt pl�tzlich so ganz abirren zu sehen von
derjenigen Bahn, in welcher von ihm so viel Bedeutendes und Bleibendes
geleistet worden ist, das ist eine Erscheinung von so fragw�rdiger
Seltsamkeit, da� sie uns nur psychologisch, biographisch, zeitgeschicht-
lich besch�ftigen, am wenigsten Anla� geben sollte, die Herausgabe des
Buches zu einem Vergehen zu stempeln. Selbst noch das Irrgewordensein
eines bedeutenden Mannes kann ein Schauspiel bieten, das interessant und
lehrreich ist.

Bis nahe an die Grenze der Unzurechnungsf�higkeit sind allerdings diese
Aufzeichnungen aus den Jahren 1848 und 1849 vorger�ckt. Aber waren wir
denn alle, die wir jene Tage miterlebten, frei von einer krankhaften
Exaltation unsers Empfindens und Denkens? Wer h�tte nicht damals sich
mitten auf die Stra�e stellen und seine Stimme laut erschallen lassen
m�gen, um vor hereinbrechenden Gefahren zu warnen? Falsche Volksf�hrer zu
entlarven, Abtr�nnige mit feierlichem Protest dem Fluch aller Zeiten
preiszugeben? Beim Rollen und Donnern der Kanonen, bei den Salven, die
auf Volkshaufen abgefeuert wurden, beim Krachen des beginnenden
Barrikadenbaues trieb die aufgeregte Phantasie, die Liebe zum Vaterland,
zur Freiheit, ja wohl auch nur die Vorstellung von unbesonnenen,
falschen, der n�chsten Klugheit widersprechenden Ma�regeln die sonst
ruhigsten Gem�ter in die Vorzimmer der Minister, in die Kabinette der
F�rsten, um ihre Meinungen geltend zu machen. Jeder Tag brachte neuen
Z�ndstoff, um die Gem�ter in Flammen zu setzen; und was Varnhagen hier
oft nur mit kurzen Worten niederschrieb: "Es sind Schurken, Halunken,
B�sewichter!" das alles wurde oft genug von uns selbst ausgerufen oder
zwischen den Z�hnen gemurmelt. Es liegt uns die treueste, die lebendigste
Vergegenw�rtigung einer Zeit vor, die leider f�r die Wiederaufnahme
dessen, was sie uns h�tte bringen sollen, mit einem unfruchtbar und
nutzlos vor�bergehenden Jahr nach dem andern sich uns schon zu weit zu
entr�cken droht. Eine junge Generation tritt immer mehr in den
Vordergrund, ohne jene Zeit erlebt, ihre Erfahrungen benutzt zu haben. Es
w�re ein unerme�liches Ungl�ck f�r unser Vaterland, wenn die Stunde der
Erl�sung von unsern gegenw�rtigen, von den Regierungen ja selbst f�r
unhaltbar erkl�rten Zust�nden zu einer Zeit schl�ge, wo die Lehren der
Jahre 1848 und 1849 bereits vergessen w�ren.

Deshalb schon und um dieser n�tzlichen Vergegenw�rtigung der Lage willen,
in welche Deutschland bei einer verh�ngnisvollen Krisis immer wieder aufs
neue wird geraten k�nnen, sollte man das Exzentrische dieser Publikationen
mit Ruhe hinnehmen. Manche von denen, die hier als "Schurken" und
"Halunken" bezeichnet werden, leben allerdings noch, aber sie m�gen doch
nicht glauben, da� man sie um deshalb, weil sie hier so genannt worden
sind, nun wirklich daf�r halten und in der Geschichte als solche stempeln
wird. Viele davon m�gen ernsthaft genug ihr Teil verschuldet haben, aber
auch diese m�gen annehmen, da� die �ffentliche Meinung an ihre Reue und
an manche bessere Besinnung glaubt. Vor allem verr�t der Ton dieser
beiden neuerschienenen B�nde, da� der Verfasser der "Tageb�cher" wirklich
an der Zeit krank war und �ber die T�uschung seiner Hoffnungen oft sein
Herz brechen f�hlte. Die Wahrheit, mit welcher dieser Schmerz empfunden
und geschildert wird, ist in der Tat ersch�tternd und vers�hnt uns nicht
nur mit der Herbheit seiner Aufzeichnungen selbst, sondern �berhaupt mit
manchen Z�gen in Varnhagens Charakter, mit welchen wir uns fr�her nicht
hatten befreunden k�nnen. Wir begegnen hier einem Glauben an die Rechte
der neuen Zeit und an den letztlichen Sieg der Freiheit, einem Glauben an
den Wert und den Adel des Volks, wie er sich sch�ner nicht in den Werken
der ber�hmtesten Freiheitshelden, nicht reiner bei Franklin findet.

Auch diese neuen B�nde werden vielen Federn Anla� bieten, in mannigfacher
Weise auf ihren interessanten Inhalt einzugehen. Unserer Zeitschrift
fehlt dazu der Raum. Nur eine Bemerkung wollen wir nicht unterdr�cken,
die auf den politischen Charakter Preu�ens und Berlins geht. Jene Jahre
waren allerdings die der allgemeinen Verwirrung, aber am verworrensten
sah es doch wohl in Berlin aus. Wir denken hierbei nicht an die
Bassermannschen Gestalten, nicht an die ratlose, hin und her ge�ffte
B�rgerwehr, nicht an den zu allen Zeiten schwer zu bew�ltigenden
Stra�engeist Berlins, sondern an die Sph�re der Intelligenz und der
privilegierten Politiker. Letztere rekrutierten sich eigent�mlicherweise
aus frondierenden Beamten und pensionierten oder auf Disposition
gestellten Milit�rs, wie denn Varnhagen selbst ein solcher zur
Disposition gestellter Diplomat war. Das Hin und Her, das Zutragen,
Besserwissen, die Medisance, das Klatschen gerade dieser Sph�re ist so
h�chst auffallend, da� man die Gefahren des Throns weit weniger versucht
wird in der demokratischen Sph�re zu suchen als da, wo der Thron seine
St�tzen zu suchen pflegt. Eitelkeit, Unzuverl�ssigkeit, Rachsucht,
h�mische Schadenfreude verbinden sich hier mit einer m��igg�ngerischen
Phantasie, die unausgesetzt sich selbst und andere alarmiert und an einen
Nachen denken l��t, der im Sturm nur durch die Unruhe und das Hin- und
Herlaufen seiner Passagiere untergeht. Dies ist ein bedenklicher
Charakterzug jener Menschen und Gegenden, welche bekanntlich die deutsche
Hegemonie und im Fall der Gefahr unsere Kriegsf�hrung anstreben. Denkt
man sich diese spezifisch berlinisch-preu�ischen Elemente beim Beginn
eines Feldzugs oder am Vorabend einer Schlacht, so darf uns so
au�erordentlich viel Weisheit, so au�erordentlich viel (nur durch die
Furcht!) aufgeregte Phantasie, verbunden mit der im schwatzhaftesten
Dreiachteltakt gehenden Suada, die niemanden zu Worte kommen l��t,
ernstliche Besorgnisse einfl��en.



       *       *       *       *       *

III. Drei Berliner Theatergr��en




Ernst Raupach (1840)


Raupach scheint jetzt Berlin gegen�ber einen schweren Stand zu haben.
Selbst seine Freunde f�hlen sich in der Teilnahme, die sie ihm sonst zu
schenken pflegten, ersch�pft. Und doch find' ich, da� seine neuern Sachen
nicht schlechter sind, als die fr�heren, da� sie denselben Zuschnitt
haben und dieselbe Kenntnis der B�hneneffekte verraten. Sollte vielleicht
die sehr gl�ckliche Stellung dieses Mannes beneidet werden? Raupach hat
von der k�nigl. B�hne einen j�hrlichen Gehalt von 600 Talern und bezieht
f�r jeden Akt seiner Dramen au�erdem noch 50 Taler. Seine Dramen (m�ssen)
zwar nicht angenommen werden, aber sie werden es fast immer, jedenfalls
wird jedes angenommene St�ck au�erordentlich beg�nstigt und kann auf
schnel1ste Erledigung rechnen. Wie sch�ne Kr�fte k�nnten nicht f�r die
B�hne gewonnen werden, wenn man andern dramatischen Talenten nur einen
Teil dieser Beg�nstigungen zuwendete! Denn nur aus einem intimen
Anschlie�en an eine B�hne, die willf�hrig selbst schw�chere Versuche
darstellte, kann Lust und Kraft f�rs Theater gezeitigt werden. Wird man
seiner Fehler nicht ansichtig, so lernt man niemals, sie vermeiden. Da�
Raupachs Stellung f�r die in der dramatischen Literatur aufkeimende
Bewegung hemmend ist, liegt auf der Hand. Seine weitbauschigen Dramen
werden an der hiesigen B�hne nach alten eingegangenen Verpflichtungen
bevorzugt und j�hrlich nur vier solcher Dramen--und den andern ist die
H�lfte der Theater-Abende und Memorial-Vormittage entzogen.

Eine Frage ist auch die: (Was treibt Raupach, Dramen zu schreiben?) Der
Ehrgeiz, sich als Theater-Dichter zu bew�hren? Nein, er ist daf�r
anerkannt. Eine innere Notwendigkeit, ein Drang des Nichtlassenk�nnen?
Das schon eher: Ich glaube sogar, da� Raupach nach dem Ma� seiner Kr�fte
von seinen Stoffen begeistert ist. Nun wird man ihm doch gewi� noch zehn
Jahre g�nnen m�ssen: auf jedes Jahr vier Dramen: macht die Aussicht, aus
seinem unverw�stlichen Schaffenstrieb noch 40 Dramen zu erhalten! Sollt'
es nicht da eine Grenze geben? Bes��e Raupach die Vielseitigkeit eines
Kotzebue, dann w�re die Aussicht minder abschreckend. Allein immer
derselbe Stelzengang Schillerscher Geschichtsauffassung, immer dieselben
den Schauspielern desselben Theaters auf den Leib zugeschnittenen
Charaktere--man mu� das Publikum bedauern, weil es bei aller Mannig-
faltigkeit doch im Grunde nichts Neues sieht, und die Schauspieler,
weil sie die Kraft ihres Ged�chtnisses an das nur allzuleicht
Verg�ngliche verschwenden ...




Ludwig Tieck und seine Berliner B�hnenexperimente (1843)


Es best�tigt sich denn wirklich, da� nach des Sophokles "Antigone" nun
des Euripides "Medea" die Ehre hat, vom K�nigl. Hoftheater in Berlin zur
Darstellung angenommen und zu demn�chstiger Auff�hrung bestimmt zu sein.
Als den Urheber dieses Planes bezeichnet man ziemlich einstimmig den geh.
Hofrat Tieck. Mendelssohn ist bereits daran, die Ch�re zu instrumentieren.
Die Philologen freuen sich schon auf die gelehrten Abhandlungen, mit
denen sie die Spalten der Berliner Zeitungen werden f�llen k�nnen.

Die �sthetische, lebendige, durch und f�r die Zeit lebende Kritik kann
aber in diese Freude nicht einstimmen. Im Gegenteil mu� sie dieses
pseudoartistische Treiben mit gerechtem Unwillen erf�llen. Sie mu� es
unerschrocken aussprechen, da� die Vergeudung der Kr�fte, die eine solche
scheinbare Wiederbelebung des verfallenen Staubes alter Zeiten kostet,
eine unverantwortliche Beeintr�chtigung der Gegenwart ist. Ja, nicht nur
eine Beeintr�chtigung, sondern eine Beleidigung der Gegenwart.

Tieck mi�achtet unsere Zeit. Er mag sich in dieser geh�ssigen Gesinnung
gegen sein Jahrhundert gefallen, wo er will, in seinen Dresdener
Leseabenden, unter den Eichen von Sanssouci, �berall, nur nicht da, wo er
durch seinen Einflu� der Gegenwart ihr lebendiges Recht, das Recht des
Lebens, entzieht. Ja er mag auf einem Privattheater alle Dramen von
Aeschylus bis Holberg nach seinen Angaben vorf�hren lassen, nur eine dem
Volk, eine der Zeit und ihren Rechten angeh�rende B�hne sollte vor dem
Schicksal bewahrt sein, das Opfer dilettantischer Liebhabereien und
literarhistorischer Proteste gegen die Mitwelt zu werden. Ist Herr v.
K�stner schwach genug, sich freiwillig, aus Kassenzweck, solchen
Chim�ren, die seinem dramaturgischen Bildungsgange g�nzlich fremd,
hinzugeben,--so ist dies schlimm. Ist sein Einflu� so gering, da� er
unfreiwillig der gehorsame Diener der ihm angedeuteten W�nsche sein
mu�,--so ist es noch schlimmer.

Das Mittel, welches Ludwig Tieck ergreift, um unserer Zeit seine
gr�ndliche Verachtung zu erkennen zu geben, ist ein dilettantisches
Experiment, welches, auf Sand gebaut, einen Nutzen f�r Kunst und
Literatur nie und nirgends bringen kann. Wird uns "Antigone" bessere
Liebhaberinnen, wird uns "Medea" bessere tragische M�tter bringen?
Bed�rfen wir in einer Zeit, wo es der Schauspielkunst gerade an der
Wahrheit der Natur und den unmittelbaren Affekteingebungen gebricht,
jambenkundige Verssprecher und Verssprecherinnen? Bed�rfen wir zur
Belebung des Sinnes f�r h�heres Schauspiel solcher Hilfsmittel, die,
�berwiegend von der Musik unterst�tzt, durchaus ein f�r das rezitierte
Drama nur zweideutiges Ergebnis erzielen k�nnen? Ist die Weltanschauung
der antiken Trag�die eine erhebende f�r das Christentum, eine belehrende
f�r den modernen Dichter, der ein ganz anderes Fatum zu schildern hat,
als das blinde, hoffnungslose, starre antike? Werden Dichter,
Schauspieler und Publikum sich durch solche aus der Luft gegriffene
Mittel bessern, vervollkommnen, veredeln?

Ich h�re, ein derlei praktischer Nutzen w�rde auch mit den Zitierungen
jener klassischen Gespenster gar nicht bezweckt. Nun denn, so sei es die
Sache an sich, so sei es das reine Experiment des Literarhistorikers, der
befriedigte Gusto des artistischen Gourmands. Dann mu� man herzlich die
T�uschung bemitleiden, in welcher sich jeder befindet, der diese von
Lampen erhellte, im Zimmerraum eingeschlossene und von moderner Musik
unterst�tzte Trag�die f�r die griechische der alten Welt halten kann.
Deckt das Dach einer Reitbahn ab, hebt die Parkett- und Parterrepl�tze
f�r den tanzenden Chor auf, gebt etwas, das ungef�hr aussieht, wie die
Ruinen alter Theater in Rom und Sizilien, und wir wollen unsere
Gymnasiasten klassen- und c�tusweise in eure antiquarischen Spielereien
f�hren! Das, was uns da als des Sophokles "Antigone" und als des
Euripides "Medea" gegeben wird, ist aber auch nicht die Sache an sich,
ist nicht eure unschuldige Gelehrsamkeit, nicht eure harmlose Freude am
Gewesenen. Nein, einen Wechselbalg schiebt ihr uns unter mit ganz offen
polemischer Tendenz. Ihr l�gt dem Publikum ein Kunstgenre vor, das nie
existiert hat, als in eurer Eitelkeit, eurem Hasse gegen die Gegenwart,
die das Ungl�ck hat, j�nger zu sein als ihr! Um von den "G�tzen des
Tages" abwendig zu machen, erfindet ihr falsche G�tter, G�tter, die nie
existiert haben, Heroen bei Lampenlicht, �lg�tzen, �dipe mit Souffleur-
kastenbegeisterung, Kreons, die auf Abg�nge spielen, Ch�re, die sich auf
den Kontrapunkt verstehen! L�ge ist euer Beginnen, Zwitterwesen, luftige
Seifenblase, aus Tonpfeifen erzeugt! Sch�mt euch, so eure Zeit zu betr�gen
und die Kunst zu hintergehen.

Der Grundzug der ganzen literarischen Laufbahn Tiecks ist die Frivolit�t.
Frivol nenn' ich alles, was Maschine ist und sich f�r Organismus ausgibt,
alles, was Luft ist und Erde sein will, alles, was Willk�r ist und den
Schein der Notwendigkeit annimmt. Nie ist Tieck �ber das belletristische
Prinzip hinausgekommen, nie durchgedrungen zur sittlichen Idee aller
Kunst. Nie war ihm etwas anderes heilig als die Form; Inhalt war ihm
l�stig, Ernst dr�ckend, das Erhabene nur willkommen, wenn es m�glicher-
weise in den Scherz umschlagen konnte. Wer lie�e ihn nicht in dieser
seiner Art gew�hren? Er sei, er bleibe ironisch, aber die Ironie hat ihre
Grenzen. Die Ironie h�rt auf, wo die Tendenz beginnt. Wir meinen unter
Tendenz nicht irgendeine Pedanterie der Wissenschaft oder eine Tyrannei
der Kunst, wir meinen jene Tendenz vom Willen zur Tat, vom Mittel zum
Zweck, vom Anfang zum Ende. Sei ironisch im Sommernachtstraum deiner
H�uslichkeit, deiner Novellen, sei ironisch unter den Puck- und
Trollgeistern, die dich im gr�nen Waldrevier deiner Talente bewundern und
bedienen--aber la� vor den heiligen R�umen des Ernstes deine Schelmenkappe
zur�ck: Geschichte, Moral, Volksbildung, Kritik und die B�hne, was sie
jetzt ist, die B�hne als Tr�ger und Organ h�herer Sittlichkeit: das sind
Begriffe, in welcher die Ironie wenigstens nicht als Regulator auftreten
darf.

Blickt man auf Tiecks literarische Laufbahn zur�ck, so mu� sich
unwillk�rlich die Stirne runzeln. Was sieht man? Einen regen, berufenen,
reichausgestatteten Geist, der von seinen Gaben keinen Gebrauch zu machen
wei�, wenigstens keinen, der �ber einige heitere und witzige Schriften
hinausging. Das Theater schien sein n�chster Beruf. Er w�re gern
Schauspieler geworden und w�rde in dieser Laufbahn, von der ihm Schr�der
abriet, vielleicht Gro�es geleistet haben. Er persiflierte in seinen
unauff�hrbaren Kom�dien Iffland, ohne auch nur die Spur eines Ersatzes
f�r ihn geben zu k�nnen. Er und seine Genossen, die Schlegel, machten
Richtungen l�cherlich, von denen sie sp�ter eingestehen mu�ten, da� sie
noch lange nicht so verderblich waren, wie die ohnm�chtigen romantischen
Produkte, �ber welche Tieck in seinen sp�tern dramaturgischen Bl�ttern
berichten mu�te. Aus Verzweiflung, da� "Ion", "Alarcos", "Oktavian" usw.
f�r die persiflierte Richtung keinen Ersatz boten, warf man sich auf
Calderon, Shakespeare, Goethe, die man wiederum so �berpries, da� sich
zwischen Altem und Neuem f�rmlich eine un�berschreitbare Kluft �ffnete
und der Begriff des Klassischen ins Ungeheuerliche, schier
Anbetungsw�rdige erstarrte. Tieck, der das zu allen Perioden seines
Lebens Neue nur immer tadeln, das Alte aber �berschwenglich nur loben
konnte, Tieck hat bei unleugbar reichen Mitteln, bei unleugbarer
B�hnenkenntnis, nicht ein einziges B�hnenst�ck schreiben k�nnen. Nicht
ein Trauerspiel, nicht ein Lustspiel, vom Schauspiel zu schweigen, das
diese romantische Koterie nicht auf die unbesonnenste und noch jetzt, f�r
jeden Produzierenden gef�hrlichste Weise in Verruf gebracht hat. Bei so
viel Witz, bei so viel dramatischer Routine nicht ein Lustspiel! Freilich
mu� das Bewu�tsein solcher Ohnmacht an dem ehrgeizigen Manne nagen und
ihn gegen seine Zeit so mi�stimmen, da� er sich lieber in die antike
B�hne wirft, als frei und t�chtig der Gegenwart Rede zu stehen....




