The Project Gutenberg EBook of Die Witwe von Pisa, by Paul Heyse #6 in our series by Paul Heyse Copyright laws are changing all over the world. Be sure to check the copyright laws for your country before downloading or redistributing this or any other Project Gutenberg eBook. This header should be the first thing seen when viewing this Project Gutenberg file. Please do not remove it. Do not change or edit the header without written permission. Please read the "legal small print," and other information about the eBook and Project Gutenberg at the bottom of this file. Included is important information about your specific rights and restrictions in how the file may be used. 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Die Witwe von Pisa Paul Heyse (1865) �berhaupt scheint mir, da� Sie von den italienischen Frauen eine zu g�nstige Meinung haben. Wieso? fragte ich. Ich habe einige Ihrer Novellen gelesen. Nun, da� diese Arrabbiatas und Anninas doch auch im S�den etwas d�nner ges�et sind, als der geneigte Leser sich einbildet, werden Sie selber zugeben. Beil�ufig, und ganz unter uns: sind es Gesch�pfe Ihrer Phantasie, oder Studien nach dem Leben? Frei nach dem lieben Herrgott, der schwerlich finden wird, da� seine Originale durch meine Bearbeitung gewonnen haben. Mag sein! Aber Sie leugnen doch nicht, da� Sie sich absichtlich immer die besten Exemplare ausgesucht haben? Da d�rfen Sie sich denn nicht beklagen, wenn man Sie zu den Idealisten rechnet. Beklagen? Wie sollte ich wohl! Ich finde mich da in so guter Gesellschaft, da� ich froh bin, wenn ich darin geduldet werde. Ebenfalls im tiefsten Vertrauen, Verehrtester: Ich habe nie eine Figur zeichnen k�nnen, die nicht irgend etwas Liebensw�rdiges gehabt h�tte, vollends nie einen weiblichen Charakter, in den ich nicht bis zu einem gewissen Grade verliebt gewesen w�re. Was mir schon im Leben gleichg�ltig war, oder gar widerw�rtig, warum sollte ich mich in der Poesie damit befassen? Es gibt genug andere, die es vorziehn, das H��liche zu malen. Sehe jeder, wie er's treibe! Sch�n! Und vielleicht sogar richtig! Ich verstehe diese Dinge nicht. Aber ich habe immer sagen h�ren, die Poesie solle das Leben widerspiegeln. Nun denn, das Leben hat doch auch seine Kehrseite. Und zur Wahrheit geh�rt Licht und Schatten. Glauben Sie nicht, da� Sie es der Wahrheit schuldig sind, auch von den minder liebensw�rdigen Figuren, die zum Beispiel in Italien herumlaufen, Notiz zu nehmen? Sobald ich ein Buch �ber den italienischen Volkscharakter ank�ndige--gewi�! Aber ich gebe Geschichten. Wenn ich lieber Gcschichten schreibe, die mir selbst gefallen, als Schattenrisse von der Kehrseite der Natur, wen betr�ge ich, als solche, die ihr Interesse dabei finden, sich betr�gen zu lassen? Aber Sie haben mich auf die vielberufene Kehrseite neugierig gemacht. Was verstehen Sie darunter? Hin! Das ist leicht gesagt. Wenn ich nicht sehr irre, ist es die unverf�lschte Naturkraft, die Sie an diesen Weibern anzieht, der Mangel der zahmen und lahmen Pensionats- und Institutserziehung, das Wildw�chsige mit einem Wort. Und die edle Rasse, nicht zu vergessen; eben jene reiche Anlage, die man viel getroster sich selbst �berlassen darf als eine von Hause aus d�rftigere Natur--schaltete ich ein. Einverstanden! Und ich gebe Ihnen auch das noch zu, da� die Leidenschaften unter diesem Himmel sich in einem gewissen gro�en Stil, in einer nat�rlichen Erhabenheit austoben, selbst die allerverr�cktesten; da� sogar die Hauptleidenschaft des Geschlechts--diesseits wie Jenseits der Berge--bei aller Komik hier etwas Grandioses beh�lt. Eine, Hauptleidenschaft? Ich meine die Sucht, einen Mann zu bekommen. Sie lachen? Ich kann Ihnen sagen, da� mir die Sache au�er Spa� ist, seit ich Gelegenheit gehabt habe, �ber diesen Punkt n�here Studien zu machen. Auf die ich begierig w�re. Ich will Ihnen das Abenteuer nicht vorenthalten, obwohl es f�r einen Idealisten, wie Sie sind, kein dankbarer Stoff sein wird. Nur soll mir unser Kondukteur erst etwas Feuer geben. Un po' di fuoco, s'il vous pla�t, Monsieur?-Dieses Gespr�ch wurde in einer sch�nen Sommernacht hoch oben in der Imperiale einer franz�sischen Diligence gef�hrt, die von zwei Pferden und vierzehn Maultieren in kurzem Trabe die breite Stra�e des Mont Cenis hinaufgeschleppt wurde. Obwohl der Himmel herrlich ausgestirnt war, lag doch nur ein schwacher Schein auf den T�lern zur Seite des Weges, aus denen die schweren Wipfel der Kastanien heraufragten, so da� man auf den Genu� der Aussicht verzichten mu�te. Und da Peitschenknall, Zuruf der Maultiertreiber, die neben ihren langgespannten Tieren bergan liefen, und das hundertfache Schellengel�ute auch einen gesunden Schlaf nicht aufkommen lie�en, mu�te ein deutscher Schriftsteller noch zufrieden sein, wenn er dreitausend Fu� �ber dem Meeresspiegel einen so wohlwollenden Rezensenten neben sich fand, wie mein Coup�nachbar bei aller Meinungsverschiedenheit zu sein schien. Wir waren schon von Turm aus die Bahnstrecke bis ans Gebirge zusammen gefahren, schweigsam jeder in einen Winkel gedr�ckt. Erst der Namensaufruf bei der Verteilung der Pl�tze hatte das Eis gebrochen, da wir uns beide nicht ganz fremd waren. Kennen Sie Pisa? fragte er, nachdem er seine Zigarre an der Pfeife des Franzosen angez�ndet hatte. Ich erz�hlte ihm, da� ich erst vor kurzem volle vierzehn Tage in dieser stillsten aller Universit�tsst�dte der Welt Studierens halber zugebracht h�tte. Nun, dann kennen Sie am Ende meine Witwe vom Sehen oder doch vom H�ren. Sind Sie nie in der breiten