Madame Birch-Pfeiffer und die drei Musketiere (1846)


Herr von K�stner scheint sich als General-Intendant zu halten. Eine
Einnahme von 220 000 Talern soll lebhafter f�r ihn gesprochen haben, als
alle Verteidigungen der Presse, als s�mtliche Paragraphen seines mit
Unrecht angefeindeten "Theater Reglements". Ob diese Einnahme rein als
eine Folge der guten Verwaltung oder nicht vielmehr �berwiegend ein
notwendiges Ergebnis der gesteigerten Theaterlust und des durch die
Eisenbahnen vermittelten Fremdenzuflusses ist, steht dahin. Jedenfalls
ist es gef�hrlich, bei Kunstinstituten, die doch die Berliner Hoftheater
sein sollen, einen zu gro�en Nachdruck auf Zahlen zu legen. Die
Leidenschaft f�r "�bersch�sse" ist eine der gef�hrlichsten
Intendanten-Krankheiten. Sie kann sich in ein hitziges Fieber verwandeln,
bei welchem sich alle Begriffe von Geschmack und Kunstsinn verwirren.

Ich sagte, die neuen Berliner Theatergesetze w�ren mit Unrecht
angefeindet worden. Sie lesen sich streng, waren aber den eingerissenen
alten und den zu verh�tenden neuen Mi�br�uchen gegen�ber eine
Notwendigkeit. Bei ihrer Abfassung h�tte konstitutionell verfahren werden
sollen, d.h. die Mitglieder der K�niglichen B�hne h�tten in die
Gesetzgebungs-Kommission eine Anzahl Repr�sentanten m�ssen w�hlen d�rfen.
Aller Zeitungsl�rm und Kulissen�rger w�re durch dies konstitutionelle
Verfahren vermieden worden. Die Gesetze jedoch, die nun da sind, flossen
aus einem Bewu�tsein, das offenbar nur das Gute wollte und denselben
Willen bei jedem treuflei�igen K�nstler voraussetzte. Dagegen sich
auflehnen und einen L�rm schlagen, als wenn dem redlichen K�nstlerstreben
das Palladium der Freiheit entwendet w�re, verr�t geringe �berlegung. Die
Theatergesetze des Herrn von K�stner sind nicht ohne Fehler, aber in den
Hauptgrunds�tzen nur zu billigen.

Auch Verbesserungen des Personals scheinen wenigstens im Schauspiel
beabsichtigt zu werden. Dem Fr�ulein von Hagn soll die Last, das ganze
Repertoire auf ihrem sch�nen griechischen Nacken zu tragen, endlich
erleichtert werden. Sie f�hlt sich gewi� sehr gl�cklich, einen Teil ihrer
Rollen an andere abzugeben und, wenn sie verreist (was sie w�hrend drei
der besten Theatermonate darf), ihre Partien in andern H�nden
zur�ckzulassen als in denen ihrer Schwester Auguste. Fr�ulein Viereck ist
vom Wiener Burgtheater, das einen wahren Blumenflor der besten weiblichen
B�hnenkr�fte besitzt, nach Berlin �bergegangen, eine hohe, plastisch edle
Erscheinung, von etwas herbem Ton und noch nicht taktfest in
empfindungsvollen Modulationen des Vortrags, jedenfalls mehr die Rollen
repr�sentierend, als sie schaffend; doch wird das Talent daf�r sich schon
mit den Rollen entwickeln. Was Fr�ulein Viereck nicht besitzt, diesen
unmittelbaren poetischen Ausbruch einer "freud- und leidvoll" bewegten
weiblichen Natur, das wird Fr�ulein Wilhelmi aus Hamburg bringen, ein
Talent, das an der Elbe hochger�hmt wird und, wie man vernimmt,
gleichfalls von der gro�m�tigen Entsagung des Fr�uleins von Hagn Vorteile
ziehen wird. So bildete sich ja in Berlin ein Verein von Liebreiz und
Talent, dessen Erwerbung Herrn von K�stner alle Ehre macht. Clara Stich
f�r die Naivit�t, Charlotte von Hagn f�r die keck gestaltende, geniale
weibliche Charakterrolle, Fr�ulein Viereck f�r die Salondamen, Fr�ulein
Wilhelmi f�r die schwungvollen jugendlichen Heldinnen der Trag�die, Frau
von Lavallade f�r duldende und zur�ckgesetzte Gem�ter, Madame Crelinger
f�r die Medeen und Dr. Klein'schen Zenobien, Madame Birch-Pf----

Halt! Wir kommen aus der Sph�re des Personals in die des Repertoires; denn
es scheint, als h�tte Herr von K�stner die fruchtbare B�hnendichterin mehr
aus R�cksicht auf ihre Feder, als auf ihre Darstellungsgaben engagiert.
Sie ist ihm als Schriftstellerin ben�tigter, denn als Mimin. Er w�nschte
ihre St�cke gleich aus erster Hand zu haben und benutzte eine durch den
Abgang der Madame Wolff entstandene, allerdings gewaltige L�cke, um diese
mit Madame Birch-Pfeiffer auszuf�llen.

Ich habe die Verfasserin des "Hinko" in meinem Leben zweimal spielen
sehen. Vor dreizehn Jahren in M�nchen die Maria Stuart und vor zwei
Jahren in Frankfurt am Main Maria Theresia. Beide Male hinterlie� sie mir
einen sozusagen gro�artigen Eindruck. Es war etwas Volles, Gerundetes in
ihrer Leistung. Das klangvolle Organ sprach zwar etwas den bayrischen
Dialekt, was f�r Maria Stuart eine eigent�mliche Nuance war; aber auf
Maria Theresia pa�te ohne Zweifel die oberdeutsche Mundart; denn Maria
Theresia hat schwerlich je so gesprochen, wie ein Mitglied der
K�niglichen B�hne in Berlin sprechen sollte. Madame Birch-Pfeiffer
stattete die Kaiserin mit vielem Gem�t und mancher derben Gestikulation
aus. Kenner wollten finden, da� sie �bertreibe, andere, da� sie monoton
w�re. Genug, �ber ihre Verdienste als K�nstlerin gestehe ich, kein
Urteil zu haben.

Auch gegen ihre St�cke wage ich, selbst Dramatiker, nichts zu sagen. Sie
ist weit mehr als unsere deutsche Madame Ancelot. In Paris w�rde sie wie
der Kolo� von Rhodos das ganze Repertoire vom Od�on jenseits der Seine
bis zu den D�lassements comiques am Boulevard du Temple beherrschen. Sie
w�rde klassisch sein f�r das Th��tre fran�ais, romantisch f�r die Porte
St. Martin. Sie w�rde sich bald von ihrer eigenen Phantasie, bald von
deutschen und englischen Romanen (nicht von franz�sischen, denn dem
franz�sischen Romandichter mu� der Dramatiker sein Sujet abkaufen!)
befruchten lassen. Die B�hnenkenntnis, die Kulissen-Phantasie, die
Lampen-Rhetorik dieser Schriftstellerin ist selbst �ber eine k�hle
Anerkennung erhaben. Ihr Talent lobt sich selbst.

Dennoch ist es ein Ungl�ck, da� Herr von K�stner in seiner Bewunderung
von Madame Birch-Pfeiffer zu enthusiastisch ist. Er sollte sich darin
m��igen. Er sollte einsehen, da� ein St�ck mit folgendem Titel:

(Anna von �sterreich.

Schauspiel in vier Abteilungen und sechs Akten, nach dem Roman:

Die drei Musketiere von Alex. Dumas, frei bearbeitet von Charl.
Birch-Pfeiffer.

Erste Abteilung. Ein Taschentuch.

Zweite Abteilung. Der Musketier.

Dritte Abteilung. Der Kardinal

Vierte Abteilung. Zw�lf Tage sp�ter.)

mit oder ohne diese Titel-Aush�ngeschilder nicht auf die K�nigliche B�hne
geh�rt. Herr von K�stner sollte sich h�ten, seinen Gegnern mit solchen
Fehlgriffen die Waffen in die Hand zu geben.

Aber in der Tat! Diese drei Musketiere haben sich vom Alexanderplatz auf
den Gensdarmenmarkt verirrt und werden, statt �ber die K�nigsst�dter �ber
die K�nigliche B�hne schreiten. Die Rollen sind ausgeteilt. Hendrichs,
D�ring, die Hagn, die Crelinger, die besten Truppen r�cken f�r Alexandre
Dumas und seine in die Uniform der Madame Birch-Pfeiffer gesteckten drei
Musketiere ins Feld. Herr von K�stner glaubt die hohe Aufgabe, j�hrlich
sich mit 220 000 Talern zu "rechtfertigen", nur durch ein solches
Repertoire l�sen zu k�nnen. Wenn auch Graf Br�hl sich im Grabe umdrehen
sollte, wenn auch Graf Redern, auf dem Trottoir Unter den Linden einen
Augenblick still stehend und den neuesten Theaterzettel an einer
Stra�enecke lesend, l�cheln, h�chst ironisch l�cheln sollte, Herr von
K�stner f�hrt doch die drei Musketiere der Madame Birch-Pfeiffer auf!

Fr�her war das Verh�ltnis so: Wenn Madame Birch-Pfeiffer ein St�ck
gezeitigt hatte, so kam es an die General-Intendantur. Graf Redern sah,
ob diese Arbeit von der fruchtbaren Schriftstellerin selbst herr�hrte
oder ob sie sich, wie K�hne sagte, wieder einen Roman "eingeschlachtet"
hatte. Die Originalversuche, z.B. "Rubens in Madrid", "Die G�nstlinge"
usw. wurden mit Courtoisie angenommen und gegeben; die "W�rste" aber
gingen hin�ber in die K�nigsstadt. Dort wohnten die Hinkos, die
Pfefferr�sels, die Scheibentonis und wie die edlen Gestalten alle hei�en,
die Madame Birch-Pfeiffer nicht selbst geschaffen hat, sondern aus den
Romanen Storchs, D�rings, Spindlers, Bulwers usw. mit der daranh�ngenden
Handlung entlehnte. Auch die drei Musketiere w�rde Graf Redern (nicht als
Kavalier, sondern als Kunstrichter!) in die K�nigsstadt geschickt haben.

Herr von K�stner, der noch kein einziges Drama von Julius Mosen gegeben
hat, befolgt ein anderes System. Er wirbt die drei Musketiere bei sich
an, stattet sie mit Glanz aus und w�rde auch "Den ewigen Juden", wenn ihn
Mad. Birch-Pfeiffer "bearbeitet" h�tte, ohne Zweifel f�r sich behalten
haben. Ich meine nun, dieses System w�re sehr verwerflich und der
allgemeinsten Entr�stung w�rdig. Ich meine, die Vorgesetzten des Herrn
von K�stner m��ten ihm entschieden andeuten, da� es dem preu�ischen
Staate mit den 220 000 Talern oder, anders ausgedr�ckt, mit dem
�berschusse von einigen tausend Talern nicht so dringend w�re. Ich meine,
da� sogar Mad. Birch-Pfeiffer so bescheiden h�tte sein und sagen k�nnen:
"General-Intendant, Sie revoltieren die Presse! Geben Sie die St�cke, die
schon zehn Jahr im Pulte der Regie liegen! Machen Sie mir keine Feinde!"
Allein Macht und �bermut gehen Hand in Hand. Die Leute dort denken:
Solange wir im Rohre sitzen, schneiden wir uns unsere Pfeifen ...

Deshalb weise Herr von K�stner seinen �ber die Ma�en protegierten
G�nstling in die Schranken, die ihm geb�hren! Vielleicht glaubt man
mir's, vielleicht nicht, da� ich mit schwerem Herzen an die Abfassung
dieser Zeilen gegangen bin. Ich achte jedes wahre Talent auf der Stufe
seines Wertes. Ich habe noch nie gegen Mad. Birch-Pfeiffer geschrieben;
ich g�nne ihr alle nur erdenklichen Erfolge ihrer resoluten Feder; ich
will mich am wenigsten auf eine Analyse ihrer Original-Dramen einlassen,
ich will nicht spotten und selbst f�r die ironischen Stellen dieses
Protestes um Nachsicht bitten. Aber die herbste Mi�billigung treffe Herrn
von K�stner, der monatelang keine Neuigkeiten auff�hrt, in den Berliner
Zeitungen offiziell das Publikum von dieser oder jener maskierten
Vorbereitung unterh�lt und dann pl�tzlich in aller Stille, zur
g�nstigsten Theaterzeit, mit einer Birch-Pfeifferiade, die in die
K�nigsstadt geh�rt, hervortritt! Werden die Berliner Zeitungen das in der
Ordnung finden? Werden sie alle vor "den drei Musketieren" ins Gewehr
treten? Ich f�r mein Teil, selbst wenn ich nie eine Zeile f�r die B�hne
geschrieben h�tte, w�rde es unverantwortlich finden, da� die Berliner
Hofb�hne diesen, aus schn�der Gewinnsucht oft in nicht vierundzwanzig
Arbeitsstunden zusammengeschriebenen Fabrikenkram in ihr Repertoire
aufnehmen darf.


       *       *       *       *       *


IV. Aus dem literarischen Berlin




Der Sonntagsverein (1833)


Wer kennt nicht den Berliner Sonntagsverein, den Rival der
Mittwochsgesellschaft? Wenigstens ist es noch nicht vergessen, da� der
wirkliche Geheime Intendanzrat Saphir vor vier, f�nf Jahren in Berlin
jenen ersten Verein gr�ndete und ihn witzig nicht die sondern den
Sonntagsgesellschaft nannte, um jede Beziehung auf die Sontag in diesem
Namen zu unterdr�cken und bei der Nachwelt der Vermutung zuvorzukommen,
als sei Willibald Alexis, der Enthusiast, jenes Vereins Stifter gewesen.
Saphir wu�te diese Gesellschaft bald zu bev�lkern. Die Zahl seiner
Sch�ler und Verehrer war beinahe ebenso gro� als die seiner Feinde.
Saphir zeigte, da� der Witz nichts gelernt zu haben brauchte, da� die
Phantasie alle L�cken ausf�lle und der G�tterfunke auf keine
Schulzeugnisse sehe. Das war das Signal zu einer Autorensaat, die aus den
seinen Gegnern ausgeschlagenen Z�hnen aufwuchs und sich mit Begeisterung
unter seine Fahne stellte.

Die Seidenwarenh�ndler in der Breiten Stra�e tobten, da� ihre
Ladendiener, statt die Waren richtig zu messen, Versf��e ma�en, um
Scharaden, Logogriphe und R�tsel zu machen, die sie am folgenden Tage mit
klopfendem Herzen in Saphirs Bl�ttern abgedruckt sahen. Die Kopisten auf
dem Stadtgerichte sollten Ehescheidungsdekrete, Verf�hrungsgeschichten
und Schl�gereien ins Reine schreiben und �bten sich in der literarischen
Polemik, mit der sie dem Satir in der Behrenstra�e immer willkommen
waren. Die Studiosen, die bei Savigny die Pandekten h�rten, machten
humoristische Ausfl�ge und beschwerten das Felleisen der "Schnellpost"
und des "Couriers", dieser weltbekannten Institute ihres gro�en
Generalpostmeisters. Gar nicht zu erw�hnen, da� f�r die Juden ein ewiges
Laubh�ttenfest der Poesie angebrochen war, da� sie sich ihre satirischen
Adern �ffnen lie�en und unter dem Schutze ihres gro�en Messias alles
taten, wozu er selbst sie die Handgriffe lehrte. Damals bl�hte die
Sonntagsgesellschaft und trug herrliche Fr�chte, von denen sie zum Besten
der �berschwemmten vor Jahren einige Spenden bekannt machte. Sp�ter kam
die Gesellschaft unter den Vorsitz meines liebensw�rdigen Freundes
Oettinger. Dann kam die Reihe an die Letzten, um die Ersten zu werden.
Diese sind auch noch heute der Stamm, sie haben sich von Saphir
emanzipiert und h�ren nicht gern, da� man sie an die Schule ihrer Talente
erinnert. Die beiden vorliegenden B�nde ["Rosetten und Arabesken.
Novellen, poetische Gem�lde und satirische Skizzen der j�ngern
Serapionsbr�der. "] f�hren den Nebentitel "Spenden aus dem Archive des
Sonntagsvereins" und geben den Ma�stab f�r das, was dieser war, ist und
sein k�nnte.

Zwanzig K�pfe haben hier ihre Phantasien, ihre Ideen, ihre Einf�lle und
Ausf�lle mitgeteilt. Jede Kunstform hat ihren Repr�sentanten gefunden,
und man ist zweifelhaft, nach welchem Gesichtspunkte man die gro�e Zahl
sondern soll. Darf ich nach den Vornamen gehen? Dann k�men z.B. Ludwig
Schneider und Ludwig Liber zusammen, die freilich auch zusammen geh�ren,
weil sie k�rzlich mit zwei gro�en goldnen Verdienstmedaillen belohnt
worden sind, Ludwig Schneider (auch Both genannt), der das Glaubens-
bekenntnis eines Landwehrmanns geschrieben hat, und Lieber Ludwig, wollt'
ich sagen, Ludwig Liber, von dem "Herzensergie�ungen �ber die richtige
Mitte" ausgegangen sind. Doch, wie gesagt, das ist alles zu weitl�ufig
und ich begn�ge mich nur anzuzeigen, da� diese beiden B�ndchen eine
Musterkarte von Trivialit�ten, geistlosen Gedankensp�nen, kurz von
literarischen Berolinismen sind, einzelne Sachen von Heinrich Smidt, W.
Fischer und selbst Schneider ausgenommen. Und selbst der Mittlere sagt
in einem Neujahrsliede zum Jahre 1832:

Es schwand ein Jahr, und welch ein Jahr vor�ber! Vergebens sucht Ihr es
im Buch der Zeit!

Wie billig, fragt man den Verfasser, wo es denn geblieben sei? Solcher
Ungereimtheiten findet man zu Dutzenden. Die "satirischen Kleinigkeiten"
von Wilhelm John erregen allerdings Gel�chter, weil sie bewunderungs-
w�rdig fade sind. Man h�re: "Die Erfahrung der letzten Zeit hat gelehrt,
da� Enthusiasten h�ufig Esel, aber Esel niemals Enthusiasten sind.
Hieraus k�nnte man schlie�en, der Enthusiasmus sei eine solche Eselei,
da� sich nur Enthusiasten, aber keine Esel dazu verstehen k�nnen." Wie
dumm! Ferner: "Die gr�bsten Ausf�lle werden gew�hnlich am meisten gegen
diejenigen gerichtet, welche die feinsten Einf�lle haben." Ich h�tte
Lust, das erste Glied dieses Satzes wahr zu machen, wenn unser John Bull
es nur mit dem zweiten k�nnte. Ferner: "Der Witz des P�bels gleicht
mitunter dem rohen Metall, das nur der Politur bedarf, um zu gl�nzen."
Herr John, Sie werden doch nicht auf sich selbst sticheln? "Die Sucht,
originell zu sein, hat das Originelle an sich, da� sie Narren bildet."
Ach! Es ist genug.

Die Metamorphose von Herrn Smidt ist eine geistvolle Phantasie, die dem
Verfasser Ehre macht. Doch kommt von den Novellen keine �ber dies
Mittelma� hinaus.




Cypressen f�r Charlotte Stieglitz (1835)


Heraus aus deinem Schneckenhause, du deutscher Gallert, Volk genannt!
Heraus aus deinen ohnm�chtigen Zweideutigkeiten, du lederh�utiger Eunuch!
Was wollt Ihr mit Moral, mit dem Stolz auf Eure gesunde, rotb�ckige,
l�chelnde Vernunft? Wie weit kommt Ihr mit Eurem Achselzucken, Eurer
Pr�derie und Eurer sittlichen Tr�gheit, die sich gern auf die gro�en
Fragen der Weltgeschichte streckt und sich damit br�stet, die kleinste
Pfeife der gro�en Orgel zu sein? Eure Grunds�tze sind morsch geworden,
da Ihr sie in den Boden der Geschichte nicht mit brennenden Spitzen
eingepf�hlt habt. Zitternd m��t Ihr f�hlen, da� Ihr bei dem ewigen
Sichhingeben, gleichviel ob an die Ordnung der Dinge, wie sie ist, oder
wie sie ver�ndert werden soll, recht klein, zusammengeschrumpft,
unbedeutend und nichts als eine Zahl zu andern Tausenden geworden seid!
Ihr erschreckt, da� es noch Menschen gibt, welche den innern Proze� der
Seele durchmachen; die mit blutigem Schwei�e daran arbeiten, in den
Geheimnissen des Geistes ein Geb�ude aufzubauen, und sich lieber unter
seinen Tr�mmern begraben, als da� sie die Welt so hinn�hmen, wie sie auf
der Stra�e, in der Schule, in der Kirche, in der Konversation Euch
geboten wird! Seit dem Tode des jungen Jerusalem und dem Morde Sands ist
in Deutschland nichts Ergreifenderes geschehen, als der eigenh�ndige Tod
der Gattin des Dichters Heinrich Stieglitz. Wer das Genie Goethes bes��e
und es schon aushalten k�nnte, da� man von Nachahmung sprechen w�rde,
k�nnte hier ein unsterbliches Seitenst�ck zum "Werther" geben. Denn es
sind ganz moderne Kulturzust�nde, welche sich hier durchkreuzen, und doch
ist der Grabesh�gel, der aus ihnen hervorragt, wieder so sehr Original,
da� die Phantasie des Dichters nicht lebendiger befruchtet werden kann.

Ein Geistlicher hat an dem winterlichen Grabe dieses Weibes �ber ihr
Beginnen den Fluch ausgesprochen. Es war seines Amtes. Aber wir sind
nicht alle ordiniert und auf das Symbol geschworen, und doch h�rt man
rings von ungeheurer Verwirrung summen, von Nervenschw�che, von falscher
Lekt�re und alles schl�gt sich stolz an seine Brust, die etwas aushalten
kann, und kehrt pfiffig die Eingeweide seines Verstandes heraus, um zu
zeigen, wie gesund, ohne Verknotung, ohne allen Mangel sie sind: Und sie
zeigen lachend die Matrikel ihres Lebens, das sie in Gotha beim Geheimrat
Arnoldi versichert haben, und furchtsame, aber k�hne Philosophen
behaupten den alten elenden Satz, da� Selbstmord die unzul�nglichste
Feigheit verrate. Wenige nur ahnen es, da� hier eine ungeheure
Kulturtrag�die aufgef�hrt ist, und die Heldin des St�ckes bis auf den
letzten Moment f�r zurechnungsf�hig erkl�rt werden mu� vor dem Tribunal
einer Meinung, die die Wehen unsrer Zeit versteht. Es gilt hier �berhaupt
nicht das Urteil, sondern die Erkl�rung.

Das erste Motiv des tragischen Aktes ist auch hier die Liebe; denn es war
ein Opfer, das das hehre Weib ihrem Manne brachte. Aber diese Liebe war
eine volle, ges�ttigte; eine Liebe, die sich an gro�en Tatsachen erw�rmt,
und welche allein imstande ist, M�nner zu begl�cken. Es war nicht eine
allgemeine, durch das Band der Gewohnheit zusammengehaltene Neigung, die
bei den meisten Frauen sich zuletzt auf die Tatsache der Kinder wirft,
und von diesen aus den Mann mit einem matten aber treuen Feuer umf�ngt.
Es war noch weniger jene egoistische Liebe der Sch�nheit, die nur um
ihrer selbst willen sich hingibt, wo sie Anbetung findet. Sondern das
h�chste Ideal der Liebe lag hier vor; eine objektive, fundierte,
angelegte Liebe; eine Liebe, die sich auf Tatsachen st�tzt, welche f�r
beide Teile des Bandes gemeinschaftlich waren, auf eine Weltansicht, auf
wechselseitige Zul�nglichkeit und auf das Lebensprinzip des Wachstums und
des Erkenntnisses. Diese Liebe war erf�llt, sie hatte Staffage. Beide
Teile standen sich gleich und Eins durfte f�r das Andre nicht verantwort-
lich sein. Ideen vermittelten hier Ku� und Umarmung. Sinnlicher Platonismus
wartete hier; und ich glaube, die jungen M�nner des Jahrhunderts werden
nicht eher gl�cklich sein, bis nicht die Liebe �berall wieder diesen
idealen Charakter angenommen hat, den sie sogar vor vierzig Jahren schon
hatte.

Charlotte hatte vor dem Todessto�e in Rahels Briefen gelesen. Rahel w�rde
ihren Gemahl niemals haben so ungl�cklich machen k�nnen, denn sie wollte
keine Resultate, wie Charlotte; sie ergab sich nur dialektischen
Umtrieben, dem Genu�, die Dinge von einem ihr nicht angebornen Standpunkt
anzusehen: Rahel zog, wie Lessing, das Suchen der Wahrheit der Wahrheit
selbst vor. Charlotte kannte diese Resignation des Gedankens nicht: sie
war kein Z�gling der Frivolit�t, wie Rahel, zu deren F��en einst die
Mirabeaus und Catilinas des preu�ischen Staates und der Periode 1806
gesessen hatten. Rahel war Negation, Brillantfeuer, Skeptizismus und
immer Geist. Sie nahm keinen Gedanken auf, wie er ihr gegeben wurde;
sondern w�hlte sich in ihn hinein und zerbr�ckelte ihn in eine Menge von
Gedankensp�nen, welche immer die Form des Geistreichen und ein Drittel
von der Physiognomie der Wahrheit hatten. Rahel unterhandelte mit dem
Gedanken: sie war kein Weib der Tat: wie kann sie Selbstmord lehren!
Charlotte war Position, dichterisch, gl�ubig und immer Seele. Sie beugte
sich vor den Riesengedanken der Zeit und der Tatsache, und ihr Geist fing
erst da an, wo es galt, sie zu ordnen. Charlotte war System: und weil sie
nicht alles kombinieren konnte, was die Zeit brachte (k�nnen wir's?), so
blieb ihr nichts �brig, als ihr gro�er, starker, g�ttlicher Wille.
Charlotte konnte sterben auch ohne die Rahel. Wie aber und wodurch alles
bis auf diese H�he kam, wird nur durch Heinrich Stieglitz einzusehen
sein; denn wir sagten schon, da� hier nichts ohne die Liebe war.

Heinrich Stieglitz, wie man ihn sieht im braunen Rock und Qu�kerhut,
luftdurchschneidend, in stolzer und berechneter Haltung, ging aus den
Bildungselementen hervor, welche vorzugsweise die Berliner seit zehn
Jahren charakterisiert haben. Er liebte Hegel, Goethe, die Griechen, die
Philologie, die preu�ische Geschichte und die deutsche Freiheit,
russisches Naturleben, polnische Begeisterung, alles ineinander und
nebenbei mu�te er auf der K�nigl. Bibliothek in Berlin mit Bedienten und
Dienstm�dchen verkehren, welche f�r ihre Herrschaft die entlehnten B�cher
holten, �ber welche er das Register f�hrte. Himmel, Erde und H�lle lagen
hier ziemlich nahe. Wo Einheit? Wo Ziel und Ende? Stieglitz dichtete; man
wollte nicht zugeben, da� er originell war. Es ist alles so �d und trist
in Deutschland: die Dinge sind alle Geschmackssache geworden, und da, wo
in der Restauration Geist, Leben oder meinetwegen auch nur das Aufsehen
war und die Tonangabe, fand Stieglitz schneidenden Widerspruch. So geriet
er, der mit Hafizen schwelgte und auf den asiatischen Gebirgsr�cken
sattelte, in Gefechte mit Saphir! Seine Ideale wurden profaniert. Menzel
wies ihn kalt zur�ck, weil er keine Originalit�t antraf. Die
Julirevolution brach an und ergriff auch seine Muse, wie seine Meinung.
Da erschienen die "Lieder eines Deutschen", vom Tiersparti verg�ttert,
und doch vom Repr�sentanten des Tiersparti, von Menzel, wiederum nicht
anerkannt. Wo ein Ausweg? Stieglitz liebte die Goethesche Poesie und die
Freiheit und konnte keine Br�cke finden. Er f�hlte sich unheimlich in dem
Systeme des Staates, der ihn besoldete; denn die Fragen der Welt fanden
Eingang in sein empf�ngliches Herz. Aber auch hier wieder soll alles
Meinung, Wahrheit und die Prosa der Partei sein. Ist die Freiheit ohne
Sch�nheit? Kann man nicht mehr Dichter sein und Stolz der Nation, wie es
fr�her war, wo der alte Grenadier sang? Ach, der ungl�ckliche Dichter
ging noch weiter in seiner Verzweiflung. Er sa� im Schimmer der
n�chtlichen Lampe, Ruhe auf der Stra�e, das wei�e Papier, das
Leichenhemde der Unsterblichkeit, durstig nach Worten der Unsterblichkeit
vor ihm. Im Nebenzimmer schlug Charlotte zuweilen auf das Klavier an. Der
Dichter weinte. Denn war ihm eine andere Leiter zum Himmel im Augenblicke
sichtbar, als die, welche sich aus einem solchen zitternden Tone
aufbaute? Wo Wahrheit? Wo Licht, Leben, Freiheit? Wo alles, was man haben
mu�, um ein gro�er Dichter zu sein? Wo der Ha� eines Dante, rechter,
tiefer, ghibellinischer Ha�; nicht jener Ha�, den wir ungl�ckliche Kinder
unsrer Zeit mit einer seltsamen Eiskruste unsrer von Natur weichen Herzen
affektieren? Wo die Blindheit eines Milton? Wo der Bette1stab Homers? Wo
die Situation eines Byron, geschaffen aus eignem Frevel und der
rikoschettierenden Rache des Himmels? Wo Wahrheit und ein gro�es,
stachelndes, ungl�ckliches Leben? Ach, nichts als L�ge, als heitrer
Sonnenschein, reichliches Auskommen und der Bekanntschaft l�stiger
Besuch. Der arme Heinrich liegt krank an der Miselsucht, wo ist des
Meyers Tochter, die sich f�r ihn opfre? Ich meine es treu mit diesen
Worten und f�hle, welche tragische Wahrheit in ihm liegt. Sie dr�ckt den
Schmerz unsrer poetischen Jugend aus, von der die altkluge �ffentliche
Meinung verlangt, da� sie sich zusammenscharen solle und sich
aneinanderreihe, um das zu besingen, was die Weltgeschichte dichtet. So
f�hl' ich es wenigstens: vielleicht dachte Stieglitz anders. Vielleicht
dachte er an seine Verse und abstrahierte vom Momente; vielleicht dachte
er an die Stellung in der Literaturgeschichte und an die Sonderbarkeit,
da� gerade Homer, Virgil, Ariost, Petrarca zu ihrer Zeit so viel gemacht
haben; vielleicht dachte er nur an die Pers�nlichkeit, wie sie zu allen
Zeiten unabh�ngig von den Zeiten, dichterisch sich ausgesprochen hat: er
fand, da� man eine gro�artige Staffage seines Schicksals haben m�sse, um
originell zu sein in der Lyrik, erhaben im Drama, interessant im
Infanteristenausdruck, in der oratio pedestris; und lechzte nach einem
Ereignis, das sein Inneres revolutionieren sollte.

T�richt, wenn man Stieglitz den Vorwurf macht, da� er seine Gattin in
diesen Strudel hineinri�. Sie mu�te wissen, was seine Stirn in Runzeln
zog, und mu�te teilen, was an seinem Wesen nagte. Sie stand auf der H�he,
sein Ungl�ck zu begreifen. Sie f�hlte wohl, da� dem Manne eine Staffage
seiner Begeisterung fehlte. Das gew�hnliche Geschw�tz der Tanten, welche
ein Interdikt legen auf Ann�herungen zwischen ihren Nichten und
sogenannten Sch�ngeistern, Kraftgenies und Demagogen, die Philisterei
gro�er und patriotischer St�dte, welche ihren T�chtern nur angestellte
und offizielle J�nglinge zu lieben erlaubt und jedem Manne, der B�cher
macht, den Rat gibt, unbeweibt zu bleiben, der lieben Kinder, des Brotes
und auch der Poesie selbst wegen, welche ja besser gedeihe ohne
b�rgerliche R�cksichten und Witwenkassen; diese ganze Misere kam nicht in
Charlottens Seele. Es ist ganz falsch, ihr lieben geschw�tzigen
Robberspielerinnen und Ehefrauen aus der gem��igten Zone, wenn ihr
glaubt, die n�rrische Doktorin Stieglitz, das beklagenswerte Wesen, habe
sich deshalb beendigt, um ihrem Manne Ruhe zu schaffen, aus dem Bereich
der vierw�chentlichen W�sche zu bringen und ihm die Sorgen zu ersparen:
Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Daran dachte sie nicht, die
stolze Seele. Nicht Ruhe, sondern Verzweiflung g�nnte sie ihrem Manne.
Sie gab sich als Opfer hin, nicht um ihn zu heilen, sondern in recht
tiefe Krankheit zu werfen. Sie wollte seiner Melancholie einen grellen,
blutroten, und ach! nur zu gewissen Grund geben. Sie wollte ihn von der
L�ge befreien und gab sich hin dem Tode, jung, liebreizend, mitten im
Winter gleichg�ltig gegen die Hoffnung des Fr�hlings, resigniert auf den
gewi� noch langen Faden der Parze, bereit, das f�rchterliche Geheimnis
des Todes zu erproben, lange, lange vor dem M�ssen, resigniert auf jede
Freude und Anmut, welche in der Zukunft noch f�r sie liegen konnte.

Die Tat ist geschehen. Das Grab ist still. Schnee bedeckt den H�gel. Die
Neugier ist befriedigt. Was soll man schlie�en? Ihr nichts: wir alle
nichts. Was soll Heinrich Stieglitz? Armer �berlebender! Du bist ein
ungl�cklicher Rest. Aber dein Ungl�ck, das nun da ist, ist ohne Energie.
Dein Ungl�ck �berragt dich! Du bist ihm nicht gewachsen. Was wirst du
tun? Die ungeheure Tat besingen? Gewi�, ein Totenopfer steht dir an.
Dante h�tte dieser Anregung nicht bedurft; Goethe gar nicht. Wil1st du
die Tatsache �berwinden, sie aufnehmen in dein Blut und unterbringen in
den Zusammenhang deiner Gedanken, so mu�t du so gro� sein, wie dennoch
Dante und Goethe. Wirst du �ffentlich von dem Opfer zehren, das im
Geheimen dir die Liebe gebracht hat? Ich beschw�re dich, bring' an das
Risiko deiner Verse nicht den gewaltigen Schmerz heran, den du
empfindest! In dem Ganzen liegt zu viel Dem�tigung, da� nicht das Ende
eine Kom�die sein k�nnte. Wahrlich, Poesie ist nun hier nichts mehr; das
Motiv und die Staffage ist gr��er als das, was sich darauf bauen l��t. Es
ist nicht mehr die Welt, in der hier etwas Seltnes vorgegangen ist,
sondern ein enger Raum von vier W�nden, eine B�hne von drei W�nden; denn
es ist eine Trag�die. Aber noch ist die Trag�die nicht vol1st�ndig. Ein
Gedicht rundet sie nicht ab.




Diese Kritik geh�rt Bettinen (1843)

(Nil divini a me alienum puto.)


Wie man nach einem Mittagsmahle, wo man beizende Speisen zu sich genommen
hat, die uns austrocknen und einen brennenden, kaum zu ertragenden Durst
erzeugen, einen Trunk des reinsten, erquickendsten Quellwassers die
verschmachtende Kehle hinuntersch�ttet und mit Wollust die benetzte Lunge
zum Atmen ausdehnt, so erquickt, so erfrischt das neue Buch Bettinens. Im
Kristallglase ihrer stilistischen Sch�nheiten, mit all den wunderlichen,
eingeschliffenen Blumen ihrer gewohnten Darstellungsweise kredenzt die
anmutige Zauberin uns diesmal nicht etwa berauschenden Schaumreiz, der
uns die Welt im phantastischen Rosenlichte zeigen soll, nicht s�dliches
Rebenblut, durchduftet von den Bl�ten des Orients oder gew�rzt von
zersto�enen Perlen der M�rchenwelt, sondern diesmal nur reine, frische
Quellflut, reines kristallhelles Na� vom Borne der Natur, aus der
Zisterne der gesunden Vernunft. O welche Labung, dies herrliche,
gedankenklare, gesinnungsfrische Buch! Nach so viel tausend gew�rzten
Speisen, die uns die Philosophie dieser Tage aufgetischt hat, nach dieser
t�glichen salzigen Heringskost unserer modernen Literatur, nach diesem
ewigen Sauerkohl unserer philisterhaften Denk-, Schreib-, Lese- und
Lebensmethode ein solches Buch! Ein solcher Trunk aus den Bergen, ein
volles Glas, wo die Felsen-K�hle mit tausend Tropfen die innere Wand
beschl�gt! All ihr modernen Rheinweinpoeten und knallenden
Champagners�nger, das konntet ihr nicht geben, was Bettina gibt, Labung
und K�hlung, Erquickung und St�rkung, Trost f�r das Vergangene und Mut
f�r das Werdende!

Das neue K�nigsbuch dieser merkw�rdigen Frau ist kein Buch in dem Sinne,
da� es wie herbstliches Gebl�tter eine Weile raschele und unterm
Winterschnee vergessen sein wird, sondern es ist ein Ereignis, eine Tat,
die weit �ber den Begriff eines Buches hinausfliegt. "Dies Buch geh�rt
dem K�nig", es geh�rt der Welt. Es geh�rt der Geschichte an, wie Dantes
"Kom�die", Macchiavellis "F�rst", wie Kants "Kritik der reinen Vernunft".
Es sagt Dinge, die noch niemand gesagt hat, die aber, weil sie von
Millionen gef�hlt werden, gesagt werden mu�ten. Man wird diese Dinge
bestreiten, man wird des Frauenmundes, der sie ausspricht, spotten und
man bestreitet und spottet schon lustig in den Allgemeinen und gemeinen
Zeitungen unserer Tage. Aber bei Erscheinungen dieser Art hei�t es, das
starke Ende kommt nach. Mit des k�hnen Strau�' "Leben Jesu" ging es
ebenso. Vor dem wahrhaft Bedeutenden erschrickt man erst, ehe man vor ihm
niederf�llt.