Stra�e, die der Borgo hei�t, an einem Hause mit gr�nen Jalousien vorbeigekommen und haben aus einem Fenster des ersten Stockwerkes eine schmetternde Sopranstimme jenes Duett aus der "Norma" singen h�ren: Ah sin' all' ore all' ore estreme--? Ich verneinte. Danken Sie Ihrem Sch�pfer, sagte er mit einem Seufzer, der aus einer hartgepr�ften Brust zu kommen schien. Sehen Sie, diese Stimme war mein Verderben. Ich bin leider ganz unmusikalisch, sonst h�tte sie mich vielleicht gewarnt, statt mich ins Netz zu locken. Aber wenn man in ein paar Dutzend uns�uberlichen Studentenwohnungen herumgekrochen ist--die besseren m�blierten Zimmer waren, mitten im Semester, schon l�ngst vergeben--, und h�rt dann aus einem reinlichen Hause, an dem der Mietszettel h�ngt, eine Frauenstimme fl�ten, so werden Sie begreifen, da� man eine Stimme des Himmels zu vernehmen glaubt, auch wenn man ein besserer Musikus ist als ich. Ich mu� aber erst voranschicken, was ich eigentlich in Pisa zu suchen hatte. Sehen Sie, das h�ngt so zusammen. Ich bin Architekt, wie Sie wissen. In dem kleinen deutschen Raubstaat, den ich als mein engeres, leider viel zu enges Vaterland pflichtschuldigst liebe und ehre, bin ich, ohne Ruhm zu melden, so ziemlich der einzige meines Faches, der etwas zu bauen versteht, was �ber die landl�ufigen Menschenst�lle von drei Stockwerken hinausgeht. Wenn Sie einmal durch N. kommen sollten, vers�umen Sie nicht, unser neues Zeughaus anzusehen, worin die sieben Landeskanonen sorgf�ltig unter Schlo� und Riegel gehalten werden, damit sie nicht �ber die Landesgrenze wegschie�en. Dieses Arsenal habe ich gebaut und mir dadurch nicht nur den Dank des Vaterlandes, sondern auch die besondere Gunst unseres Serenissimus erworben. Wenn er noch einmal seinen Lieblingsplan ausf�hrt, eine Mauer um sein Land auff�hren zu lassen nach dem Muster der chinesischen, kann ich dieses ruhmreichen Auftrages sicher sein. Vorl�ufig hat er mir seine Huld auf eine unscheinbarere, aber mir angenehmere Weise bezeigt, indem er mich mit einem wissenschaftlichen Auftrage nach Italien schickte. Wir besitzen n�mlich als eine der Hauptsehensw�rdigkeiten unserer Residenz mitten im Schlo�park einen schiefen Turm. B�swillige, unpatriotische Menschen behaupten, es sei mit dieser k�nstlerischen Merkw�rdigkeit sehr nat�rlich zugegangen, da ein sp�ter angelegter Karpfenteich in der N�he dieses ehemaligen Wachtt�rmchens den Boden ringsumher aufgeweicht und so die Senkung verursacht habe. Man kann unseren Landesvater nicht st�rker beleidigen, als wenn man diese hochverr�terische Meinung �u�ert. Als er daher eines Tages auch mich um mein sachverst�ndiges Urteil befragte, war ich Diplomat genug, zu antworten, ich sei, da ich Italien nicht kenne, au�erstande, nachzuweisen, in welchem historischen Zusammenhange unser schiefer Turm mit den ber�hmteren von Pisa, Bologna, Modena u.s.w. stehen m�chte. Nur ein umfassendes Studium des gesamten mittelalterlichen Schiefbaues k�nne zu einer gerechten W�rdigung unserer heimatlichen monumentalen Romantik das Material liefern. Das wirkte. Schon Tags darauf erhielt ich durch Kabinettsschreiben den allerh�chsten Auftrag, eine Kunstreise nach Italien auf ein ganzes Jahr anzutreten, um auf Kosten der Kabinettskasse Studien zu einem umfassenden Werk �ber die schiefen T�rme Italiens und Deutschlands zu machen. Ich ging um so freudiger darauf ein, weil ich mich vor kurzem verlobt hatte und ohne eine solche h�here Mission mich schwerlich so bald losgerissen h�tte, das gelobte Land endlich mit Augen zu sehen, was ich doch meinem Beruf l�ngst schuldig gewesen w�re. Erlauben Sie mir zu bemerken, sagte ich, da� nach diesen Mitteilungen Ihre Erfahrungen mit italienischen M�dchen und Frauen mir nicht mehr so beweiskr�ftig scheinen wie vorher. Ein deutscher Br�utigam, der besonders auf alles Schiefgewachsene sein Augenmerk zu richten hat-Im allerh�chsten Auftrage! fiel er mir lachend ins Wort. Aber ein Jahr ist lang, und sowohl der Herr des Landes als die Herrin meines Herzens werden es verzeihlich finden, da� ich mich in den Mu�estunden auch mit geradegewachsenen Sch�nheiten besch�ftigt habe. Nein, h�ren Sie erst meine Pisaner Fata. Diese Stadt hatte ich mir f�r den R�ckweg aufgespart. Den Kampanile des Pisaner Doms-den hebt mir auf, Da� ich zuletzt ihn speise!-sagte ich bei mir selbst und dachte volle vier Wochen in Pisa meinen Messungen obzuliegen und vielleicht schon ein St�ck meines Buches �ber den Schiefbau hier in der Stille niederzuschreiben, damit ich au�er Rissen und Zeichnungen Serenissimo auch etwas zu lesen mitbringen k�nnte. Nun aber, wie gesagt, hatte ich es fast schon aufgegeben, eine anst�ndige Privatwohnung zu finden, als ich todm�de am schw�len Mittag durch den Borgo schlendere und da auf einmal wie vom Himmel herab aus einem Fenster gerade �ber dem "Camere da affittare" den schmetternden Gesang h�re. Hinaufst�rzen, anpochen und dein Aschenputtel von K�chenm�dchen meine obdachlose Lage schildern, war, wie geistreiche Erz�hler sagen, das Werk eines Augenblicks. Das Ding musterte mich von der Hutkrempe bis zu den Schuhen. Dabei lachte sie und sch�ttelte den Kopf. Nein, nein, sagte sie, hier wird nichts vermietet.--Aber der Zettel? sagt' ich. Und es steht doch deutlich darauf: Im ersten Stock!--ja, aber nicht per gli uomini! meinte sie und wollte schon die T�re wieder zuschlagen.--Was? rief ich, nicht f�r Menschen? Nun beim Himmel, so sollt ihr erleben, da� selbst ein geduldiger Deutscher zu einer Bestie werden kann, wenn nur die Bestien in Pisa ein menschliches Quartier finden!