Wer noch nicht nach den beiden kleinen B�nden gegriffen hat, wer noch
schwankt, ob man ein Buch interessant finden soll, das man nicht wie
einen Roman in einem Zuge, sondern in den "bekannten sieben Z�gen", wie
die Studenten sagen, trinken und allm�hlich in sich aufnehmen mu�, dem
diene folgendes als Erl�uterung: Das merkw�rdige Buch tr�gt seinen
persischen Titel wirklich mit vollem Recht. Es ist keine Affektation in
diesem Titel. Dies Buch geh�rt wirklich dem K�nig und mu�te so hei�en,
durfte nicht anders. Es ist ein Brief, ein offener Brief, an den K�nig
geschrieben und geradezu an Friedrich Wilhelm IV. Es ist eine Adresse der
Zeit, von einem Weibe, einer mutigen Prophetin verfa�t, und deshalb von
Tausenden von M�nnerunterschriften bedeckt, weil Bettina hier nur das
Organ einer allgemeinen Ansicht, die k�hne Vorrednerin ist, die Jeanne d'
Arc, die nicht mit ihrem Arme, sondern mit ihrer Begeisterung, mit ihrem
Glauben das Vaterland retten will. Traurig genug, da� nur ein Weib das
sagen durfte, was jeden Mann w�rde hinter Schlo� und Riegel gebracht
haben. In diesem wunderbaren Zusammentreffen von Umst�nden, in diesem
Zufall, da� eine Frau, der man die "Wunderlichkeit" ihres Genies und
ihrer gesellschaftlichen Stellung wegen nachsieht, aufsteht und eine
Kritik unserer heutigen Politik, eine Kritik der Religion und der
Gesellschaft ver�ffentlicht, wie sie vor ihr Tausende gedacht, aber nicht
einer so resolut, so heroisch, so reformatorisch-gro�artig ausgesprochen
hat, darin liegt etwas, was g�ttliche Vorsehung ist. Dem bedr�ngten
Kampfe der Zeit ist ein Engel mit feurigem Schwerte zum Entsatz gekommen.
Windet Euch, baut B�cher auf B�cher auf, sprecht Anathema �ber Anathema,
die Macht einer Inspiration, die Macht einer Offenbarung, ausgesprochen
in einem Weibe, das keine Professur, keine Ehre und irdische Anerkennung
haben will, diese Glut einer �berzeugung, die sich wie ein feuriger Strom
durch die Lande w�lzen wird, ist nicht zu d�mpfen, nicht auszul�schen.
Den Handschuh f�r die Freiheit wirft hier die Poesie hin; die Poesie ist
immer ein Ritter, gegen den alle Streiche in die Luft fahren.

Bettina geh�rt zu denen, die ohne Falsch wie die Tauben, aber auch klug
wie Schlangen sind. Sie redet zun�chst nicht zum K�nig von Preu�en. Sie
malt zwar seine Politik, die Politik seiner Ratgeber, sie malt einen
Minister nach dem Leben, aber, ihrer Poesie und dem "Anstand" gem��,
kleidet sie ihre Polemik in das Gewand der Allegorie. Sie spricht
scheinbar von anno 7, scheinbar von Frankfurt am Main, scheinbar von
Napoleon und l��t die Frau Rat, Goethes Mutter, statt ihrer reden.
Sentimentale und Tart�ffe-Gem�ter, die immer wollen, da� man die Sachen
von den Personen scheidet und deren steter Jammer die "Indiskretionen"
sind, werden es schreckhaft finden, wie man der in geweihter christlicher
Erde auf dem Frankfurter Friedhof schlummernden Frau Rat die
Verantwortung so himme1st�rmender Gedanken, wie Bettina ihr in den Mund
legt, andichten kann. Wer aber zu Schleiermachers F��en gesessen, wei�,
welche Rolle Sokrates in Platons Dialogen spielt. Xenophon, der auch vom
Sokrates berichtet, mag den anregenden Lehrer nur die Dinge reden lassen,
die er wirklich gesprochen hat, Plato aber machte aus Sokrates einen
Begriff, eine poetische Individualit�t, wie sie der Dramatiker schafft.
Sokrates spricht beim Plato, was Plato will. Und Sokrates wird daf�r im
Jenseits nicht mit Plato z�rnen. Der Vater ist verantwortlich f�r den
Sohn, der Staat f�r den B�rger (Bettina f�hrt diese Pflicht mit
besonderer Vorliebe aus), der Lehrer f�r den Sch�ler. Von gro�en Menschen
bleiben die Genien nachwirkend und leben fort in dem, was aus ihrem Geist
geboren wird. Und so ist auch jenes D�monion, jene h�here Weihe und
pl�tzliche Offenbarung, was der Frau Rat innewohnte, wie dem Sokrates,
nicht mit ihr verweht und verflogen, sondern hat mit geisterhaften
Fittichen auch ihren Sohn Wolfgang umrauscht und umrauscht noch jetzt
Bettinen, die es wagen darf, den k�hnen Heldengeist jener Frau mitten
unter den Truggespenstern des Tages zu zitieren und sie von den Grimms,
von Ranke, von Humboldt reden zu lassen, als wenn sie vom Pfarrer Stein
und dem B�rgermeister von Holzhausen redete.

Der erste Band des K�nigsbuches ist der Religion, der zweite dem Staate
gewidmet. Die Beweisf�hrung in beiden ist die des urspr�nglichsten
Radikalismus. Ein Geist, gefesselt seit Jahrhunderten an Vorurteil, Lug
und Trug, ein Genius, niedergehalten von tausend R�cksichten der
Selbstt�uschung und Denkohnmacht, scheint sich hier zu erheben, wie
Pegasus aus dem Joche auffliegt mit seinen gefl�gelten Hufen, der Bahn
der Sonnenrosse zu. Wie die rosenfingrige Eos streut Bettina Morgenr�te
aus. Sie hat die Tafeln eines neuen Gesetzes in ihren k�hnen H�nden, noch
sind sie leer, aber nicht ein Wort der L�gen, die darauf standen und die
sie mit dem Hauche ihres Mundes von ihnen tilgte, wird wieder auf ihnen
stehen d�rfen. Sie gibt Negation, aber in der Negation die vol1ste
Positivit�t des freien Menschengeistes. Diese Freiheit ist keine
indische. Sie ist kein Behagen, keine tr�umerische Wollust in sich
selbst, sondern ringende, k�mpfende Freiheit, griechische Freiheit, wie
sie sich in der Pal�stra, in der Akademie, auf den olympischen Spielen
erprobte. Auch diese Freiheit baut, aber nicht lichtscheue Kapellen im
Waldesdunkel, sondern freischwebende Warten und Tempel auf den luftigen
Bergesh�hen. Die blinkende Art bahnt den Weg durch Gestr�pp und Genist
nicht ins blinde, wilde Ungef�hr hinein, sondern nach einem erhabenen,
edlen Plane, nach einem Grundrisse, der das All umfa�t, Gottesw�rde und
Menschenwohl. Sie ist konservativ, diese Polemik im h�chsten, im
majest�tischen Stil; denn was verdiente mehr konserviert zu werden als
die Natur, die Vernunft und der freie Geist!

Die �bliche, salarierte, verdammende und seligsprechende Theologie
unserer Zeit wird �ber den ersten Band ihr schwarzes Kleid zerrei�en und
siebenmal Wehe! rufen. Dieser erste Band steht vom christlichen
Standpunkte auf dem Fundament einer absoluten Glaubensunf�higkeit.
Bettina weist hier jede Vermittelung zwischen der Vernunft und dem Dogma
ab. Kein mystisches Blinzeln mehr mit den geheimnisvollen M�glichkeiten
der Nachtseite des Lebens, keine Deutung mehr, keine Allegorie, sondern
die einfache Frage: Kann Wein Wasser, kann Wasser Wein werden? Man sage
nicht, da� sich Bettina durch diese absolute Negation des Christentums
ganz aus den Voraussetzungen der modernen Welt hinauseskamotiert. Ein
Blick auf unsere Zeit und ihre wissenschaftlichen K�mpfe lehrt, da� f�r
die Freiheit schon unendlich viel gewonnen w�re, k�nnten wir nur auf der
H�lfte des Weges, den Bettina schon zur�cklegte, H�tten und Zelte bauen,
geschweige Kirchen im Sinne dieser H�lfte. Der Erfolg dieses Buches, wie
weit er der freisinnigen Theologie unserer Tage zu Hilfe kommen wird,
l��t sich noch nicht ermessen. Erst mu� die wilde Jagd der Gegner kommen.
Warten wir die Gespenster der Wolfsschlucht ab!

Eingreifender aber noch und unmittelbarer wirkend ist der zweite Band.
Man hat diese Partie des Buches kommunistisch genannt. Man h�re, was er
enth�lt, und erstaune �ber dies sonderbare Neuwort: Kommunismus. Ist die
hei�este, gl�hendste Menschenliebe Kommunismus, dann steht zu erwarten,
da� der Kommunismus viele Anh�nger finden wird.

Dieser zweite Band ist den Verbrechern und den Armen gewidmet. Man hat
schon drucken lassen, Bettina wolle die Verbrecher zu M�rtyrern stempeln
und z�ge die Diebe den ehrlichen Leuten vor. Das letzte ist kindisch, das
erste ist wahr. Man schreibt so viel B�nde �ber die Gef�ngnisse, �ber die
Verbrecher, �ber die Straftheorien, man stiftet auch Besserungsanstalten,
und doch bleibt es unwiderleglich, da� die wahre Politik, die Politik im
Lichte unserer Zeit, die sein sollte, den Verbrechen zuvorzukommen. M�gen
wir nun an die urspr�nglich gute oder urspr�nglich b�se Menschennatur
glauben, so haben wir doch wenigstens von unserer Erziehung und Bildung
einen so hohen Begriff, da� wir von ihrer Anwendung auf die Menschennatur
Wunder voraussetzen. Warum verrichten wir diese Wunder so selten? Warum
mi�lingen sie so oft? Unsere gew�hnlichen Quacksalbereien m�ssen doch
wohl nicht ausreichen, um die immer garstiger werdenden Sch�den der
Gesellschaft zu heilen. Die alte Leier von den Volksschulen usw. ist ganz
verstimmt, sie lockt keinen Hund mehr vom Ofen, geschweige da� sie
bezauberte und Menschen zu Menschen machte. Der Cholera gegen�ber war es
mit aller Medizin aus. Da schuf man neue Spit�ler, neue Quarant�nen, neue
Gesundheitsdistrikte und behielt vom Alten nichts mehr, als h�chstens die
sonst so verachteten Hausmittel. Nun, die moralische Cholera ist da:
jeder Winter z.B. in Berlin bringt die sittliche Brechruhr, nicht etwa
sporadisch, sondern so allgemein, da� die Gef�ngnisse keinen Platz haben.
Guter Gott, man vermehrt die Zahl der Nachtw�chter und Gensdarmen, die
B�rger treten zusammen und bilden unter sich eine Sicherheitsgarde. Einer
sperrt sich ab gegen den andern und der St�rer dieses atomistischen
Staates wird unsch�dlich gemacht. Wenn eine solche Politik von der Not
des n�chsten Augenblicks geboten wird, so mu� man sie gelten lassen;
erhebt man aber ihren praktischen Wert zu einer theoretischen, dauernden
Bedeutung, so fragt man billig, ist die christliche Welt darum
achtzehnhundert Jahre alt geworden? Gibt es keinen Ausweg, die Verbrechen
schon im Keime zu ersticken? Ist der Staat immer und ewig nur ein
Konglomerat von Egoismus, in dem sich nur der lauter, rein und gl�cklich
erh�lt, den gleich bei der Wiege die holde Gunst des Zufalls
angel�chelt hat?

Neulich hat ein Geistlicher an einem vielbesprochenen Grabe ein
herrliches Wort gesagt. Die Leiche des im Duell gefallenen Herrn von
G�ler in Karlsruhe wurde bestattet und der Geistliche, der keinen Beruf
hatte, dieser Leiche so zu schmeicheln, wie es die Zeitungen getan
hatten, �u�erte in seiner w�rdigen Rede, als er vom Duell sprach: Er
m��te f�r das Christentum err�ten, wenn er bedachte, da� der milde Geist
der Christuslehre noch so wenig in die Menschheit eingedrungen w�re, um
nicht Vorkommnisse, wie jenen Streit, f�r immer unm�glich zu machen. Er
sagte: Err�ten! Der Geistliche, ein frommer Diener des Wortes, err�tete
f�r die geringe Wirkung seiner Lehre. Err�tet wohl ein Beamter f�r den
Staat, der ihn besoldet, ein Minister f�r die Lappalien, die er in seinem
Portefeuille einschlie�t, err�ten unsere Richter f�r die Verbrecher?
Nein. H�chstens der arme Knecht zittert, der die Delinquenten abtun mu�.
Was nennen sie denn noch im 19. Jahrhundert Politik? Was konservieren
denn unsere gro�en Staatsm�nner nur als sich? Wie ist es m�glich, da�
durch diese Politik der B�rokratie, der Edikte, der Verbote, der
Allianzen, Paraden, Gleichgewichtsinteressen usw. ein Lichtstrahl jener
wahrhaft konservativen Politik dringen kann, die vor allen Dingen den
Menschen dem Menschen bewahrt? Bettina erhebt sich, wenn sie auf dieses
Gebiet kommt, zur Seherin, zur Prophetin. Sie richtet an den K�nig, dem
sie ihr Buch gewidmet hat, so hinrei�ende, so feurige Apostrophen, da� es
r�hrend ist, wenn man sich sagen m��te, der Brief ist unsterblich, aber
er wird seine irdische Adresse verfehlen.

Wer im zweiten Band jede Behauptung der Frau Rat w�rtlich verstehen
wollte, bewiese nur, da� er zu den Langweiligen geh�rt. Kein Langweiliger
hat Sinn f�r den Humor. Humoristisch ist aber ein gro�er Teil der
sittlichen Revolutionen zu verstehen, die die k�hne Opponentin mit den
Verbrechern zu stiften vorschl�gt. Es ist ihr wahrhaftig nicht darum zu
tun, einen R�uberhauptmann zum Feldherrn, einen Schinderhannes zum
Kriegsminister zu machen, sondern sie beklagt in greller, ihr
eigent�mlicher Ausdrucksweise, da� das Kapital von Mut, Schlauheit und
Standhaftigkeit, was von den Verbrechern konsumiert wird, nicht auf
edlere und dem Gesamtwohl n�tzliche Zwecke verwandt wird. Die Dialektik
dieser Beweisf�hrung ist teils �berzeugung, teils Neckerei. Es ist
durchaus ein platonisch-sokratischer Geist, der die kunstvollen Gespr�che
belebt, mit dem Scharfsinn und dem hohen Fluge der Divination zugleich
gepaart, jene sokratische Ironie, die scherzend die schon gefangenen
V�gel der Gegenpartei wieder flattern l��t, um sie nach kurzer Freiheit
wieder aufs neue einzufangen. Fast im sch�umenden �berma� dieser Ironie
sind die "Gespr�che mit einer franz�sischen Atzel" geschrieben. Hier ist
selbst die Frau Rat die �berfl�gelte. Der schwarze Vogel auf dem Ofen mit
seinen klugen Augen, seiner kecken Federhaube auf dem Kopfe, scheint ein
verzauberter H�llenbote zu sein. Der kleine Spitzbube wettert und
schimpft wie ein Kapuziner, der nicht dem Himmel, sondern dem Teufel
dient. Er m�chte, da� die ganze Welt des Teufels w�re und schw�tzt die
Dinge, die oben stehen, kopf�ber nach unten und umgekehrt. Es wird nicht
an Leuten fehlen, die die E1ster beim Wort nehmen und ihre wilden
Plaudereien als bare Blasphemie an die geistlich-weltliche Hermandad
denunzieren werden. Bettina w�re mit der phantastischen Lyrik ihrer Seele
humoristisch genug, f�r die Atzel aufzutreten und sie zu verteidigen, wie
einst auf einem Konzil sogar die Heuschrecken ihren Anwalt fanden.
Verschluckte einst eine Ratte eine Hostie und verrichtete Wunder, warum
soll der Teufel nicht in eine Atzel fahren? Die Polemik, die n�chstens
die evangelische Kirchenzeitung gegen diese Atzel er�ffnen wird, wird
sehr komisch sein.

Das ausgezeichnete Werk behandelt aber zu ernste Fragen, als da� es
komisch schlie�en d�rfte. Es schlie�t mit dem Septimenakkord des tiefsten
Schmerzes, es schlie�t ersch�tternd, herzzerrei�end, tragisch. Wessen
Auge �ber dieser Schilderung des Elends im Berliner Voigtlande verweilen
kann, ohne in Tr�nen zu schwimmen, der mu� ein Herz von Marme1stein
haben. Bettina teilt die Aufzeichnungen eines edlen Menschen mit, der in
dem sogenannten Berliner Voigtlande die von der Armut bewohnten H�user
durchwanderte, an die T�ren pochte, eintrat und sich nach den bittern
Lebensumst�nden, die hier zusammengepfercht sind, gr�ndlich erkundigte.
Die Namen sind genannt, die T�ren bezeichnet, hier h�rt jede Fiktion auf.
Tausende von Menschen leben hier in Hunger und Kummer, schlafen auf
Stroh, st�ndlich gew�rtig, ausgepf�ndet und auf die Stra�e geworfen zu
werden mit Greisen und S�uglingen, im ewigen Kampf, entweder zu hungern
oder zu betteln oder aus Verzweiflung zu stehlen, gehetzt von der Polizei
und verlassen von jener Beh�rde, die ihr n�chster Schutz und Schirm sein
sollte, der st�dtischen Armendirektion. F�r die Mitteilung dieses
Gem�ldes verdient Bettina den Dank jedes f�hlenden Herzens. Jede Tr�ne
dieses Bildes wiegt die kostbarsten Brillanten einer stilistischen
Phantasie auf; dieser echte, lebenswahre Murillo steht h�her als jede
idealische Transfiguration. Es kriecht Ungeziefer durch diese Farben,
aber die Farben sind echt und der F�rst, dem sie ihr Buch widmete, hat in
dem Augenblick, als er diese Schilderung las, sicher einen Hofball
abbestellt, sicher die Zur�stungen eines gl�nzenden, nur Staub
aufw�hlenden Man�vers auf die H�lfte des angesetzten Etats reduziert.
Denn nicht die Armut allein durchschneidet hier unser Herz, nein, auch
die Schilderung der Tugenden, die noch in der Verzweiflung dieser
Menschen nicht erstorben sind, die Schilderung einer hochherzigen
Anh�nglichkeit an das Vaterland und den F�rsten, die sich selbst in
diesen Lumpen noch erhalten hat. Eine arme Bettlerin �berbrachte der
Ordenskommission (f�nf Orden), die ihr gestorbener Mann im
Freiheitskriege erworben. Die Ordenskommission gab ihr ein f�r alle Mal
f�nf Taler (kaum den �u�ern Wert der Dekorationen) und nun hungert sie.
Wenn auch die hohen freisinnigen Philosopheme der k�hnen Frau, die dieses
Werk geschrieben, von den Menschen, die sie in dem (Pfarrer) und dem
(B�rgermeister) treffend charakterisiert hat, verworfen werden, von
diesem Anhang kann man nicht glauben, da� er spurlos vor�bergehen wird.
Nicht nur, da� die Berliner Armendirektion, eines der unpopul�rsten
Institute der Residenz, einer gr�ndlichen Reorganisation unterworfen
werden mu�, auch die h�here, den ganzen Staat umfassende, ja ich nenne
sie die (kommunistische) Frage: was soll geschehen, um den Menschen dem
Menschen zu retten, das Band der Bruderliebe wieder anzukn�pfen und einer
unheilschwangern, furchtbar drohenden Zukunft vorzubeugen? Diese Frage
wird um Antwort dr�ngen und die Antwort wird nicht in Phrasen, nicht in
Almosen, sondern in durchgreifenden Sch�pfungen bestehen m�ssen. Und der
edlen Frau, die diese Frage dicht an den Stufen des Throns aufwirft, auf
dem Parkett der eximierten Gesellschaft, unter Luxus, sybaritischer
Indolenz und transzendentaler, nichtsnutziger Nasen- und Bonzenweisheit,
dieser edlen Frau steht der bescheidene Feldblumenkranz eines solchen
Verdienstes prangender, als weiland ihre sch�nsten Blumenkronen aus der
Periode ihrer romantischen Naturmystik.