--Ch�, ch� sagte sie, und wollte sich aussch�tten vor Lachen, so sei es nicht gemeint. Nur an m�nnliche Menschen w�rden die Zimmer nicht vergeben. Ihre Herrin sei eine Witwe und beherberge nur Damen. Indessen wolle sie erst einmal anfragen; ich m�chte nur eintreten.--So f�hrte sie mich, immer lachend, durch die K�che in ein sehr sauberes Gemach, wo ein gro�es, vierschl�friges Himmelbett stand, eine alte Kommode und einige Rohrst�hle, der Steinboden mit geflochtenen Matten sorgf�ltig belegt; aber was mir am meisten ins Auge stach: ein m�chtiger viereckiger Tisch mitten im Zimmer, gerade so einer, wie er meine Sehnsucht war, um Rei�bretter und Mappen bequem darauf ausbreiten zu k�nnen. Hier bleibst du! rief eine Stimme in mir, und wenn es um den Preis w�re, da� du dein Geschlecht verleugnen und am Rocken dieser Omphale Garn spinnen m��test. Indem h�re ich, wie nebenan der Gesang und das Klavierspiel pl�tzlich abgebrochen wird und Aschenputtel seine Botschaft unter best�ndigem Kichern ausrichtet. Ich hatte kaum Zeit, mir eine herzbewegende Rede einzustudieren, da geht die T�re auf und meine Witwe tritt herein, in einem Nachtgewande von verd�chtiger Wei�e, aber unzweifelhafter Sittsamkeit, die starken, schwarzen Haare in Papilloten, mit einer Haltung und Miene, da� ich sogleich wu�te: die war schon einmal auf den Brettern! Aber sie war gar nicht �bel, kann ich Ihnen sagen. Etwas Anlage zum Fettwerden, die Nase f�r meinen Geschmack vielleicht ein wenig zu stumpf, nicht mehr die allererste Frische, aber f�r eine Witwe �u�erst wohlkonserviert, und ein Paar gro�e, schwarze Augen im Kopf, wie--nun Sie k�nnen sich selbst ein passendes Gleichnis dazu suchen; wof�r sind Sie Poet? Ich, als bildender K�nstler, hatte auf den ersten Blick alle Vorz�ge dieser Dame weg; aber selbst wenn sie zum Titelkupfer f�r mein Werk �ber den Schiefbau getaugt h�tte: der sch�ne gro�e Tisch h�tte sie mir reizend erscheinen lassen. Ich glaube, ich habe in meinem Leben keine gr��ere Beredsamkeit in einer fremden Sprache entwickelt als jetzt, wo es galt, ihre tugendhaften Vorurteile zu besiegen. Ich sei zwar, sagt' ich, allerdings eine Mannsperson (persona maschia--ausgesuchtes Italienisch, nicht wahr?); aber von einer so weiblichen Gem�tsart, da� ich sogar in meiner Jugend von einer sch�nen Frau das Filetstricken gelernt h�tte. Niemand im ganzen Stadtviertel werde mich jemals betrunken nach Hause kommen sehn, und sittenlose Bekanntschaften hier in Pisa zu machen, liege mir fern. Sogar des Rauchens wolle ich mich enthalten, wenn es ihr unangenehm sei, und gern jeden Preis, den sie f�r das Quartier fordere, unbedenklich vorauszahlen. Sie h�rte mich ruhig an, und meine r�hrende Beschw�rung schien Eindruck auf sie zu machen. Wenigstens sagte sie endlich, sie selbst habe gar nichts dagegen, aber sie sei eine junge Witwe, und ihr Oheim, der Vormund ihrer Kinder, w�nsche nicht, da� sie ihren Ruf in Gefahr bringe, indem sie die jetzt �berfl�ssig gewordenen Zimmer an Herren vermiete. Ich fragte sogleich nach der Wohnung dieses klugen Mannes und h�rte zu meinem Schrecken, da� ich nicht hoffen durfte, auch an ihm meine �berredungsk�nste zu versuchen, da er gerade nach Florenz gereist sei.--So mu� ich denn wirklich verzweifeln? rief ich mit so unverstelltem Kummer (ich hatte eben wieder mit dem Tisch gelieb�ugelt), da� die gute, ohnehin nicht sehr steinerne Witwenseele zu schmelzen anfing. Kommen Sie nachmittags wieder, sagte sie; ich will sehen, ob es, zu machen ist. Erminia, begleite den Herrn hinaus! --Damit machte sie mir eine Reverenz wie eine F�rstin, die einen Ambassadeur empfangen hat, und ich war in Huld und Gnaden entlassen. Sie k�nnen sich denken, da� ich in einer nicht geringen Aufregung meinen Risotto in jener Mustertrattorie Italiens, dem "Nettuno" am Lungarno, verzehrte und gerade das Doppelte meiner gew�hnlichen Weinration dazu trank. Ich mu�te mich st�rken f�r den Fall, an den ich nur mit Schrecken denken konnte, da� ich einen solchen Tisch in Pisa wissen und mich doch wieder, wie schon so oft, j�mmerlich mit einem aus St�hlen, Stock und Regenschirm gezimmerten Notgestell behelfen m��te. Und wie ich so gegen drei Uhr wieder die steinerne Treppe hinaufstieg, klopfte mir ordentlich das Herz, als ob es sich nicht um ein St�ck Holz, sondern um die Besitzerin selbst handelte und ich sollte mir eben Bescheid auf einen viel bedenklicheren Antrag holen. Diesmal kam sie mir, schwarz angetan, in etwas gew�hlterer Haartracht entgegen und schien ebenfalls nicht ganz unbefangen. Ich legte mir das zu meinen Gunsten aus und erschrak nicht wenig, als sie mir ohne viel Vorreden er�ffnete, sie habe in Abwesenheit des Onkels die Tante befragt, die ebenfalls meine, diesen Schritt nicht wohl verantworten zu k�nnen. Eine junge Witwe--und dabei senkte sie mit recht t�uschender Versch�mtheit ihre schwarzen Augen--noch dazu wenn sie K�nstlerin war--und in den Jahren, wo man noch nicht auf ein neues Lebensgl�ck verzichtet--Sie werden begreifen, da� es R�cksichten gibt, die man den Seinigen schuldig ist, und der Wunsch meines Oheims, mich wieder verm�hlt zu sehen--ein Galantuomo wie Sie, mein Herr, wird dem Gl�ck einer einzelstehenden jungen Frau nichts in den Weg legen wollen. Ganz im Gegenteil, meine beste Dame, rief ich lebhaft aus--immer die Augen auf meinen sch�nen Tisch geheftet--, vielmehr w�rde ich �bergl�cklich sein, Ihnen beweisen zu k�nnen, wie sehr ich Ihre Zur�ckhaltung sch�tze, wie sehr ich Sie wegen der Reize, Talente und Tugenden, die Ihre Person schm�cken, bewundere und verehre. Ja, Sie haben recht, und Ihr w�rdiger Oheim hat recht: ein Wesen wie Sie ist geschaffen, gl�cklich zu sein und gl�cklich zu machen. Der �rmste, der dieses Gl�ck nur so kurze Zeit genossen hat! Wie lange ist er Ihnen schon entrissen? Zehn Monate, sagte sie, ohne da� die Erinnerung sie besonders anzugreifen schien. Er reiste nach Neapel, fiel unter die Briganten--und kam nicht wieder. Soll ich Ihnen seine Photographie zeigen? Damit ging sie mir voran in das Nebenzimmer, das etwas reichlicher m�bliert war und offenbar als eine Art Salon ben�tzt wurde. Hier stand der Fl�gel, ein eleganter Schreibtisch nahe am Fenster, einige bunte Vogelk�fige hingen von der Decke herab, und die W�nde waren mit Portr�ts ber�hmter Theatergr��en bedeckt. Im unscheinbarsten Rahmen �ber dem Sofa, mit einem verstaubten Lorbeerkranz umgeben, sah ich das Bild eines ernsten Mannes in mittleren Jahren, den sie mir als ihren Seligen vorstellte. Auch jetzt konnte ich keine Spur einer Gem�tsbewegung auf ihrem Gesicht entdecken. Die Kanarienv�gel schrien, ein kleines Wachtelh�ndchen kroch unter dem Sofa hervor und fing an zu bellen, Aschenputtel h�rte ich durchs Schl�sselloch hereinkichern, und mitten in diesem Tumult stand meine Sch�ne und sprach ganz gelassen von einem neuen Lebensgl�ck, wobei sie mich einlud, auf dem Sofa neben ihr Platz zu nehmen. Ich �u�erte ihr meine Verwunderung, da� sie schon zehn Monate allein stehe, ohne von allen Seiten umworben zu werden.--Ich bin w�hlerisch, sagte sie. Ich war zu gl�cklich mit meinem Carlo, um mich der Gefahr auszusetzen, mich an jemand zu binden, der mich weniger liebte als er. Mehrere haben um mich angehalten, noch erst vorgestern ein junger Graf; den h�tte ich auch wohl genommen, aber er war zu jung f�r mich, erst neunzehn Jahre, und ich bin doch schon dreiundzwanzig. Der arme Mensch dauerte mich freilich; aber was wollen Sie? Man kann doch nicht alle heiraten, die vor Liebe zu einem den Verstand verlieren. Freilich nicht, erwiderte ich. Was wollten Sie auch mit einem solchen Kinde anfangen? Nur ein reiferer Mann, der das Leben schon kennt, w�rde Ihren Wert ganz zu sch�tzen wissen und Ihnen einigerma�en den Verlorenen ersetzen. Sie seufzte. O die M�nner! sagte sie. Alle sind sie Egoisten! Nur die Jugend hat noch Hingebung und Begeisterung f�r das Sch�ne. Die Reiferen werden kalt und sind nicht mehr f�hig, gl�cklich zu machen. Es k�me auf den Versuch an, sagte ich, halb arglos, halb um sie zu vcrsuchen; denn ich merkte nun wohl, wie die Dinge standen, und da� die Tante unter gewissen Voraussetzungen ihr Veto gern zur�ckziehen w�rde. Dabei kam mir das ganze Abenteuer so drollig vor, da� der �bermut sich in mir regte, die Posse noch etwas weiter zu spielen. Sch�ne Frau, sagte ich, wie hei�en Sie eigentlich? Lucrezia, erwiderte sie und sah mich mit unbeweglichen Augen forschend an. Sch�ne Lucrezia, fuhr ich fort, vielleicht ist es ein Werk der Vorsehung, da� ich jetzt auf diesem Sofa sitze. Ich bin viel herumgeschweift (ich meinte: in Pisa, nach Wohnungen; sie verstand: in der Welt) und habe nirgends gefunden, was ich suchte. Erst in diesem Hause--und dabei schielte ich wieder durch die T�re nach dem sch�nen Zeichentisch--ja, Madonna Lucrezia, erst hier f�hle ich den Drang, zu bleiben und H�tten zu bauen. Sie kennen mich nicht und ich kenne Sie nicht, und es w�re voreilig, heute schon �ber die Zukunft entscheiden zu wollen. Chi va piano, va sano. Aber auch lontano, schaltete sie ein. Sie reisen wieder nach Hause? Es kommt ganz auf Euch an, wie lange ich Pisas L�fte atmen werde, sagte ich mit schamloser Doppelz�ngigkeit und antwortete ebenso hinterh�ltig auf ihre Frage, ob ich schon eine Frau habe: nein, noch nicht, aber ich sei entschlossen, kein halbes Jahr mehr ein Junggeselle zu bleiben.--Da besch�mte mich diese gro�e Seele mit dem offenen Gest�ndnis, sie habe vier Kinder; die zwei j�ngsten seien �ber Tag meist bei der Tante, die beiden �lteren, von f�nf und vier Jahren, in Florenz bei der Mutter ihres Seligen.--Sch�n, sagte ich, ich hoffe, ich lerne die kleinen Engel bald kennen; ich habe eine wahre Passion f�r alle Haustiere, Kinder, Hunde und Kanarienv�gel.--O Sie sind eine Ausnahme! rief sie schw�rmerisch; mein Carlo wollte immer aus der Haut fahren, wenn die Kinder schrien und die V�gel zwitscherten und ich dazwischen Solfeggien sang. Sie sind gewi� ein Engl�nder, die haben immer so einen aparten Geschmack.--Nur ein Deutscher, sagte ich; aber auch bei uns gibt es Narren genug, die es entweder schon sind, oder doch f�r ein Paar sch�ne Augen sich nicht lange besinnen, es zu werden. Also meinen Koffer darf ich herbringen lassen? Ich begleitete diese Frage mit einem ehrerbietigen Handku�, stand auf und empfahl mich so eilig, als ich h�flicherweise konnte, um meinen Sieg nicht wieder aufs Spiel zu setzen. Denn wenn sie mir einen Mietsvertrag vorgelegt h�tte, um mich in Paragraph Eins ausdr�cklich zum Heiraten zu verpflichten, w�re meine ganze Doppelz�ngigkeit zu Schanden geworden.