Mit beklommener Erwartung sehen alle die, welche von dem Buche ergriffen
wurden, nun auf den, dem es gewidmet ist. Numa Pompilius hatte seine
Egeria, eine geheimnisvolle Sybille, die ihm die Weisheit lehrte, mit der
er Rom aus einem R�uberstaate zu einem geordneten Gemeinwesen erhob. Der
K�nig von Preu�en wird Bettinen nicht zu seinem ersten Minister machen,
aber er hat ihr Buch in der Handschrift durchbl�ttert, er hat die Widmung
gestattet und es mit seinen tausend zensurwidrigen Freiheiten vorweg
gegen die Verfolgung der Polizei in Schutz genommen. So darf Deutschland
und Preu�en insbesondere hoffen, da� von der m�chtigen Beredsamkeit einer
Feuerseele, die hier im Namen der Zeit wie eine Prophetin am Wege ihn
angesprochen, wenn nicht ein begeisternder Funke, der zur Tat z�ndet,
doch eine warme Erregung, die Schonung und Duldung �bt, in ihm
zur�ckgeblieben ist.




Ein preu�ischer Roman (1849)


Die kluge und soviel man wu�te ziemlich demokratisch gesinnte Fanny
Lewald hat einen Roman ("Prinz Louis Ferdinand") geschrieben, der ihr die
Ehre einbringen wird, Mitglied des Treubunds zu werden. Ich sehe ihre
sonst so freiheitgl�hende Brust schon mit einem Ordenszeichen geschm�ckt,
das ihr in feierlicher Sitzung unter allen Berliner Offiziers- und
Beamtenfrauen Graf Schlippenbach anheften wird. Denn was auch vom
Standpunkt der Hofdamen aus in diesem biographischen Roman gegen die
Etikette und eine gewisse loyale Piet�t f�r hohe und h�chste Personen
ges�ndigt sein mag, die besonneneren Mitglieder der Preu�envereine wissen
sehr wohl, da� man den Royalismus auf alte Art nicht mehr predigen kann.
Dies edle Kern- und Grundgef�hl preu�ischer Herzen kann nicht mehr
�berall der Ausflu� unmittelbaren Instinktes sein wie weiland, als der
Friedrich-Wilhelm-Staat noch in patriarchalischen Banden schlummerte,
sondern dies Gef�hl mu� jetzt "vermittelt" werden, in der Sprache der
Neuzeit reden, gemischt und verquickt mit dem Neusilber der Mode. Das hat
Fanny Lewald redlichst getan. Man kann nun doch wieder aufblicken zu
jenen strahlenden Meteoren, die man Prinzen nennt. Man kann doch den
Beweis f�hren, da� auch in jenen Regionen menschlich empfunden,
liebensw�rdig geschw�rmt, edel gedacht wird. Man hat doch endlich einmal
den vol1sten Gegensatz gegen diese Irrg�nge der Literatur, die schon die
Poesie nur noch bei den Handwerkern und Bauern suchen wollte. Die Gr�fin
Hahn rettete der Poesie den Adel, Fanny Lewald, die strenge Richterin
Diogenens, rettete ihr wieder die K�nige und die Prinzen.

Wir erfahren in diesen drei mit gro�er Gewandtheit geschriebenen B�nden,
da� es an der Grenzscheide des Jahrhunderts einen Prinzen von Preu�en
gab, der ein wenig stark von der Geniesucht seiner Zeit angesteckt war,
sich vom Zopf Friedrichs des Gro�en und derer, die diesen Zopf f�r das
Palladium des preu�ischen Staats hielten, emanzipieren wollte, Musik
trieb, viel Schulden machte, Milit�rexzesse beg�nstigte, die Franzosen
und ihre Republik ha�te und um jeden Preis dem "Korsen" den Glanz
preu�ischer Waffen f�hlbar machen wollte. Als ihm die Diplomatie 1806
seinen Willen tat und den Krieg erkl�rte, fiel er in dem ersten Gefecht
gegen eine Nation, die er liebte (denn er umgab sich mit Franzosen), aber
deren liberale Grunds�tze er ha�te. Es ist dieser Prinz Louis Ferdinand
so oft als eine Heldengestalt, als ein junger tatendurstender Alexander
ger�hmt worden, da� man sein Leben wohl f�r beachtenswert, seinen Tod
r�hrend finden kann. Wie aber sieht es mit einer n�heren Pr�fung dieses
Ruhmes aus? Wie mu� sich der Biograph, der Dichter stellen, um diese
�u�erlich blendende Erscheinung ihrem wahren Kern und Wesen n�her
zu bringen?

Wir gestehen, da� Fanny Lewald ihren Helden vom Gesichtspunkt des Weibes
sehr wahr auffa�te. Statt aller Kritik �ber ihn hat sie sich ganz einfach
in ihn verliebt. Ich finde diesen Zug in ihrem Buche f�r den sch�nsten.
Da ist kein n�chternes R�sonnement, da ist keine Pr�fung, kein Abw�gen
von Mehr oder Minder, sie liebt den Prinzen, wie ihn Rahel Levin geliebt
hat. Und gerade das mu� den Treubund entz�cken, gerade daraufhin kann
Graf Schlippenbach sagen: Seht da eine Demokratin, eine J�din, eine
eifrige Verfechterin der Grunds�tze ihrer Freunde Simon und Jacoby, seht
da eine M�rzheldin, die mitten im Zeitalter der Barrikaden Triumphpforten
f�r preu�ische Prinzen baut! Wie wir mit Blumenkr�nzen unsern
Garderegimentern entgegenwallen und sie mit Treubundshuldigungen in den
Bahnh�fen empfangen, wenn sie mit demokratenblutgef�rbten Bajonetten in
ihre Kasernen heimziehen, so jauchzen in diesem Buche M�nner und Frauen
einem Prinzen entgegen, der im Grunde nichts f�r die Menschheit leistete,
sich aber als Hohenzoller f�hlte! Und eine Demokratin tr�gt uns hier die
schwarzwei�e Fahne voran! Eine Feindin der aristokratischen Literatur!
Die ber�hmte Gegnerin unserer un�bertrefflichen Ida!

Fanny Lewald wird sich �ber den Grafen Schlippenbach, noch mehr aber �ber
mich, der ihn so reden l��t, sehr erz�rnen. Sie wird, ich seh' es, alle
diese Konsequenzen ihrer Liebe und Begeisterung f�r einen preu�ischen
Prinzen zur�ckweisen, sie wird, ich h�r' es, ausrufen: Kleinliche
Menschen die ihr seid, kann man denn nicht mehr dem Zuge seines Herzens
folgen? Soll denn alles, alles Partei sein? Soll es denn nicht mehr
m�glich bleiben, da� man jede bedeutende Erscheinung der Menschenwelt,
sie tauche nun auf in einem Auerbachschen Schwarzwald-Dorfe oder einer
George Sandschen Mare au Diablo oder auf dem Parkett der Ministerhotels
und Prinzenpal�ste, mit Interesse, ja mit Liebe umfa�t und das Sch�ne,
Wahre, Strebsame auf allen Klimmstufen der Gesellschaft anerkennt? Das
hat sich Fanny Lewald gedacht, als sie diesen Roman schreiben wollte. Sie
hat sich ohne Zweifel noch gr��eres gedacht. Sie hat das Bild eines
zerfallenden Staates zeichnen wollen, sie hat geglaubt, einer sich jetzt
un�berwindlich d�nkenden Gegenwart den Spiegel der Vergangenheit
vorhalten zu k�nnen, indem sie im Staat, der Gesellschaft, im Milit�r und
Zivil die Grundgebrechen schilderte, an welchen der Stolz und die
Eitelkeit jener Tage krankte, ohne es zu wissen. Diese polemische
Tendenz, der auch manche vortreffliche Seite ihres Werkes gewidmet ist,
ermutigte sie, jenes Bild eines Prinzen als Mittelpunkt ihrer Dichtung
festzuhalten und so den Vorw�rfen zu begegnen, gegen die sie als strenger
demokratischer Charakter empfindlich sein mu�te.

Wie dem aber sei, sie ist ihrem weiblichen Herzen zum Opfer gefallen. Sie
hat, angeregt von Varnhagen von Ense, jene bedeutsam Zeit schildern
wollen, wo sich in der Tat trotz Goethes Spott "Musen und Grazien in der
Mark" begegneten und Schlegel, Gentz, Fichte, die Rahel und ihre "Kreise"
mit einem liebensw�rdigen, genialen Prinzen des k�nigl. Hauses in
Beziehungen kamen. Es hatte sie das interessiert, besonders Rahels wegen,
mit der sie sich in ihrem Roman auffallend identifiziert. Aber der Erfolg
ist bei vielen vortrefflichen Eigenschaften ihres Werkes nicht gelungen.
Statt, wie eine k�nstlerische Intuition ihr sagen mu�te, den Prinzen
episodisch zu benutzen, stellte sie ihn in den Vordergrund. Statt ihren
Roman z.B. durch eine Figur wie Karl Wegmann zu heben und zu tragen und
alle jene bedeutenden Menschen nur zuweilen in ihr Werk hineinragen zu
lassen, macht sie diese selbst zu Haupttr�gern der Handlung und gibt eine
romantische Biographie, statt eines Romans. Prinz Louis bleibt immer der
Mittelpunkt. Sie dichtet ihm Empfindungen an, die zu beweisen sind, sie
gruppiert Menschen um ihn, die sie als edel, mindestens bedeutungsvoll
erscheinen l��t, w�hrend sie doch meist nur frivol und sittenlos sind.
Diese Pauline Wiesel, eine feine Berliner Kurtisane ber�chtigten
Andenkens, erscheint bei unserer Verfasserin so relativ wertvoll und
interessant, so drapiert mit dem gro�en Umschlagetuch grell-moderner
Ideen und gro�blumiger Empfindungen, da� man erstaunt, wenn man sich
denken mu�: Was wird Diogena zu diesem Buche sagen? Wenn sich bei dieser
Dame die Schichten der aristokratischen Gesellschaft zerbr�ckeln und in
die ihr eigene gro�staffierte Salon- und Boudoir-Romantik zerbl�ttern, wo
Liebe und Skandal bunt durcheinanderlaufen und parf�mierte Billetts, von
galonierten Jockeys auf silbernen Tellern pr�sentiert, alle Schmerzen
"unverstandener" Seelen aushauchen, so gesellt sich hier wenigstens
Gleiches und Gleiches, und wir sind doch bewahrt vor der Fanny
Lewaldschen Zumutung, jene Berliner Beamtent�chter interessant zu finden,
die beim Blasen der Gardek�rassiere an die Fenster rennen, sich in Helme
und Epauletten verlieben und Prinzen vollends alles gew�hren, was Prinzen
nur von B�rgerst�chtern fordern k�nnen. Henriette Fromm, Pauline Wiesel
sind "Damen" dieses Berliner Schlages gewesen und verdienten nicht von
der Poesie so ausstaffiert zu werden, wie dies in unserm Gedenkbuch
geschieht. Welche gro�en Worte sind da an Niederes verschwendet! Welche
gemeinen Gesinnungen bunt aufgeputzt! Wer hat Berlin beobachtet und kennt
nicht jene Buhlerei der M�tter und jungen Frauen um Prinzengunst, wie sie
nach den Tagen der Lichtenau dort Mode war? Sp�ter m�gen die Opfer dieser
Zust�nde mehr gelernt haben als Madame Rietz wu�te, sie m�gen franz�sisch
parliert, Goethe und Schiller gelesen haben und mit Gentz und Schlegel in
Ber�hrung gekommen sein; sie bleiben aber darum doch, was sie sind, mag
auch Varnhagen von Ense noch so milde Lichter �ber sie ausgegossen haben.
Die arme Lewald, in dem Drang das Judentum zu heben und eine J�din Rahel
Levin mit Prinzen von Preu�en in Verbindung gebracht darzustellen, ist
hier von ihrem Herzen und dessen k�hnsten Fl�gen geblendet gewesen und
hat eine Sph�re f�r dichtungsw�rdig gehalten, die es nicht war. Mamsell
C�sar, die Berliner Geheimsekret�rstochter, verdiente ebensowenig diesen
Aufwand von Seelenmalerei wie Henriette Fromm, die am Tage nach der
Verlobung an einen �konomen mit einem Prinzen auf- und davonging. Ein
Prinz kann doch meist nur von oben herab lieben, von oben herab einer
B�rgerlichen schmeicheln, nur in aller K�rze sie auffordern: Sei mein!
Einen (Roman) von Gef�hl, Entwicklung, Herausstellung der ede1sten Triebe
des Menschen gibt es da h�chst selten und im vorliegenden Fall gewi�
nicht. Wer kann Fanny Lewald in dieser Verirrung anders folgen als blo�
mit einem gewissen anekdotischen Interesse? Zu empfehlen, aufmerksam zu
machen, zu bewundern gibt es da nichts. Man liest es mit Neugier, mit
Spannung, w�rde aber erschrecken, wenn die Verfasserin verriete, sie
h�tte beim Niederschreiben dieser Bl�tter auch nur im entferntesten
gedacht: (Entnehmt euch daraus etwas!)

Einzelne Schilderungen sind der Verfasserin vortrefflich gelungen;
unstreitig immer die, wo sie sich eines gedr�ckten, leidenden Zustandes
der Gesellschaft annehmen kann. Sie empfindet mit der Armut, mit dem
gedem�tigten Stolze, mit der getretenen Menschenw�rde. Sie hat in ihrem
reinen und aufrichtigen Bekenntnis des Judentums eine Schule der
Beobachtung und des Mitgef�hls f�r die Nachtseiten der Gesellschaft
durchgemacht. Warum erhob sie sich von dem strengen Gericht, das sie �ber
die Milit�rzust�nde Preu�ens von 1806, das Kasernenleben, das Ghetto, die
Bestechlichkeit der Beamten, die Ohnmacht und den D�nkel der Minister
anstellte, nicht auch zur Wahrheit �ber ihren aristokratischen Helden
selbst und noch mehr zur Wahrheit �ber das prahlende Zuschautragen des
Herzens bei den Weibern, die in diesem Gem�lde aufrauschen? Warum wandeln
diese so pomphaft daher und bringen uns den abgenutzten Gef�hlskram
unserer blasierten Frauenromane von 1840 zum Kauf? Ist es nicht eitle
Flitterware? Ist nicht selbst Rahels Liebesschmerz und entsagende
Gro�gef�hligkeit um die k�nigliche Hoheit affektierter Kram? Erschlie�en
uns diese Verirrungen, wenn sie stattfanden (und sie m�ssen es wohl, da
Varnhagen von Ense laut Widmung dieses Werkes Taufpate ist), irgendeine
gro�e Perspektive auf die Tiefe der Menschenbrust? Ich kann der
Verfasserin �berall folgen, wo sie praktisch und verst�ndig ist. Wo sie
aber Gef�hl geben will, Idealit�t in ihrem Sinn, da befinden wir uns doch
eben nur in derselben Sph�re, die sie an der Gr�fin Hahn hat bek�mpfen
wollen: Ha� gegen das �bliche, Feindschaft gegen die gew�hnlichen Gleise
der Liebe, die sich in ihrer s��en Monotonie Jahrtausende lang durch die
Herzen der Menschheit ziehen. Sind euch denn die M�tter, die verheirateten
Frauen ewig gleichg�ltig und nur diese Rahelen, diese Henrietten und
Paulinen der poetischen Betrachtung w�rdig? Es w�re eine rechte Erquickung
gewesen, wenn wir in diesem Buche neben den vielen Weibern mit starkem
Herzen auch ein junges, sch�nes und bedeutendes mit einem nur guten
angetroffen h�tten.

Das Buch schlie�t wie eine Symphonie mit unaufgel�ster Dissonanz! Der
Held stirbt, und--das Ganze ist zu Ende. Alle F�den, welche die
Verfasserin anspann, um uns zu unterhalten, sind zerrissen. Eben noch
Licht, und pl�tzlich Nacht. Dieser Schlu� ist eine Kritik des Werkes. Er
sagt, da� mit dem Tode des Helden der ganze Apparat des Romans in Nichts
zusammensinkt, und es im Grunde nur ein Spuk war, der ihn umgab, kein
wirkliches, daseinberechtigtes Leben. Fanny Lewald hat so den Trieb nach
Wahrheit, so die sch�ne, oft grausame Leidenschaft aufrichtiger
�berzeugung, da� sie unstreitig f�hlte: Die Menschen, die ich da mit dem
Prinzen zusammenkettete, sind nach seinem Tod unn�tz, und keine Seele
mehr wird nach ihnen fragen. Ein ernstes Drama soll wie ein Grab enden,
ein ernster Roman aber wie ein Kirchhof. Das Auge soll mit Schmerz nach
vielen Gr�bern sich umsehen und nicht wissen, welches von ihnen allen den
Immortellenkranz verdient.




Eine n�chtliche Unterkunft (1870)


In jenen, noch dem ersten Drittel unseres Jahrhunderts angeh�renden
Tagen, wo Berlin rundum keine andere gro�e Stadt in der Nachbarschaft
hatte, als eine solche, die erst nach einer Postreise von zwanzig Meilen
zu erreichen war, bildete sich jene noch jetzt nicht vollkommen
�berwundene eigent�mliche Naivit�t oder, nennen wir es beim richtigeren
Namen kleinst�dtische Unzul�nglichkeit aus, die den Charakter des
Berliner Pfahlb�rgertums in manchem bezeichnen d�rfte. Die Sperre gegen
eine Welt, die damals dem Berliner schon hinter Potsdam f�r gleichsam wie
"mit Brettern vernagelt" galt, war eine beinahe hermetische. Daher auch
die Langsamkeit, womit sich der Zeitgeist, die freiheitliche Entwicklung
Preu�ens erst allm�hlich, ja mit Beweisen v�lliger Unbeholfenheit und
Unreife anschickte, dem Fortschritt des �brigen Europa zu folgen.

Noch bis zur M�rzrevolution befand sich im k�niglichen Schlosse, dicht
unter der Wohnung des Monarchen, in jenem Portal, das seit dem Jahre 1848
dem Publikum nicht mehr als Durchgang ge�ffnet ist, ein alter Rumpelkasten,
Portechaise genannt, an deren mit gr�nem Kattun verhangenem Fenster
unorthographisch zu lesen stand: "Wer sich dieser Portechaise bedienen
will, melde sich in der Nagelgasse." Letztere, jetzt zur "Rathausstra�e"
avanciert, begrenzt die s�d�stliche Front des neuen Rathauses--gelegentlich
bemerkt eines Baues, dessen Gro�artigkeit den Stil, den kr�ftigen Griffel
des 19. Jahrhunderts in so �berw�ltigendem Ma�e bezeichnet, da� bei allem
Reiz, den ein alter Rest der Vergangenheit, die "Gerichtslaube", f�r die
Tafeln der Chronik in Anspruch nehmen darf, ihn die Gegenwart doch f�r ihre
�berlieferungen an die Zukunft wie einen sinnst�renden--Druckfehler
beseitigen darf.