--Ich dr�ckte dem Aschenputtel Erminia ein paar Franken in die Hand, und schon eine Stunde nachher war ich mit Sack und Pack wieder vor der T�r und hielt triumphierend meinen Einzug. Auch hatte ich die ersten Tage keine weiteren Unbequemlichkeiten von meiner Kriegslist, keine Anfechtungen, weder in meinem Gewissen, noch in meinen vier Pf�hlen. Der �berrumpelte sch�ne Feind begn�gte sich offenbar damit, mich zu beobachten; denn bei der Kaltbl�tigkeit, mit der das "neue Lebensgl�ck" betrieben wurde, konnte sie sich Zeit lassen, zu untersuchen, ob sie auch kein schlechtes Gesch�ft mache mit diesem wildfremden Zuk�nftigen. Leider schien das Ergebnis ihrer Forschungen t�glich mehr zu meinen Gunsten auszufallen. Und ich machte es auch danach! Einen stilleren, geduldigeren, flei�igeren zweiten Mann, als ich in diesen Tagen darstellte, kann sich keine junge Witwe w�nschen, und wenn ich im Punkte der Z�rtlichkeit manches zu w�nschen �brig lie�, so war dies mit der ritterlichen Diskretion zu entschuldigen, die unsere Zimmernachbarschaft mir zur Pflicht machte. Kam ich von meinen Vermessungsgesch�ften am Kampanile nach Hause, so pflanzte ich mich sofort hinter den bewu�ten Tisch, um die Resultate in meine Zeichnung einzutragen. W�hrenddessen konnte sie nebenan ihr "Ah sin' all' ore all' ore estreme" oder eine andere schmelzende Kazitilene schmettern, so viel sie wollte: Ich pries, zum ersten Male im Leben, mein stumpfes Ohr, das mir half, dieser Lockung mannhaft zu widerstehen. Ein paarmal schickte sie mir die Kinder herein, die einen greulichen Unfug mit meinen Mappen und anderen Habseligkeiten anstellten, bis ich mit einigen Orangen den Frieden von ihnen erkaufte. Auch in dieser Pr�fung benahm ich mich musterhaft. Ging ich darin in der Abendk�hle am Lungarno spazieren unter dem Schwarm von Studenten, Pisaner B�rgern mit ihren Familien und einigen wenigen Stutzern, die auch hier nicht fehlten-nun Sie kennen ja das alles aus eigener Anschauung-, so begegnete ich regelm��ig einige Male meiner sch�nen Hauswirtin, die an der Seite einer Freundin mit z�chtigen Witwenschritten dichtverschleiert lustwandelte und, wie ich merken konnte, viele Verehrer hatte. Mancher von diesen h�tte mich wohl beneidet, wenn er gewu�t h�tte, wie bequem es mir gemacht wurde. Ich aber begn�gte mich mit devotem Hutabziehen und kam regelm��ig erst nach Hause, wenn ich wu�te, da� sie schon Nacht gemacht hatte. Das geschah sehr fr�h-, denn da sie, wie die meisten Italienerinnen, v�llig ungebildet war und h�chstens einen franz�sischen Roman in der �bersetzung las, so langweilte sie sich entsetzlich, sobald es dunkel wurde und sie nicht mehr aus dem Fenster sehen und sich bewundern lassen konnte. Dieser friedfertige Zustand, der meinen W�nschen sehr entsprach--ein Leben wie im Paradiese, wo Wolf und Lamm in Unschuld nebeneinander hausten--, hatte etwa eine Woche gedauert, da merkte ich, da� das Lamm sich zu wundern anfing, wie zahm der Wolf sich betrage; ja es schien der armen Unschuld ordentlich gegen die Ehre zu gehen, da� sie noch immer ungefressen blieb, da sie sich selbst doch appetitlich genug vorkam. Nun kehrte sich der Naturzustand um, und das Lamm r�stete sich, den Wolf nach allen Regeln zu belagern. Einige Tage blieb es bei frischen Blumenstr�u�en, mit denen ich meinen Zeichentisch geschm�ckt fand, wenn ich nach Hause kam. Dann fand ich, da meine Hausschuhe in ziemlich desolatem Zustande waren, abends ein paar warme t�rkische Pantoffeln vor meinem Bett, die offenbar dem Seligen, meinem Vor-Wolf, geh�rt hatten; �brigens waren sie noch so gut wie neu. Mittags mu�te ich mit aller Gewalt ein Fritto von Artischocken und kleinen K�rbissen kosten, das Madonna Lucrezia selbst bereitet haben wollte, und ihr mit einem Glase Chianti Bescheid tun. Erminia, die mit am Tisch a� und die beiden Bimbi f�tterte, hatte wieder genug zu kichern, und nur das H�ndchen knurrte mich feindselig an, als einen Eindringling, der ihm seine Ration zu verk�mmern drohte. Dabei f�hrten wir tiefsinnige Gespr�che �ber deutsche und toskanische Kochkunst, und ich abtr�nniger Sohn meines Vaterlandes verleugnete sogar das deutsche Sauerkraut gegen�ber den italienischen Artischocken. Das schien ihr bedeutsam genug, um andern Tags einen noch lebhafteren Sturm zu wagen. Denken Sie, was das verschmitzte Gesch�pf sich einfallen lie�! Ich bin am Vormittag wie gew�hnlich auf meinem schiefen Turm, nun schon in den obersten Geschossen, und denke an nichts Arges, da h�re ich unten aus der Tiefe zu mir heraufsingen das nur zu wohlbekannte: "Ah sin' all' ore all' ore estreme", und richtig, meine sch�ne Freundin ersteigt herzhaft die langen Wendeltreppen, so da� an ein Entrinnen nicht zu denken war, ich h�tte denn hinter den Pfeilergalerien Versteckens spielen m�ssen. Was sie eigentlich beabsichtigte, ist mir heute noch nicht recht klar; denn von der obersten Zinne sich, entweder allein, oder Arm in Arm mit mir hinabzust�rzen, wenn ich ihr nicht endlich ein festes Heiratsversprechen g�be, dazu war sie ein viel zu praktischer Charakter, viel zu sehr--Italienerin, h�tt' ich beinahe gesagt. Aber ich will Ihren Idealismus nicht kr�nken. Am Ende war es auch blo� die Langeweile, die sie zu mir trieb. Ich nat�rlich stellte mich sehr erfreut, machte die Honneurs des Turnies aufs Liebensw�rdigste, und da wir ganz allein waren, hielt ich es f�r angebracht, ihr wenigstens wieder einmal die Hand zu k�ssen. Sie hatte auch gerade ihren guten Tag. Vom Steigen war ihr wachsbleiches Gesicht etwas ger�tet, und wie sie so die kohlschwarzen Augen �ber Dom und Baptisterium und Stadt und fernes Gebirge funkeln lie�, schien sie mir wirklich keine �ble Partie. Notabene f�r einen Italiener, der keine Gem�tsanspr�che machte. Ich sagte ihr sehr viel sch�ne Dinge, die das arme Lamm, nach der langen schlechten Behandlung von meiner Seite, mit sichtlichem Behagen einschl�rfte. Nat�rlich wurde ich durch einige z�rtliche Anspielungen und sehr ermutigende Blicke belohnt. Aber ich hatte nicht n�tig, durch Umdrehung meines Verlobungsringes einen guten Geist zu beschw�ren, da� er mich in dieser Versuchung besch�tze, denn ich wu�te es ganz deutlich, da� ich ihr bei all ihren kleinen schmachtenden Man�vern im Grunde der Seele so gleichg�ltig war wie die Marmorstufe, auf der sie stand. Und so kamen wir denn nach Verlauf einer Stunde beide ganz wohlbehalten unten auf dem Domplatze wieder an. Sie aber mu�te doch wohl glauben, das Eisen zum Gl�hen gebracht zu haben, denn sie verlor keine Zeit, es zu schmieden. Noch denselben Nachmittag schleppte sie mich in eines der offenen Theater,--ich glaubte, das sogenannte Politeama war's--Sie werden sich erinnern. Vergebens wandte ich ein, da� ich sie zu kompromittieren f�rchte, wenn man uns zwei so �ffentlich miteinander das Schauspiel besuchen s�he. --Die Sachen sind nun doch schon so weit gediehn, gab sie ganz gelassen zur Antwort, da� Sie mich viel st�rker, als Sie schon getan, �berhaupt nicht mehr kompromittieren k�nnen. Und wird nicht doch einmal der Schleier fallen m�ssen?--Jawohl, seufzte ich bei mir selbst, die Schuppen werden dir von den Augen fallen, armes Lamm!--und so begleitete ich sie mit heroischer Fassung ins Theater. Ich glaubte erst, sie habe dieses gemeinsame Vergn�gen nur darum arrangiert, um sich wirklich recht geflissentlich vor aller Welt zu kompromittieren und mich dadurch moralisch zu binden. Aber sie hatte noch eine Nebenabsicht. In den Zwischenakten der ziemlich langweiligen modernen Trag�die, w�hrend deren Lucrezia best�ndig kandierte Fr�chte naschte, trat n�mlich ein S�nger auf, den ich als eine ungew�hnliche Figur schon �fters auf den Stra�en von Pisa studiert hatte. Er schlenderte gew�hnlich, in ein zimmetbraunes, malerisch geschnittenes Tuchwams und weite Hosen von derselben Farbe gekleidet, einen breiten, phantastischen Hut auf die dicken schwarzen Haare gedr�ckt, in Begleitung eines kleinen braunen Weibchens, das ihn f�hrte, durch die Stra�en, immer vor sich hin l�chelnd mit einem halb gutm�tigen, halb ironischen Ausdruck, w�hrend das feine scharfe Gesichtchen der Frau einen versteinerten Leidenszug hatte. Ich hatte mir sagen lassen, dies sei ein ehemals ber�hmter S�nger, Tobla Seresi, ein prachtvoller Bariton, der leider den Verstand verloren habe und darum als Operns�nger nicht mehr zu brauchen sei. Denn er habe zuweilen Anf�lle von Tobsucht, wo dann nur seine kleine Frau, die er z�rtlich liebe, ihn zu behandeln und wieder zahm zu machen verstehe. Zuweilen singe er auf den Theatern in den Zwischenakten, um sich etwas zu verdienen; dann stehe das kleine Weibchen immer hinter den Kulissen und beobachte �ngstlich jede Miene in seinem Gesicht. Dieser Sor Tobia nun sang, wie gesagt, auch an jenem Nachmittage, und seinetwegen hatte meine Witwe mich hingeschleppt. Denn kaum hatte er die ersten T�ne seiner Arie gesungen, so wandte sich Frau Lucrezia nach mir um, der ich hinter ihr in der Loge sa�, und erz�hlte mir weitl�ufig, da� sie selbst eigentlich die Ursache dieses Ungl�cks sei. Vor sechs Jahren, mitten in einem verliebten Duett, das sie mit ihm gesungen--die Oper, die sie mir auch nannte, habe ich vergessen--sei der Wahnsinn bei ihm ausgebrochen. Er habe sie n�mlich heftig an sich gezogen, wie es die Rolle mit sich brachte, und ihr mit rollenden Augen zugefl�stert, wenn sie ihn nicht erh�re, so werde er sie und sich mit einem vergifteten Kartoffelsalat umbringen. Was an dem Zeug wahr sein mochte, wei� ich nicht. Genug, sie schwatzte mir in diesem Stil noch eine Menge Abenteuer vor, damit ich recht einsehen solle, was sie damals f�r ein lebensgef�hrliches Frauenzimmer gewesen sei. Ich h�rte nur halb zu, um nicht den Gesang ganz zu verlieren, der ihr, obwohl sie S�ngerin war, sehr gleichg�ltig zu sein schien. Als es dann zu Ende war, warf sie ihren Strau� auf die B�hne und klatschte mit Ostentation. Einige Amateurs dr�ngten sich aus dem Parterre ins Orchester und reichten dem Sor Tobia einen riesenhaften Strau�, wie ein Wagenrad, auf die Szene hinauf, den er mit seinem stillen ironischen Lachen annahm, unter w�tendem Applaus. Das Volk war sehr liebensw�rdig gegen den armen Irren, und ich h�rte links und rechts Ausrufe des Bedauerns und der Teilnahme an seinem Geschicke. Nur meine Witwe ignorierte ihn ganz kaltbl�tig, f�cherte sich best�ndig K�hlung zu und fing gleich wieder an, verzuckerte Orangenscheibchen zu essen. Ich gestehe Ihnen, es �berlief mich eiskalt neben dieser meiner Eroberung; ich war froh, da� sie bald aufbrach, und wie sie meinen Arm nahm und wir nach Hause gingen, kam ich mir recht erb�rmlich vor; ich f�hlte mich in einer so schiefen Lage, da� ich l�ngst zusammengest�rzt w�re, wenn ich ein Glockenturm und nicht ein elastischer Organismus von Fleisch und Bein gewesen w�re. An diesen Tag werde ich denken! Denn glauben Sie nicht, da� es damit schon vorbei war. Meine Sch�ne hatte sich offenbar vorgenommen, heute noch die Sache zwischen uns ins reine zu bringen, unterhielt mich daher von ihren Verm�gensumst�nden, die ganz annehmlich schienen, von dem Gl�ck, das sie ihrem Seligen bereitet, der sie ihrer Sch�nheit wegen von der B�hne weggeheiratet habe, obwohl er selbst Komponist gewesen und ihren Gesang zu sch�tzen gewu�t habe. Sehen Sie, sagte ich in meiner Herzensangst und versuchte dabei eine scherzhafte Miene zu machen, das w�rde nun doch ein Hindernis f�r uns bilden. Denn in Deutschland gehen alle s�dlichen Stimmen bei dem best�ndigen Schneewetter zu Grunde.--Sie erwiderte, da� sie dieses Opfer gern bringen w�rde. Die Ehe, setzte sie mit einem pathetischen Seufzer hinzu, die Ehe ist ja ein best�ndiges Opfer auf dem Altar der Liebe!