Und auf dem Gensdarmenmarkt, an derjenigen Seite des "franz�sischen
Turms", die dem Wechselgesch�ft der Herren Brest und Gelpke gerade
gegen�ber liegt, wuchs nicht nur in den Winkeln, die von den d�rftigen
Anbauten der beiden stolzen "Gensdarmenmarktt�rme" gebildet werden, das
helle, frische, gr�ne Gras, untermischt zuweilen mit "Butterblumen",
sondern es war sogar m�glich, da� die damalige schutzmannlose, nur auf
jene "Polizeikommissarien" mit den Dreimastern und karmoisinroten Kragen
und Aufschl�gen am Rock angewiesene Zeit in einem dieser Winkel--einen
alten ausgedienten Leichenwagen duldete, der entweder durch irgendein
Mi�verst�ndnis zur �berwinterung dort stehengeblieben oder sonst aus dem
Inventar des Leichenfuhrwesens in der Georgenstra�e ausgestrichen war.
Die Deichsel f�r die Rosse, die uns zum ewigen Frieden fahren, fehlte
nicht. Aber die schwarze Draperie schillerte schon ins vollkommen
R�tliche. Die Totengr�ber Hamlets h�tten hier Betrachtungen anstellen
k�nnen �ber die Verg�nglichkeit alles Irdischen. Ludwig Devrient, dr�ben
von Lutter und Wegener kommend und sich auf die Rolle besinnend, die der
gro�e Mime am Abend zu spielen hatte, mag manchen verstohlenen Blick
hin�bergeworfen haben auf den alten Charonsnachen, der manchmal fehlte,
nach kurzer Pause sich aber immer wieder einstellte unter den gew�lbten
T�rmen, um deren S�ulen und S�ulchen die Spatzen und die Kr�hen und die
Habichte nisteten. Berlin, das gegenw�rtig alles brauchen kann, selbst
die Denkm�ler von den Gr�bern, Berlin, das jetzt die Bronzebilder der
Toten von den Kirchh�fen stiehlt, lie� diesen alten Leichenwagen
unangetastet.

Abends, wenn der Sturm brauste, die Laternen, ohne Gaslicht und manchmal
quer �ber die Stra�en hinweggezogen, in �chzenden T�nen hin und her
schaukelten, die Wagen der Vornehmen und Reichen dumpf �ber ein noch
naturw�chsiges Pflaster rollten, hier und da ein Leierkasten aus einem
Keller wie ein ferner Unkenruf ert�nte und in den Stra�en jener
gespenstische Mann umging, der ein F��chen in der Hand tragend, aus einer
bis zu seinen Ohren, ja bis zur Nase hinaufreichenden stolzen roten
Kravatte mit einem gewissen w�rdevollen Anstand, aber geisterhaft hohl,
den Ausruf hervorpre�te: "Neunaugen! Neunaugen--!", da schlich sich
fr�stelnd, die H�nde in abgetragene, viel zu kurze, geflickte Beinkleider
gesteckt, einen verschossenen Frack auf dem ausgehungerten Leibe, einen
mannigfach br�chigen, beulenreichen Filzhut auf dem Haupte, eine
verwitterte, magere, kleine Gestalt �ber den Markt, auf welchem �de
Stille herrschte, nachdem sich eben die Zuschauer des Schauspielhauses,
die vielleicht eine neue Posse von Raupach ausgezischt, verlaufen hatten.

Der sich scheu Umblickende hatte keine Wohnung. Sein Name war von den
Sternen hergekommen. Dort oben am blitzenden Nachthimmel stand die
Konstellation, die ihm den Vornamen gegeben. Besonders zur Winterszeit
leuchtete sein Stern hellauf in einem Licht, das alle andern Sterne
�berstrahlte. In den Sternen auch hatte er seine eigentliche Behausung,
nicht in der Dorotheen-, nicht in der Friedrichstadt. Vorsichtig n�hert
er sich dem Leichenwagen ... Bist du heute wieder da, alter Freund--? Hat
dich Charon heute Nacht nicht n�tig, um vom "T�rmchen" im "Voigtland"
eine Leiche auf die Anatomie zu fahren--? Schont der "Leichenkommissarius"
seine G�ule, wenn er sie erst hier einspannt, um einen Armen im
"Nasenquetscher" auf Saturns gro�es Brach- und Nivellierungsfeld, auf den
Friedhof, zu fahren--?.... Und husch--! Die verwitterte Gestalt,
herabgekommen wie der Apotheker von Mantua, der an Romeo Gift verkaufte,
weil die Gesch�fte der �blichen Pharmakopoe so schlecht gingen, hebt die
Vorhangsfetzen des Wagens auf und schiebt sich langsam hinein in ein
damaliges--Asyl f�r Obdachlose.

Fand sich wohl ein St�ck Holz, eine Planke darin vor--den Tr�gern mit den
langen Fl�ren am Dreimaster ben�tigt, um den Sarg in die Grube zu
senken--so r�ckt sie der lebende Tote so, da� sein Haupt mit den langen
wei�en Haaren eine St�tze findet beim Sichausstrecken. Vielleicht achtet
er auch die neue Beule nicht viel an seinem wettererprobten Zylinder,
wenn er damit dem harten Holz einige Weiche gibt und die hohle, gefurchte
Wange aufst�tzt. Ruhen wird er; er wird schlafen. An diesem schwarzen
Wagen huscht die von einem Ball bei "Dalichows" in der Dorotheenstra�e
kommende Sch�ne aus dem Volke, der Spieler, der im Hinterzimmer eines
"Italieners"--wir meinen nicht gerade des damaligen Austern-Sala-Tarone
--einen gl�cklichen Wurf getan, der in der Nacht gerufene Arzt, der um
Mitternacht sein Coup� nicht anspannen lassen kann, schnell und scheu
vor�ber. Selbst der Nachtw�chter h�lt sich in der Ferne, dort, wo ein
Ruf: "W�chter--!" ihm ein Trinkgeld f�rs Einlassen in ein verschlossenes
Haus, dessen Schl�ssel an seinem klirrenden Eisenbunde h�ngt, sicherer
einbringt, als wenn er hier Posto fa�te in der d�ster-unheimlichen Ecke
an einer Kirche, wo vielleicht damals--der junge Fournier als feuriger
Kandidat in franz�sischer Sprache predigte und sich nicht tr�umen lie�,
wie �bel sp�ter einem Konsistorialrat der Wetteifer mit dem leidenschaft-
lichen Pathos eines Schauspielers bekommen konnte.

Der Obdachlose war ein Dichter ohne Verleger. Er lebte in einer Zeit, wo
die Journale Berlins unter Zensur standen. Ein Absatz von 500 Exemplaren
war schon die allergl�cklichste Chance f�r--"Belletristik". Ein Honorar
von einem Taler zahlte man f�r ein Gedicht, von f�nfzehn Silbergroschen
f�r eine Reihe von L�ckenb��ern, damals "Aphorismen", "Streckverse",
"Sternschnuppen" oder �hnlich genannt. Ach ja, die Sterne, die hatten es
dem halben Polen angetan. Er hatte sich die Sprache Schillers und Goethes
angeeignet, sang Dithyramben, Oden, Bardenlieder--alles in einem Stil,
der an Pindar erinnerte--seiner Unverst�ndlichkeit wegen. Aber schon in
jener Zeit war die Lekt�re frivol. Lieber wollte man Clauren lesen, als
Klopstock. Die Gebildeteren hatten gerade van der Velde. Sogar die
�sthetiker sprachen zwar von Goethe, nippten aber, wie in dem Hinterzimmer
des "Italieners" Rosoglio, so an den "Teufelselexieren" von Hoffmann. Was
war da der verkommene Tr�umer, der noch bei Ossian stand und bei Jean
Paul! Der einen Gedanken, der ihm aufgeblitzt bei seinem jeweiligen
Erwachen in seinem dunkeln Leichenwagen (--und wo denken wir wahrer,
f�hlen wir tiefer als in der N�he der Toten!--) nur dadurch schlagend,
z�ndend, lapidar zu machen glaubte, da� er ihn immer enger und enger,
immer epigrammatischer und epigrammatischer, zuletzt in zwei Zeilen
dr�ngte, wie bei Rochefoucauld und Montaigne, jedes Wort eine ganze
Welt--aber--die Zeile laut Quartalsberechnung des Journals drei bis
vier Pfennige!

Dieser Obdachlose hie� Orion Julius. Seine Werke stehen nicht in den
Katalogen der Leihbibliotheken. Wer sich aber die M�he geben will, in
alten Jahrg�ngen des "Freim�tigen", des "Gesellschafters" zu bl�ttern,
der wird dort--dem n�chtlichen Bewohner des Leichenwagens am
Gensdarmenmarkt zuweilen begegnen.




Zum Ged�chtnis Wilhelm H�rings (Willibald Alexis') (1872)


Einstimmig berichtete die deutsche Presse das im Dezember vorigen Jahres
zu Arnstadt in Th�ringen erfolgte Ableben Wilhelm H�rings, genannt
Willibald Alexis, mit dem Ausdruck der innigsten Teilnahme. Die
gewandtesten dichterischen Gaben, edle menschliche Eigenschaften, ein
Charakter voll Gesinnung und ein herbes tragisches Schicksal hatten die
Nachrufe, ganz in der ungeteilten Hingebung, wie sie in den Bl�ttern
erschollen, verdient.

Wenn die "Allgemeine Zeitung", diesmal sp�ter kommend als andere Organe
der �ffentlichkeit, ihren Nachruf nicht ganz in dem Ton einer blo�en
Trauerrede am Grabe h�lt, sondern pers�nlicher auf den Verstorbenen
eingeht, so wolle man darin ein Bestreben erblicken, uns das Bild des
Dahingegangenen recht nahe zu r�cken. Schon die Wendung dieser Nachrufe,
da� der Tod den Ungl�cklichen, der fast f�nfzehn Jahre in geistiger und
k�rperlicher Paralyse gelebt hatte, "von seinen Leiden erl�ste", ist
nicht vollkommen zutreffend. Die liebevol1ste Hingebung einer erst in
sp�tern Jahren geheirateten Gattin, einer geborenen Engl�nderin, die
Pflege derselben, die an Geduld ihresgleichen suchte, diese war es, die
erl�st wurde. Der Gegenstand eines bewunderungsw�rdigen Kultus der Liebe
selbst f�hlte kaum sein Leid in ganzer Gr��e. Die Stunden, die Tage, die
Jahre schwanden an dem Beklagenswerten in seinem Rollsessel gleichm��ig
dahin. Er glaubte, die volle Klarheit seiner Ideen zu besitzen und nur am
Aussprechen derselben verhindert zu sein. Eine in Westermanns
"Monatsheften" gegebene photographische Abbildung der �u�eren Erscheinung
H�rings in den Tagen seines Leidens zeigt einen--lachenden Demokrit, der
der Welt gegen�ber sein besseres Teil gefunden zu haben scheint. In der
Tat gibt das Bild den vollen Gegensatz der geistesklaren Zeit des edlen
Toten, wo seine Mienen in der Regel den Ausdruck der Besorgnis, des
�ngstlich aufgeregten Besch�ftigtseins durch die Zeit, des b�nglichen
Erwartens d�sterer �ffentlicher Erlebnisse trugen.

Von "Leiden erl�st"? Gewi�! Aber doch noch zu modifizieren. Die ganze
Sehnsucht eines an die Bedingungen Norddeutschlands gebundenen Herzens
ging bei H�ring auf idyllisches "Am Land"-Wohnen. In seinen jungen Jahren
suchte er einen ihm innewohnenden Trieb, irdische Hilfsquellen, die ihm
zu Gebote standen, zu Spekulationen und sogar im Sinn unserer heutigen
neuen gro�st�dtischen Gr�nder-Ideen zu verwenden, mit seiner Liebe zur
Natur zu vereinigen. Wie mit Ironie auf seinen Namen suchte er unter den
alten Eichen und in den Fischerh�tten Heringsdorfs an der Ostsee den
Besuch eines poetisch gelegenen Seebades zu f�rdern. Sp�ter gab er seine
dortige Besitzung mit ihren nur relativen Sch�nheiten auf und zog sich,
seiner ganzen Kraft sich noch bewu�t und mit literarischen Pl�nen, deren
einige auch dort noch ausgef�hrt wurden, nach Arnstadt, einer ohne
Zweifel--ich kenne den altber�hmten Ort nicht--reizend gelegenen Stadt,
die schon manchen Dichter angezogen hat. Da erz�hlt man von H�rings
anmutiger Besitzung, von seiner Liebe zur Natur selbst trotz seiner
geschw�chten Geisteskr�fte. Wenn die Rosen bl�hten, sammelten liebliche
junge M�dchen, Verwandte seiner Gattin, die sich schon entbl�tternden
verbl�hten Blumen und bewarfen damit den im Rol1stuhl Sitzenden. Anakreon
w�nschte sich solche Spiele mit der Jugend. Auch unser Dulder lachte
herzlich. Ist ihm also das demokritische Antlitz der Photographie bis
zuletzt geblieben, so rief ihn der Tod aus einer Welt, die er bei alledem
und alledem ungern verlie�. Sein Lebensende war keineswegs das seines
gekr�nten Widersachers in Sanssouci, der ihm einst auf eine vertrauens-
volle �bersendung eines seiner "m�rkischen Romane" oder bei einer
sonstigen Ann�herung, welche Huld und G�te voraussetzte, die bekannt-
gewordenen rauhen, verletzenden Worte entgegenherrschte: "Er h�tte sich
von ihm in seiner politischen Haltung eines Bessern versehen." Auch
Friedrich Wilhelm IV. hatte das Los, gel�hmt zu werden wie Dr. H�ring.
Aber jener bot ein Bild des Jammers, wenn er unter den B�umen Sanssoucis,
die den an Pl�nen und Ideen �berreichen genialen Kronprinzen einst unter
sich hatten wandeln, zeichnen, malen, studieren sehen, gefahren wurde und
nichts mehr von der Welt erkannte. H�ring lie� sich in seinem Rollsessel
an seine Blumen fahren und pflegte diese.

Unsere j�ngere Generation macht sich das Leben eines solchen
abscheidenden Charakters fr�herer Tage nach �u�ern Notizen leicht
zurecht. Geboren den 23. Juni 1797, Studierender der Rechte, Referendar,
Mystifikator des Publikums mit einer Nachahmung Walter Scotts--dann eine
Zusammenfassung seiner letzten T�tigkeit, die dem "brandenburgischen
Roman" gewidmet gewesen--und der Kern scheint getroffen zu sein. Und
dennoch bieten diese Momente f�r den Forscher, der dem Sein und Werden,
dem Umirren und Wegeverfehlen, dem Suchen und Finden in der Literatur
folgt, bei weitem nicht die gen�genden Anhaltspunkte. Man las bisher �ber
H�ring nur Zusammenfassungen, kurze Res�mees einer dahineilenden Zeit,
die ihre Opfer der Piet�t rasch vollzieht, immer bedacht, nur bald wieder
auf sich selbst zur�ckzukommen.

Bei solchen Res�mees fehlt nat�rlich auch das Zuviel nicht. Die
"m�rkischen Romane" des dahingegangenen Vortrefflichen sind in der Tat
nicht ganz so hoch zu stellen, wie sie etwa die Ank�ndigung des
Buchh�ndlers stellt, der sie als Eigentum besitzt und sie gern "in jeder
deutschen H�tte eingeb�rgert" sehen m�chte. Diese Romane sind reich an
Vorz�gen aller Art. Doch rei�en sie nicht durch eine m�chtige und
eigent�mliche Erfindung fort. Es sind sinnig gedachte, doch nur mit
reproduktiver Umst�ndlichkeit langsam sich fortbewegende Kulturstudien
(�bertreibend bis zu Phantasien) �ber eine Mark Brandenburg, die jetzt
mit Gewalt aus einer bescheidenen Magd in eine seither verkannte K�nigin
aufgeputzt werden soll. Das Toilettenst�ck ist ja im vollen Gange. H�tte
man nicht Berechtigung, jetzt auszurufen: Wollt doch nicht Feigen lesen
von den Disteln, und Trauben von den Dornen! Wollt doch nicht die alten
Gesetze dessen, was sch�n ist, auf den Kopf stellen! Seitdem unsere
Reichstagsabgeordneten ihre Exkursionen nach Potsdam machen und erstaunt
zur�ckkehren, dort so herrliche B�ume, gro�e Gew�sser, sogar in Berlins
n�chster N�he Spuren von "Gegend" zu finden, hat man die m�rkischen
Tannen- und Fichtenw�lder, diese durchsichtigen Linienregimenter, �beraus
poetisch, ja im verwehten Flugsand und dessen d�rftiger Vegetation
landschaftliche Stimmung finden wollen. Kauft man dann noch gar in
Gr�nder-Compagnien diesen Sand mit Fichtenw�ldern in Masse und will
Deutschland einladen, dort H�tten, d.h. Villen, zu bauen, dann zwingt in
der Tat die Au�erkurssetzung des Murg- und Nero-Tals, des rauschenden
Waldes um Eisenach oder Berchtesgaden zum Widerspruch--auch gegen die
�bertreibung des Poetischen, das sich in H�rings m�rkischen Romanen
finden soll. In allem Ernst, durch das Preisen und Aufputzen des
D�rftigen, �rmlichen, Unzul�nglichen der Mark vers�ndigt man sich an
jener Welt, die seither f�r sch�n gegolten hat und deren Zaubergewalt
auch dem m�rkischen Romantiker H�ring selbst zu oft vor die Seele trat,
als da� es ihn nicht m�chtig nach dem S�den h�tte ziehen, zu dem
Gest�ndnisse zwingen sollen: "Ja in Neapel!" Seine "Wiener Bilder" sind
eine wahre Befreiung des Gem�ts vom Tifteln einer Stimmung, die sich auch
in Pankow und Sch�nhausen bei Berlin (ja, ja, die Eichen und Erinnerungen
Sch�nhausens sind sch�n, und w�re nur dem Park mehr Pflege zu w�nschen!)
dem gro�en Naturgeiste nahe f�hlen m�chte. In dem frisch geschriebenen
Buche, das wir nannten, wird dem deutschen S�den, der blauen Donau, den
schneebekr�nzten Alpen, seinen Menschen und Sitten ihr volles
Recht zuteil.

Vor sechs Jahren, bald nach den Tagen von K�niggr�tz und Nikolsburg,
brachte die "Allg. Ztg." einen Aufsatz: "Willibald Alexis und die
'preu�ische' Dichtung unserer Zeit." Der Verfasser war einer der
begabtesten unserer j�ngern Erz�hler, Wilhelm Jensen. Dieser, selbst aus
Deutschlands nordischer Mark, aus den Herzogt�mern, geb�rtig, glaubte mit
seinem beredten F�rwort einen Beitrag zu geben zur Ann�herung zwischen
deutschem S�d und Nord. Der Streit, welcher in der Familie gef�hrt worden
w�re, hie� es, m��te auch in der Familie geschlichtet werden. "Wenn ein
Dichter oder irgendein Mann der Gegenwart es vermag, die Abneigung
auszutilgen, welche sich des deutschen S�dens gegen den Norden, gegen
Preu�en und vor allem gegen dasjenige, was man sich gew�hnt hat, als den
Kern und Typus dieses Volkes anzusehen, gegen die Mark Brandenburg und
ihre Hauptstadt bem�chtigt hat, so ist es Willibald Alexis." Der junge
Nordlandssohn fordert S�ddeutschland auf, an diese Quelle der Vers�hnung,
"die Werke des Hrn. G. W. H�ring", sich zu begeben. Scherenberg, setzt er
hinzu, Hesekiel, Fontane (Namen, die seit Jahren die Anspr�che auch der
"Kreuzzeitung" auf den Parna� vertreten) reihen sich dann bei dem
Vermittler an den Hauptvertreter der geistigen Vers�hnung an, welchem der
vielleicht feurigste Mund, der sich je �ber einen noch lebenden Autor
ergangen hat, Opfer der Anerkennung bringt, die in der Tat den Leser
fortzurei�en verm�gen, weil der frische Geist der Huldigung Satz f�r Satz
zu gleicher Zeit Behauptungen aufstellt, die frappieren, zum Nachdenken
reizen, zuweilen als unhaltbar, oft aber als treffend erscheinen d�rfen
und somit zuletzt den Leser in einen Strudel von Herrlichkeiten
fortrei�en, die er alle in Willibald Alexis' Romanen finden soll....