--Aber, sagte ich, die lieben Kinder, wie werden die das rauhe Klima ertragen?--Auch das machte ihr keinen Kummer. Die Bimbi sind ja wohl aufgehoben, sagte sie. Die Tante �bernimmt die beiden kleinsten, die �ltesten bleiben in Florenz.--Sch�n! sagte ich und dachte bei mir selbst: O du Rabenmutter! Aber ich l�chelte dabei so verbindlich, da� sie kein Arg hatte; denn das sah ich ihr an, da� sie zum �u�ersten entschlossen war und sich nicht besonnen h�tte, mir ebenfalls einen bitteren Kartoffelsalat anzurichten, wenn sie hinter meine wahre Stimmung gekommen w�re. Da kam mir eine Eingebung, die ich f�r sehr gl�cklich hielt. Sch�ne Frau, sagte ich, Ihr m��t mich erst �ber einen Punkt beruhigen. Ihr sagt, Euer Seliger sei unter die Briganten gefallen und nicht wiedergekommen. Wi�t Ihr denn aber gewi�, da� er nicht mehr am Leben ist? Wenn er nun eines sch�nen Tages zur�ckkehrte und Euch reklamierte, oder gar mir einfach den Hals br�che, zum Dank daf�r, da� ich ihm sein Eigentum inzwischen so gut aufgehoben h�tte? Diese Frage tat ich, als wir schon wieder oben in ihrem Salon auf dem bewu�ten Sofa sa�en, gerade unter dem Bilde des seligen Komponisten. Ich f�gte noch einige weise Reden �ber die Zweckm��igkeit offizieller Totenscheine hinzu und �ber den Greuel der Bigamie--Warten Sie! sagte sie ruhig, stand auf und schlo� ein Fach ihres Schreibtisches auf. Was zog sie daraus hervor? Sie werden es kaum glauben, aber es ist so buchst�blich wahr wie diese ganze Historie: zwei Fl�schchen, beide wohlverkorkt und mit einer Schweinsblase luftdicht zugeklebt, und in jedem ein nat�rliches Menschenohr, kunstreich mit einem reinlichen Schnitt vom Kopfe abgetrennt und hier in Spiritus aufbewahrt! Ecco! sagte sie und hielt mir die Fl�schchen hin, die ich vor Grausen nicht in die Hand zu nehmen vermochte. Dies ist wohl besser als mancher Totenschein. Es sind Carlos Ohren, ich erkannte sie auf der Stelle. Erst kam das rechte; das schickte mir einer seiner Freunde aus Neapel, und ich mu�te f�nftausend Lire als L�segeld schicken, was ich auch sogleich tat. Aber es kam doch zu sp�t an; denn bald darauf erhielt ich das zweite Fl�schchen und einen zweiten Brief des Freundes, worin stand, die Mordgesellen h�tten das Geld genommen, aber als Quittung dar�ber eben nur das zweite Ohr ausgeliefert; was aus dem Menschen geworden, der daran gesessen habe, sei g�nzlich dunkel, und ich m�sse mich in Geduld fassen. Was sagen Sie zu dieser Zumutung an eine z�rtliche Gattin? Ich mich in Geduld fassen? Nein, bei mir stand es sogleich fest: mein Carlo ist nicht mehr! O er hatte so empfindliche Ohren--und nun wollte man mir einreden, er h�tte ihren Verlust �berleben k�nnen? Arme und Beine h�tten sie ihm amputieren k�nnen, und er h�tte weitergelebt! Aber mein Carlo ohne seine Ohren--nimmermehr! Ihr m��t das wissen, sch�ne Frau, sagte ich, und in der Tat, wenn diese traurigen Reliquien wirklich Eurem Seligen geh�rt haben-So gewi� wie dies mein kleiner Finger ist, sagte sie mit gro�er �berzeugung und betrachtete dabei die Fl�schchen mit so wissenschaftlichem Ernst, wie etwa ein Naturforscher eine neue Amphibienspezies, die man ihm in Spiritus zugeschickt hat. Mich �berlief eine G�nsehaut. Dennoch, sagte ich, reicht dieses Verm�chtnis schwerlich hin, Euch ganz frei zu machen. Die Gerichte sind sehr eigensinnig. Sie verlangen ganz andere Beweise, ehe sie einen Menschen aus dem Register der Lebendigen streichen. Darum ist eben der Oheim nach Florenz, versetzte sie gelassen. Er kennt einige Minister und hofft, da� es ihm gelingen werde, die legalen Zeugnisse zu erhalten. Mein Mann ist nicht unbekannt, und sein pl�tzliches Verschwinden hat Aufsehen gemacht. Die Wahrheit mu� endlich an den Tag kommen. Damit ging sie wieder an ihren Schreibtisch, verschlo� die teuren Andenken an ihren Seligen und setzte sich ans Klavier, um nun noch durch--den Zauber der T�ne auf mich zu wirken. Aber ich konnte nicht mehr! Es war mir in der N�he dieses entsetzlichen Frauenzimmers zu Mute, als h�tte ich mich mit einer Wachsfigur eingelassen, in deren hohlem Innern eine Spieluhr angebracht sei. Die Haare standen mir zu Berge, als sie ihr beliebtes "Ah sin' all' ore" anstimmte; ich sch�tzte Kopfweh vor und st�rmte aus dem Hause ins Freie. Ich fl�chtete zu meinem lieben "Nettuno", aber ich konnte keinen Bissen hinunterbringen; alles widerstand mir, bis auf den Wein, dem es aber doch nicht gelang, mich ganz in Bewu�tlosigkeit einzutauchen. Immer sah ich die beiden Fl�schchen und die kaltbl�tigen schwarzen Augen darauf gerichtet und h�rte den Klang der Spieluhr aus der hohlen Automatenbrust. Da� ich es unter diesem Dach nicht l�nger aushalten k�nne, stand bei mir fest. Aber wie sollte ich entrinnen, ohne da� dieses erbarmungslose Weib Himmel und H�lle in Bewegung setzte, um mich aus jedem Schlupfwinkel, den ich in der Stadt nur ersinnen k�nnte, wieder hervorzuziehen? Schade, da� Toskana keine Abruzzen hat! Wie gern w�re ich ebenfalls in die H�nde der Briganten geraten, unter der Bedingung, da� sie mich um keinen Preis wieder ausl�sen d�rften. Endlich brachte mir der treffliche rote Wein eine Erleuchtung. Ich mu�te nicht nur das Haus, sondern die Stadt verlassen, wenn auch meine Studien am Kampanile noch sehr einer Revision bedurft h�tten. Die Schwierigkeit bestand vor allem darin, wie ich, ohne Aufsehen zu erregen, meine Habseligkeiten an den Bahnhof schaffen sollte. Aber in der Desperation hatte ich einen Einfall, den ich Ihnen f�r k�nftige Notf�lle empfehle, sei es im Leben, sei