Das Wahre daran sei dahingestellt. Soviel steht fest, H�rings, des
ungl�cklichen Mannes, dem wir das innigste Andenken bewahren, Entwicklung
ging nicht mit so ausgedehnten Schwingen, nicht mit solchen Adlerfl�geln.
Niedrig war der Strich seines Fluges niemals. Niemals--um ebenfalls
m�rkisch zu reden--glich er dem Kiebitz, der bald links, bald rechts die
Beine verschr�nkend am Meeresstrande dahinstreicht. Nein, was konnte an
sich k�hner sein, als ein Erstlingswerk mit dem Namen Walter Scotts
einzuf�hren? Eine Tat, die man damals als Eulenspiege1streich belachte.
Jetzt hat uns die "Kritik des gesunden Menschenverstandes" so
gewissensstreng gemacht, da� wir in der Wiederholung eines solchen alten
Literaturspa�es einen bedenklichen Kasus verletzter Moral--"Zuchtlosigkeit"
sagten ja wohl die alten "Grenzboten"--erblicken w�rden! Aber der
belletristische Trieb des jungen Exreferendars tastete lange bald nach
diesem, bald jenem Gebiete hin, folgte allerlei Impulsen, k�nstlich
gepflegten Neigungen. Seine Natur lie� nichts frei aus einem �bervollen
Innern hervorstr�men. Selbst die Chronik der B�hnen Berlins weist einige
dramatische Anl�ufe auf, die schnell wieder aufgegeben wurden. Die "Allg.
Ztg." bucht einmal die Ereignisse. So darf sie auch die Zeiten nicht
�berspringen und die Tage nicht vergessen, wo H�ring noch zu den
Unentschlossenen geh�rte, wo Ludwig B�rne jenen mit gutem Essig und gutem
�l (beim Salat will das alles sagen) angerichteten "H�rings-Salat"
schrieb, Erinnerungen an die Zeit, wo Wilhelm H�ring und Ludwig Robert,
damals zensurgem��e Belletristen der Restaurationsperiode, den zum Besuch
nach Berlin gekommenen Frankfurter Humoristen, der einen allbewunderten
Aufsatz �ber die Sontag geschrieben hatte, durch die Stra�en und
Gesellschaften Berlins f�hrten, worauf bei jeder Vorstellung eines
eilends vor�berschie�enden Bekannten regelm��ig derselbe Dialog
hervorgebracht wurde. Vorstellung: "Hofrat! B�rne!" Verwunderung und
Entz�cken: "B�rne? Sontag? G�ttlich!" Es war die Zeit nach der
Julirevolution, wo so mancher in Liberalismus gar so weise und vorsichtig
machte und nur den Anschauungen des Polizeistaates verfiel. In jenen
Tagen bot besonders die Haltung einer gro�en Leipziger Buchhandlung mit
ihren einflu�reichen Bl�ttern und Sammelwerken, die im literarischen
Verkehr wenigstens Nord- und Mitteldeutschlands entschieden den Ton
angaben, den Mittelpunkt f�r eine Richtung, der sich auch H�ring allzu
eng anschlo�. Die junge aufstrebende Bewegung der Geister innerhalb der
sch�nen Literatur, dann die sich vorzugsweise aus dem Universit�tsleben
entwickelnde philosophische Kritik wurden von dorther bek�mpft. Aus jener
Zeit stammt der "Neue Pitaval", wo schon der Name des Mitherausgebers,
Kriminaldirektors Hitzig, auf diejenige Berliner Sph�re schlie�en l��t,
wo man freisinnig am Teetisch war, im B�ro aber tat, was die
Obern wollten.

Und auch darin irren sich unsere schnell zusammenfassenden, nur aus dem
Konversationslexikon orientierten Nekrologe, da� sie schon von "gro�en
Erfolgen" z.B. des "Cabanis" sprechen. Nein, unser wackerer Freund hat
sich redlich m�hen, gegen eine "See von Plagen" und "die Pfeile des
Geschicks" r�sten m�ssen. Ein junger Verleger namens Fincke wollte das
Manuskript des "Cabanis" durchaus in sechs Teilen bringen. Da mu�te der
letzte und vorletzte Band jeder kaum 100 Seiten betragen! Diese
ungl�ckliche Idee, die ein warmes, spannendes Interesse bei einem
sprunghaft, abgerissen gearbeiteten Werk nicht aufkommen lie�, wurde nur
durch eine f�r jene Zeit des bedruckten L�schpapiers �berraschend
geschmackvolle Ausstattung einigerma�en wiedergutgemacht. Mi�mutig �ber
die Art, wie sich die Buchh�ndler zu den Autoren zu stellen pflegen,
begr�ndete H�ring selbst eine Buchhandlung. Die Operationen seines
Kapitals deckte ein anderer Name. Auch hier traten Mi�erfolge,
Bek�mmernisse, Verwicklungen aller Art ein. Die Hoffnung auf eine
W�rdigung seiner m�rkischen Romane, die zun�chst durch H�rings m�chtig
pulsierendes Heimatgef�hl und vielleicht auch durch Nachahmung des
vielgepriesenen Kleistschen "Kohlhaas" hervorgerufen wurden, betrog ihn
nur innerhalb Berlins nicht. Nach au�en hin fand sich kein Interesse. Nur
die "Inexpressibles" des Hrn. v. Bredow belustigten....

Das Jahr 1848 �berraschte unsern rastlos t�tigen, immer geistesfrischen
Wilhelm H�ring in Italien. Eine Stellung, die er zur "Vossischen Zeitung"
antrat, f�hrte ihn rasch in die richtige Stra�e der Bewegung, bewahrte
ihn vor unklarem W�hlen und Handeln in Tagen, wo so viel geirrt, so viel
bereut worden ist. Diesem Entschlu�, einem viel gelesenen Blatte seinen
emsigen Flei�, seine gewandte Federf�hrung, sein reiches Wissen auf allen
Gebieten nutzbar zu machen, widmete er sich mit voller Hingebung. Er tat
es mit befreitem, von Vorurteilen erl�stem Sinn. So vieles, worauf auch
er in den vorm�rzlichen Tagen noch Nachdruck gelegt hatte, war ja
vergessen. Alles Mehr oder Minder, alles So oder So hatte neuen, gr��eren
Geschenken des Jahrhunderts Platz gemacht. Jene vorm�rzliche Ann�herung
an einen F�rsten, von welchem er Anerkennung seiner patriotischen
Vorliebe f�r m�rkische D�rfer, Sandwege mit einsam frierenden Halmen,
Tannenw�lder mit Eichh�rnchen und gewissen wie schon ged�rrt auf die Welt
kommenden Bl�ten, speziell m�rkischen Rispengattungen (ich charakterisiere
eine Naturbetrachtung, die uns mit Adalbert Stifter im Salzkammergut
entz�cken, zwischen "Schierke und Elend" nur zur Verzweiflung bringen
kann)--diese Ann�herung konnte ihm keine Dem�tigung, keine �ffentlich
auferlegte Kr�nkung mehr bringen. In den vorm�rzlichen Tagen besuchte ich
ihn in Berlin. Wie leise hauchte er jedes Wort! Wie spionenhaft belauscht
f�hlte sich all sein Tun! Ganz in Varnhagens Weise sp�rte er �berall
Ungewitter und Heimliches in der Luft. Dieser Druck war endlich gefallen
und die sch�nste Frucht der Erhebung durch die Zeit wurde H�rings bester
Roman: "Ruhe ist die erste B�rgerpflicht." In diesem ausgezeichneten
Gem�lde hatte man nichts von den weglosen L�ngen seiner m�rkischen Walter
Scottiaden, von den langen Konversationen nicht mithandelnder Personen,
von den gewissen Theater-Reminiszenzen in den Situationen und Charakteren.
Hier waren die historisch erwiesenen Pers�nlichkeiten wie im Portraitstil
gehalten. Haugwitz, Lucchesini, die Pioniere des preu�ischen Unterganges,
traten so greifbar und in so spannend verbundenen Situationen vor unser
Auge, da� uns noch jetzt, jedesmal wenn die Droschke gem�tlich durch die
Linden- oder Br�derstra�e schlendert, die in den historischen H�usern
derselben (wenn sie nicht schon demoliert sind) spielenden Begebenheiten
dieses Romans einfallen. Preu�en war durch Olm�tz auf die absch�ssige
Seite der schiefen Ebene geraten. �ber dem ganzen Gem�lde lag das bange
Vorgef�hl neuer verh�ngnisvoller St�rme, die f�r das damals von
Manteuffel regierte Preu�en heraufziehen m��ten....




Lyrisches aus dem Zeitungsviertel (1873)


... F�r die bedeutendsten neuern Erscheinungen auf dem Gebiete der
gebundenen Rede gelten jetzt Hamerling und Scheffel, jener unter
�sterreichischen, dieser unter rheinischen Voraussetzungen--wozu die dem
norddeutschen Ohr unertr�glichen falschen Reime (reiten und leiden)
geh�ren. Eingef�hrt sind hier beide--dieser durch Studenten, die in
Heidelberg studierten; jener durch Wienerinnen, die sich hieher
verheirateten. Schule, Salon, Konversation und Journalistik haben wenig
zu ihrer Verbreitung getan, und noch jetzt w�rde der gebildete Kalkulator
(Rechnungsrat), der einen gef�hlvollen Sonntagmorgenspaziergang im
Tiergarten unternimmt, seine Stimmung ganz durch den Dichter Ferrand
befriedigt f�hlen, der vor 30 Jahren in Berlin f�r einen klassischen
galt. Die Berliner Poeten, die sich sp�ter auf einem traurig
untergegangenen Schiffe "Argo" versammelten, sind teils aus dem Leben
geschieden, teils in andere Winde zerstreut oder an andere Berufszweige,
z.B. Theaterkritiken zu schreiben, �bergegangen. Wir kommen hiebei, ohne
diese Metamorphose heute n�her zu besprechen, der "Vossischen Zeitung"
sehr nahe, und nehmen vom B�chertisch ein in Goldschnitt gebundenes
zierliches B�ndchen: "Gedichte von Hermann Kletke." (Berlin, Schr�der
1873).

Wie ein Redakteur en Chef, der sechsmal in der Woche eine Zeitungsnummer
mit zuweilen 10 eng gedruckten Beilagen zu beschaffen hat, der von
hundert Gesuchen, Reklamationen, selbst Erw�gungen technischer
Schwierigkeiten mit dem Umbrecher (metteur en pages) st�ndlich in
Anspruch genommen wird, noch Stimmung gewinnen und diese erhalten kann,
sich der lyrischen Muse zu widmen, begreift sich nur aus dem Gesetz der
Kontraste und dem selbst f�r das politische Gebiet zum Rechnungtragen,
zur R�cksichtnahme, zur M��igung gestimmten weichen Naturell des hier in
Frage stehenden Dichters selbst. Die heilige Nacht, die, ach! manchem
politischen Redakteur (gl�cklich, wer um 9 Uhr abschlie�en darf!) allein
zur Erholung �brig bleibt, spielt denn auch in Verbindung mit dem Mond
und den Sternen, dem Brunnengepl�tscher, den W�chtern usw. in den
wohlgeformten, nur etwas zu epigrammatisch kurz gehaltenen Gedichten
Kletkes eine hervorragende Rolle. Im Gefolge der Nacht gehen Traum, Tod,
Jenseits, die vollkommenen Gegens�tze des Leitartikels, der uns des
Morgens beim Kaffee an die Gegenwart fesselt. F�r jede "Ente", die unser
Dichter in seiner Zeitung wider Willen hat schwimmen lassen m�ssen,
rudert hier ein Schwan. Die Schw�ne, die Blumen, die Nachen, die Sonne
und besonders das sonst den Lyrikern wenig zustr�mende Gold, der ganze
Apparat der deutschen Lyrik, sind vom Dichter umgesetzt in Situationen
anziehender Art, das Gold in Abendr�ten, ins Gl�hen der M�dchenwange, in
den Wellenspiegel des Sees, auch in die Tiefen eines gepriesenen edlen
Charakters. Kurz, es gibt sich ein in dieser nihilistischen Zeit, und
zumal auf dem Gebiete der Publizistik, in der Tat seltenes, kindlich
reines, weihevolles Leben in diesen Gedichten kund. Und keineswegs ist es
ein Leben nach der Richtschnur �berlieferter Traditionen. Selbst den
Greis ergreift noch der Reiz des Sch�nen, die m�chtig wieder auflebende
Erinnerung, der Ton geht zuweilen in die dem Saturn trotzende Weise des
Hafis �ber--aber bald (und vielleicht zu oft f�r diese immer gleiche
Pointe) naht Sturm, oder bricht Nacht herein, oder pocht der Tod an die
T�r und macht so dem vorgef�hrten Bild ein Ende. Wenn wir ferner als
tadelndes Wort noch von einer gewissen zuweit getriebenen Knappheit der
Form sprechen, so ist allerdings damit zun�chst ein Lob ausgesprochen,
das des Entferntseins jeder phrasenhaften Prolixit�t; aber doch ist die
�bertragung der st�ndlichen Parole, die ein Redakteur en Chef im Munde
f�hren mu�: "Nur kurz! Nur kurz!" auf den lyrischen Mitteilungsdrang
bedenklich. Bei Gedichten ist der Rotstift nicht angebracht. Es ist
diesen zarten Eingebungen sch�dlich, wenn man sie zweimal lesen mu�, um
sie zu verstehen, wie die weiland Gubitzschen Rezensionen in der
"Vossischen Zeitung". In der Tat sind viele der Kletkeschen Gedichte so
kompre� in der Form gehalten, so zugleich von irgendeinem zuf�lligen, dem
Leser nicht sofort gel�ufigen Umstande veranla�t, da� es ein l�ngeres
Verweilen kostet, eine Vertiefung in die gebrauchten Bilder, um in die
Konstruktionen und ihren Sinn einzudringen. Am ungezwungensten bewegt
sich des Dichters Humor. Im Scherz, angeregt von Vorkommnissen des
t�glichen Lebens, besonders der Familie, flie�t die dichterische Sprache
mit kristallner Klarheit voll und m�chtig. Den Gesellschaftsliedern l��t
sich unmittelbare Sangbarkeit und vor allem Geschmack nachr�hmen.
Letzterer wird doch wohl bei den Trinkliedern unserer Zeit nicht immer
eingehalten? Man glaubt jetzt manches derartige, das dem Jahrhundert
besonders zu gefallen scheint, nur f�r eine Tafelrunde ger�teter
Nasen bestimmt.




Louise M�hlbach und die moderne Romanindustrie (1873)


Heute ist Auktion des Louise M�hlbachschen Nachlasses! Nicht ihrer
Manuskripte--denn diese gingen mit noch nicht getrockneter Tinte sofort
in die Druckereien--sondern ihrer M�bel, Teppiche, Vorh�nge, Pend�len,
Gem�lde, Vasen und der �gyptischen Andenken, die alle in einer Etage der
Potsdamer Stra�e charakteristisch gruppiert standen! Hoffentlich hat die
enthusiastische �bersch�tzung, die der so pl�tzlich der Welt Entr�ckten
jenseits des Ozeans zuteil wurde, ein reiches Kontingent von
amerikanischen Steigerern herbeigef�hrt, das auch f�r eine alte
Stahlfeder, die von ihr gebraucht wurde, f�nfzig Dollars zu zahlen bereit
ist! Denn ganz Berlin ist erstaunt �ber die Zerr�ttung der Louise
M�hlbachschen Verm�gensverh�ltnisse! Die Verstorbene hatte die
gl�nzendsten Honorare bezogen. Sie soll vom Khedive au�ergew�hnliche
Geldspenden erhalten haben. Sie gab Diners und Soupers von lukullischer
F�lle. Sie reiste ohne die mindeste Einschr�nkung wie eine F�rstin. Bei
alledem soll f�r ihre noch unversorgte Tochter nichts als eine
Schuldenlast vorhanden sein, wodurch die Bedauernswerte vielleicht
gen�tigt sein d�rfte, die Erbschaft nur "unter der Wohltat des Inventars"
anzutreten.

Mitten aus angefangenen Romanen, die des Morgens gegen 10 Uhr einer
Stenographin zwei bis drei Stunden lang diktiert wurden, ist die
merkw�rdige Frau durch den Tod abgefordert worden, den unerbittlichen
Tod, den sie durch kein Zeichen ihres Lebens und Verhaltens als auch f�r
sie schon herannahend geahnt hatte. Wenn es vol1st�ndig "diesseitige"
Menschen gibt, Individuen, f�r die man sich im Jenseits, falls man nicht
mit den alten �gyptern an die Seelenwanderung glauben wollte, nirgends
eine passende Unterkunft und Ankn�pfung denken kann, so sind dies die
reinen Lebens- und Genu�naturen. Louise M�hlbach war eine solche. Sie war
die ewig Unerschrockene, immer Mutige, immer auf der Bresche Stehende.
Imperterrita h�tte sie irgendein Romantiker der Spanier in einem Drama
genannt, das sich vielleicht aus ihrem fr�hern romantischen Leben selbst
h�tte formen lassen. Ihren Freunden wird der resolute, mutige, keine
Gefahr oder Anstrengung scheuende, etwas breit-mecklenburgische Klang
ihrer Stimme unverge�lich bleiben. Keine Niederlage dr�ckte sie zu Boden.
Die freudigste Zuversicht, Siegesgewi�heit, Trotz bei jedem Unternehmen
lag in ihren Z�gen, in ihren Worten. Widersprachen die Tatsachen, so
hatte sie der Auswege so viele wie ein Feldherr, der nach einer verlornen
Schlacht doch noch seinen R�ckzug imposant zu maskieren versteht.

Auf den "Berliner B�chertisch" k�nnte nur ihr letztes, von Fl�chtigkeiten
wimmelndes Werk "Kaiser Wilhelm und seine Helden" geh�ren, verlegt von
einer hiesigen Buchhandlung (Werner Gro�e), die nur einen massenhaften
Absatz in den mittlern und untern Regionen anstrebt. Es war eine schon
von ihren zerr�tteten Finanzen herstammende Unsitte, da� sich die in den
Stoffen bedr�ngte Frau, die durchaus ihre alten Erfolge wieder erobern
wollte, an lebende m�chtige Pers�nlichkeiten anschlo�, schon den
Erzherzog Johann von �sterreich als Romanstoff verarbeitete, w�hrend der
ehemalige Reichsverweser noch ruhig auf seinem Schlo� in Steiermark sa�,
an Napoleon schrieb (siehe die "Enth�llungen aus den Tuilerien"), weil
sie Hortense und die napoleonische Romantik verherrlichen, auch � tout
prix an den Feierlichkeiten bei Einweihung des Suezkanals beteiligt sein
wollte usw. Die Unsitte der "Aktualit�t" ist jetzt durch den ehemaligen
Welfenagitator Meding, genannt Samarow, so weit gediehen, da� wir Romane
zu lesen bekommen, wo in einer Szene Lasker mit Bismarck �ber einen
Kompromi� unterhandelt, Herr v. Keudell dabei eine Zigarre raucht und
Lothar Bucher, ans Fenster gelehnt, scheinbar gleichg�ltig eine englische
Zeitung liest. Die Poesielosigkeit, die Unbildung, das Yankeetum unseres
Zeitalters sind die Bef�rderer dieses ans Kindische streifenden
Mi�brauchs einer raschen und gewandten Feder geworden, die sogar nicht
mehr angesetzt wird. Die Phantasie, die nur den Bogen f�llen will,
bedient sich der Stenographie. Yankeetum nennen wir hier jene fast an den
Urzustand von Wilden erinnernde ma�lose Schausucht, die gierig durch die
Masse sich mit eingestemmten Armen Bahn bricht und alles anstaunt, alles
belorgnettiert, alles im Bild anschaulich gemacht sehen will,
Hinrichtungen, Schreckensvorf�lle, Weltausstellungsspektakel usw. Ganz
Nordamerika leidet an diesem Sensationsfieber, w�hrend sich doch Europa,
nach einigen Aufregungen, l�ngst, wenigstens in den Kreisen der Bildung,
beruhigt hat. Sollte man glauben, da� ein New-Yorker Blatt Louise
M�hlbach nicht blo� nach Wien, sondern auch nach Ems schickte, um dort
das diesj�hrige (so stille, friedliche, von nicht der mindesten
"Sensation" begleitete) Erscheinen des Kaisers an der Kr�hnchen-Quelle zu
beobachten und zu beschreiben! Sie flog von Wien nach Ems, machte dann
selbst in Marienbad eine Kur, erk�ltete sich, legte sich in Berlin ohne
die mindeste Ahnung ihres gefahrvollen Zustandes ins Bett und ist im
bewu�tlosen Zustande, ohne Schmerzgef�hl, aus dem Leben geschieden. Als
man ihre Leiche neben meinem alten Kampfgenossen Theodor Mundt in die
Grube senkte und manchem des w�rdigen Sydow Sargweihe-Rede als zu herb
noch im Ohre klang, h�tte ich, wenn hier Laien-Grabreden Sitte w�ren, dem
Thema: "Richtet nicht--!" erwidern m�gen: Auch diese Prunk- und
Prahlsucht, die du zu verurteilen scheinst--forsche nur nach,
Priester!--, es lag ihr blo� die weibliche Liebe zugrunde! Liebe zuerst
zu ihrem Gatten, der ihr bedeutender, anerkennenswerter erschien, als ihn
die schulm��ige Wissenschaft Berlins wollte aufkommen lassen, oder
diejenige Berliner Anerkennung, der man nur mit Titeln und Orden
imponieren kann! Die Liebe war es, die auch allm�hlich die
mephistophelische, satirische, ja zynisch verbitterte Verachtung der Welt
annahm, die sich allm�hlich des Gatten und zur�ckgesetzten Professors
bem�chtigt hatte! Liebe, Liebe allein lie� den Schein entstehen, als wenn
die moderne Literatur mit dem Adel, mit der Kaufmannswelt, mit den
tausend Anma�ungen und hochgetragenen Nasen der Anma�ung ringsum
rivalisieren k�nnte! Es ist ein alter Satz, den George Sand nur
wiederholt hat, wenn man ihn als von ihr herr�hrend anf�hrt, da� unsere
Fehler die �bertreibungen unserer Tugenden sind. Dies auf das allerdings
erschreckende Syst�me de bascule angewandt, wie Louise M�hlbach
verstanden hat, sich bei den bekannten Lieferanten von Luxus- und
Genu�gegenst�nden einen Kredit von Tausenden zu machen und zu erhalten,
gibt einen Einblick in die Stufenfolge der Entwicklung der Charaktere.
Die Verschwendung dieser Frau war nicht ganz die Folge der pers�nlichen
Eitelkeit, sondern eine Folge des Widerstandes, den der erlaubte Ehrgeiz
geistig Schaffender der breitspurigen, vom Gl�cke beg�nstigten
Alltagswelt leisten m�chte. "Erlaubt"--? sagte ich von ihrem Ehrgeiz?
Nun, in Bezug auf "Friedrich der Gro�e und die Seinen" und "Kaiser
Joseph" m�chten wir in unsers Helmerding so k�stlich vorgetragenes
Couplet mit dem Refrain: "Dazu geh�rt wahrhaftig doch Talent!" mit
einstimmen.

In fast allen Berichten �ber die Gegenwartsliteratur findet man den Satz
aufgestellt: da� der eigentliche poetische Ausdruck der Zeit der Roman
sei. Besonders bei Einleitungen zu einer Besprechung �ber einen neu
erschienenen Roman von N. N. begegnet man regelm��ig diesem Axiom von
fragw�rdiger Tragweite. H�tte der betreffende Autor, dessen Zeltkamerad
und wahrscheinlicher t�glicher Zigarrenkastengenosse der Rezensent zu
sein pflegt, zuf�llig ein Drama als epochemachend zu bezeichnen, so w�rde
ihm niemand, der die Unzahl der �berall erstehenden Theater erw�gt und
das trotz der "Krachs" wieder beginnende Billet-Rennen, widersprechen
k�nnen. Aber genau erwogen ist jener Satz weder f�r den Roman noch f�r
die B�hne erweislich. Wenn z.B. heute ein origineller, aus Kunst und
Naivit�t geschaffener Geist wie Robert Burns der deutschen Literatur,
die �hnliches nur in den Ans�tzen einiger verschollener "Naturdichter"
besitzt, geschenkt werden k�nnte, warum sollte er nicht in den Vordergrund
treten und wieder auch f�r die Berechtigung der Lyrik zeugen k�nnen! Von
einem Hindurchgehenm�ssen des �sthetischen Begriffs, wie Carri�re sagen
w�rde, in "welthistorischer Entwicklung", ausschlie�lich durch den Roman,
scheint mir gar keine Rede. Macht gute Dramen, und alle Welt wird davon
erf�llt sein! Macht ein "reizendes" Epos (ich spreche berlinisch), und es
wird auf jedem Toilettentisch liegen!

Schon deshalb mu� man jenen Einleitungssatz zu den Rezensionen �ber die
Romane von N.N. und N.N. ablehnen, weil die Ablagerung der
schriftstellerischen Impotenz im Roman eine Ausdehnung angenommen hat,
die schreckenerregend ist. Junge M�dchen ohne jede Lebenserfahrung, nur
von den Reminiszenzen ihrer Lekt�re erf�llt, h�ufen Bogen auf Bogen und
finden Gelegenheit, ihre Konvolute drucken zu lassen. Frauen
"erfinden"--man kann wohl nach dem Sprichwort sagen: "auf Teufelholen"
--Geschichten von geraubten Kindern, unterdr�ckten Testamenten,
Brandstiftungen, Nichtanerkennungen illegitimer Kinder, Eindringlingen,
die sich, nachdem sie das Herz einer Gr�fin gewonnen haben, als
Galeerensklaven entpuppen, oder sie nehmen Geschichtsstoffe, die in einer
Weise zusammengeknetet werden, die den Melangen der K�chenrezepte
entspricht. Gewisse Memoiren-Exzerpenten, die jahrein jahraus ihre 8-9
B�nde zusammenbringen, die dann vorher schon in der Unzahl unserer
illustrierten Bl�tter verwertet worden waren, schreiben mit umso gr��erem
Vertrauen, als sie nur von Menschen gelesen oder als langweilig beiseite
gelegt werden, die nicht wieder schreiben. Kritik existiert f�r diese
Buchmacherei nicht. Wer soll sie �ben, wer soll sie lesen, durchbl�ttern,
als h�chstens ein auf massenhaftes "Abtun" angewiesener Rezensent in den
"Bl�ttern f�r literarische Unterhaltung"? Nur die Reklame h�lt sie,
worunter nicht die Anzeige "unterm Strich" zu verstehen ist, sondern die
den obern Zeilen ebenb�rtige redaktionelle Meinungs�u�erung, in der Regel
ein vom Autor oder von dem Verleger selbst besorgtes Referat, das jeden
Tadel ausschlie�t. Die Redaktionen der meisten hiesigen Zeitungen sind
froh, wenn sie nur irgendwie die B�cherst��e, die sich bei ihnen
namentlich gegen Weihnachten aufh�ufen, in solcher Art erledigen k�nnen.

Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Berlin--Panorama einer Weltstadt,
von Karl Gutzkow.





End of Project Gutenberg's Berlin--Panorama einer Weltstadt, by Karl Gutzkow

*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK BERLIN--PANORAMA EINER WELTSTADT ***

This file should be named 8berl10.txt or 8berl10.zip
Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 8berl11.txt
VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 8berl10a.txt

Produced by Mike Pullen and Delphine Lettau.

Project Gutenberg eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US
unless a copyright notice is included.  Thus, we usually do not
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.

We are now trying to release all our eBooks one year in advance
of the official release dates, leaving time for better editing.
Please be encouraged to tell us about any error or corrections,
even years after the official publication date.

Please note neither this listing nor its contents are final til
midnight of the last day of the month of any such announcement.
The official release date of all Project Gutenberg eBooks is at
Midnight, Central Time, of the last day of the stated month.  A
preliminary version may often be posted for suggestion, comment
and editing by those who wish to do so.

Most people start at our Web sites at:
http://gutenberg.net or
http://promo.net/pg

These Web sites include award-winning information about Project
Gutenberg, including how to donate, how to help produce our new
eBooks, and how to subscribe to our email newsletter (free!).


Those of you who want to download any eBook before announcement
can get to them as follows, and just download by date.  This is
also a good way to get them instantly upon announcement, as the
indexes our cataloguers produce obviously take a while after an
announcement goes out in the Project Gutenberg Newsletter.

http://www.ibiblio.org/gutenberg/etext03 or
ftp://ftp.ibiblio.org/pub/docs/books/gutenberg/etext03

Or /etext02, 01, 00, 99, 98, 97, 96, 95, 94, 93, 92, 92, 91 or 90

Just search by the first five letters of the filename you want,
as it appears in our Newsletters.


Information about Project Gutenberg (one page)

We produce about two million dollars for each hour we work.  The
time it takes us, a rather conservative estimate, is fifty hours
to get any eBook selected, entered, proofread, edited, copyright
searched and analyzed, the copyright letters written, etc.   Our
projected audience is one hundred million readers.  If the value
per text is nominally estimated at one dollar then we produce $2
million dollars per hour in 2002 as we release over 100 new text
files per month:  1240 more eBooks in 2001 for a total of 4000+
We are already on our way to trying for 2000 more eBooks in 2002
If they reach just 1-2% of the world's population then the total
will reach over half a trillion eBooks given away by year's end.

The Goal of Project Gutenberg is to Give Away 1 Trillion eBooks!
This is ten thousand titles each to one hundred million readers,
which is only about 4% of the present number of computer users.

Here is the briefest record of our progress (* means estimated):

eBooks Year Month

    1  1971 July
   10  1991 January
  100  1994 January
 1000  1997 August
 1500  1998 October
 2000  1999 December
 2500  2000 December
 3000  2001 November
 4000  2001 October/November
 6000  2002 December*
 9000  2003 November*
10000  2004 January*


The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been created
to secure a future for Project Gutenberg into the next millennium.

We need your donations more than ever!

As of February, 2002, contributions are being solicited from people
and organizations in: Alabama, Alaska, Arkansas, Connecticut,
Delaware, District of Columbia, Florida, Georgia, Hawaii, Illinois,
Indiana, Iowa, Kansas, Kentucky, Louisiana, Maine, Massachusetts,
Michigan, Mississippi, Missouri, Montana, Nebraska, Nevada, New
Hampshire, New Jersey, New Mexico, New York, North Carolina, Ohio,
Oklahoma, Oregon, Pennsylvania, Rhode Island, South Carolina, South
Dakota, Tennessee, Texas, Utah, Vermont, Virginia, Washington, West
Virginia, Wisconsin, and Wyoming.

We have filed in all 50 states now, but these are the only ones
that have responded.

As the requirements for other states are met, additions to this list
will be made and fund raising will begin in the additional states.
Please feel free to ask to check the status of your state.

In answer to various questions we have received on this:

We are constantly working on finishing the paperwork to legally
request donations in all 50 states.  If your state is not listed and
you would like to know if we have added it since the list you have,
just ask.

While we cannot solicit donations from people in states where we are
not yet registered, we know of no prohibition against accepting
donations from donors in these states who approach us with an offer to
donate.

International donations are accepted, but we don't know ANYTHING about
how to make them tax-deductible, or even if they CAN be made
deductible, and don't have the staff to handle it even if there are
ways.

Donations by check or money order may be sent to:

Project Gutenberg Literary Archive Foundation
PMB 113
1739 University Ave.
Oxford, MS 38655-4109

Contact us if you want to arrange for a wire transfer or payment
method other than by check or money order.

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation has been approved by
the US Internal Revenue Service as a 501(c)(3) organization with EIN
[Employee Identification Number] 64-622154.  Donations are
tax-deductible to the maximum extent permitted by law.  As fund-raising
requirements for other states are met, additions to this list will be
made and fund-raising will begin in the additional states.

We need your donations more than ever!

You can get up to date donation information online at:

http://www.gutenberg.net/donation.html


***

If you can't reach Project Gutenberg,
you can always email directly to:

Michael S. Hart <hart@pobox.com>

Prof. Hart will answer or forward your message.

We would prefer to send you information by email.


**The Legal Small Print**


(Three Pages)

***START**THE SMALL PRINT!**FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS**START***
Why is this "Small Print!" statement here? You know: lawyers.
They tell us you might sue us if there is something wrong with
your copy of this eBook, even if you got it for free from
someone other than us, and even if what's wrong is not our
fault. So, among other things, this "Small Print!" statement
disclaims most of our liability to you. It also tells you how
you may distribute copies of this eBook if you want to.

*BEFORE!* YOU USE OR READ THIS EBOOK
By using or reading any part of this PROJECT GUTENBERG-tm
eBook, you indicate that you understand, agree to and accept
this "Small Print!" statement. If you do not, you can receive
a refund of the money (if any) you paid for this eBook by
sending a request within 30 days of receiving it to the person
you got it from. If you received this eBook on a physical
medium (such as a disk), you must return it with your request.

ABOUT PROJECT GUTENBERG-TM EBOOKS
This PROJECT GUTENBERG-tm eBook, like most PROJECT GUTENBERG-tm eBooks,
is a "public domain" work distributed by Professor Michael S. Hart
through the Project Gutenberg Association (the "Project").
Among other things, this means that no one owns a United States copyright
on or for this work, so the Project (and you!) can copy and
distribute it in the United States without permission and
without paying copyright royalties. Special rules, set forth
below, apply if you wish to copy and distribute this eBook
under the "PROJECT GUTENBERG" trademark.

Please do not use the "PROJECT GUTENBERG" trademark to market
any commercial products without permission.

To create these eBooks, the Project expends considerable
efforts to identify, transcribe and proofread public domain
works. Despite these efforts, the Project's eBooks and any
medium they may be on may contain "Defects". Among other
things, Defects may take the form of incomplete, inaccurate or
corrupt data, transcription errors, a copyright or other
intellectual property infringement, a defective or damaged
disk or other eBook medium, a computer virus, or computer
codes that damage or cannot be read by your equipment.

LIMITED WARRANTY; DISCLAIMER OF DAMAGES
But for the "Right of Replacement or Refund" described below,
[1] Michael Hart and the Foundation (and any other party you may
receive this eBook from as a PROJECT GUTENBERG-tm eBook) disclaims
all liability to you for damages, costs and expenses, including
legal fees, and [2] YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE OR
UNDER STRICT LIABILITY, OR FOR BREACH OF WARRANTY OR CONTRACT,
INCLUDING BUT NOT LIMITED TO INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE
OR INCIDENTAL DAMAGES, EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE
POSSIBILITY OF SUCH DAMAGES.

If you discover a Defect in this eBook within 90 days of
receiving it, you can receive a refund of the money (if any)
you paid for it by sending an explanatory note within that
time to the person you received it from. If you received it
on a physical medium, you must return it with your note, and
such person may choose to alternatively give you a replacement
copy. If you received it electronically, such person may
choose to alternatively give you a second opportunity to
receive it electronically.

THIS EBOOK IS OTHERWISE PROVIDED TO YOU "AS-IS". NO OTHER
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, ARE MADE TO YOU AS
TO THE EBOOK OR ANY MEDIUM IT MAY BE ON, INCLUDING BUT NOT
LIMITED TO WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR A
PARTICULAR PURPOSE.

Some states do not allow disclaimers of implied warranties or
the exclusion or limitation of consequential damages, so the
above disclaimers and exclusions may not apply to you, and you
may have other legal rights.

INDEMNITY
You will indemnify and hold Michael Hart, the Foundation,
and its trustees and agents, and any volunteers associated
with the production and distribution of Project Gutenberg-tm
texts harmless, from all liability, cost and expense, including
legal fees, that arise directly or indirectly from any of the
following that you do or cause:  [1] distribution of this eBook,
[2] alteration, modification, or addition to the eBook,
or [3] any Defect.

DISTRIBUTION UNDER "PROJECT GUTENBERG-tm"
You may distribute copies of this eBook electronically, or by
disk, book or any other medium if you either delete this
"Small Print!" and all other references to Project Gutenberg,
or:

[1]  Only give exact copies of it.  Among other things, this
     requires that you do not remove, alter or modify the
     eBook or this "small print!" statement.  You may however,
     if you wish, distribute this eBook in machine readable
     binary, compressed, mark-up, or proprietary form,
     including any form resulting from conversion by word
     processing or hypertext software, but only so long as
     *EITHER*:

     [*]  The eBook, when displayed, is clearly readable, and
          does *not* contain characters other than those
          intended by the author of the work, although tilde
          (~), asterisk (*) and underline (_) characters may
          be used to convey punctuation intended by the
          author, and additional characters may be used to
          indicate hypertext links; OR

     [*]  The eBook may be readily converted by the reader at
          no expense into plain ASCII, EBCDIC or equivalent
          form by the program that displays the eBook (as is
          the case, for instance, with most word processors);
          OR

     [*]  You provide, or agree to also provide on request at
          no additional cost, fee or expense, a copy of the
          eBook in its original plain ASCII form (or in EBCDIC
          or other equivalent proprietary form).

[2]  Honor the eBook refund and replacement provisions of this
     "Small Print!" statement.

[3]  Pay a trademark license fee to the Foundation of 20% of the
     gross profits you derive calculated using the method you
     already use to calculate your applicable taxes.  If you
     don't derive profits, no royalty is due.  Royalties are
     payable to "Project Gutenberg Literary Archive Foundation"
     the 60 days following each date you prepare (or were
     legally required to prepare) your annual (or equivalent
     periodic) tax return.  Please contact us beforehand to
     let us know your plans and to work out the details.

WHAT IF YOU *WANT* TO SEND MONEY EVEN IF YOU DON'T HAVE TO?
Project Gutenberg is dedicated to increasing the number of
public domain and licensed works that can be freely distributed
in machine readable form.

The Project gratefully accepts contributions of money, time,
public domain materials, or royalty free copyright licenses.
Money should be paid to the:
"Project Gutenberg Literary Archive Foundation."

If you are interested in contributing scanning equipment or
software or other items, please contact Michael Hart at:
hart@pobox.com

[Portions of this eBook's header and trailer may be reprinted only
when distributed free of all fees.  Copyright (C) 2001, 2002 by
Michael S. Hart.  Project Gutenberg is a TradeMark and may not be
used in any sales of Project Gutenberg eBooks or other materials be
they hardware or software or any other related product without
express permission.]

*END THE SMALL PRINT! FOR PUBLIC DOMAIN EBOOKS*Ver.02/11/02*END*