es in Novellen oder Lustspielen. Ich kaufte noch denselben Abend einen Koffer, den ich in den "Nettuno" tragen lie� und meinem getreuen Kellner �berantwortete. Das weitere sollte der morgende Tag bringen. Erst aber brachte die Nacht noch eine letzte Gefahr, nicht die geringste von allen. Stellen Sie sich vor, was diese Lucrezia f�r einen Spuk arrangierte. Ich war zu Bett gegangen, wie gew�hnlich, ohne ihr noch eine gute Nacht gew�nscht zu haben, und die Hoffnung auf ein gl�ckliches Entkommen lie� mich rasch und sanft einschlafen. Da werde ich etwa um Mitternacht durch ein heftiges Bellen des H�ndchens und einen pl�tzlichen Lichtschein aufgeweckt und sehe meine sch�ne Witwe vor meinem Bette stehen in einer sehr fragw�rdigen Gestalt, nicht gerade unschicklich, aber immerhin das verf�nglichste Kost�m, in dem sie mir noch erschienen war. Sie haben ja wohl die "Nachtwandlerin" gesehn und den "Fra Diavolo"? Aus einer dieser Opern mochte meine Primadonna das wei�e gestickte Unterr�ckchen noch �brig behalten haben, in weichem sie sich zu mir fl�chtete, die Haare aufgel�st �ber die sch�nen Schultern, das Gesicht tragisch verzerrt. Um Gottes willen, was ist geschehen? rief ich und st�tzte mich im Bette auf.--Er ist mir erschienen, wie er leibte und lebte, sagte sie; er steht noch drinnen an meinem Bette, ich bin halbtot vor Schrecken und getraue mich nicht wieder hinein!--Possen! sagte ich, ganz �rgerlich. Ihr habt getr�umt, Lucrezia. Legt Euch wieder schlafen und la�t mich in Frieden,--Nein, nein, sagte sie; kommt und seht ihn selbst und sagt dann, ob ich tr�ume.--Und dabei fa�te sie meine Hand, wie beschw�rend, mit ihren beiden H�nden; es fehlte nur noch, da� sie wie auf dem Theater zu singen anfing. Da wurde mir die Sache doch zu toll. Gut, sagte ich, ich will jetzt aufstehen und mitkommen. Steht er wirklich als Geist an Eurem Bette, so da� ich ihn mit diesen meinen Augen sehe, so ist es meine Ritterpflicht, mir in Eurem Namen diese ganz zwecklosen und unbequemen Nachtbesuche zu verbitten. Ist aber von einem Gespenst nichts zu sehen, so tut es mir herzlich leid, aber ich mu� auf Eure Hand verzichten, Lucrezia; denn ich habe einen angeborenen Abscheu vor Nachtwandlerinnen und bin fest entschlossen, lieber ledig zu bleiben, als eine Somnambule zu heiraten.--Indem ich dies sagte, machte ich Miene aufzustehen. Aber sie lie� es nicht so weit kommen. Sie sch�ttelte abwehrend ihre schwarzen Haare, winkte mir mit den sch�nen wei�en Armen eine gute Nacht und verschwand ohne jede weitere Auseinandersetzung. Nun mu�te ich trotz meines �rgers aus vollem Halse lachen und schlief dar�ber friedlich wieder ein, wurde auch nicht zum zweiten Male gest�rt. Aber die ganze Aff�re best�rkte mich nat�rlich in meinem Entschlu�, mich heimlich davonzuschleichen. Denn der Oheim wurde t�glich zur�ckerwartet, und wer konnte wissen, was sie dem bereits �ber mich geschrieben, und wie weit dieser Ehrenmann seine sch�ne Nichte durch mich "kompromittiert" glauben mochte. Ich lie� mir am Morgen nicht das geringste merken, zeichnete erst eine Welle, ging dann, als die Stra�e schon sehr belebt war, wie gew�hnlich aus, ein P�ckchen unter dem Arm, das niemand auffiel und in dem ich einen Teil meiner W�sche nach dein "Nettuno" transportierte, wo mein neuer Koffer �bernachtet hatte. Auf die Art schaffte ich im Laufe des Vormittags nach und nach meine s�mtliche Habe aus dein Hause, und als ich zuletzt die Risse und Zeichnungen in einen gro�en Blechzylinder verpackt den �brigen Sachen nachtrug, sah es doch in meinem Zimmer nicht anders aus als sonst, da ich den leeren Koffer, einige leere Mappen und mein Waschger�t dem Feind als Beute zur�ckgelassen hatte. Auch die t�rkischen Pantoffeln des Seligen standen mit der unschuldigsten Miene von der Welt unter dem Bette. Die Miete hatte ich auf einen Monat vorausbezahlt. Nun k�nnen Sie sich denken, mit welchem Hochgef�hl der Befreiung und Errettung ich die sch�ne Stra�e nach La Spezia hinsauste, wie ein Verbrecher, der zu lebensl�nglichem Ah sin' all' ore all' ore estreme verurteilt war und gl�cklich ausgebrochen ist. Die Gegend ist dort so sch�n, da� es mich zu jeder anderen Zeit gewi� verdrossen h�tte, auf der Eisenbahn hindurchzufliegen. Aber wer eine z�rtliche Witwe zur�ckl��t, kann nicht rasch genug von der Stelle kommen. Erst als ich sp�t abends in La Spezia ankam und in der Eroce di Malta abstieg, glaubte ich mich geborgen und a�, trank und schlief mit leichtem Herzen. In meinem Zimmerchen war nur ein ganz kleiner Tisch, auf dem man kaum einen Waschzettel schreiben konnte. Aber--so wandelbar ist das Gem�t des Menschen--er gefiel mir in seiner Zwerghaftigkeit ganz ausnehmend, und ich konnte nicht ohne stillen Schauder an jenen Riesen zur�ckdenken, der mich ins Netz meiner Armida gelockt hatte.--Seit Wochen war ich nicht so fr�hlich aufgewacht wie am andern Morgen, und weil es ein wundervoller Tag war, die reinste Junisonne und das Meer spiegelglatt, bcschlo� ich, eine Fahrt auf dem Golf zu machen nach dem alten Fischer- und Piratennest Portovenere, von dem mir meine Freunde in Rom so viel erz�hlt hatten. Da der geringe Wind uns entgegenstand, mu�te mein alter Schiffer zu den Rudern greifen, und zwei ganze Stunden brauchten wir, bis wir um das Vorgebirge bogen und nun der verwitterte H�userhaufen, das malerische Kirchlein und die Insel Palmaria gegen�ber in der vollen Sommersonne vor uns auftauchten. Sie werden diesen wundersamen Erdenwinkel ohne Zweifel auch besucht haben. Ist es nicht wirklich, als bef�nde man sich da viele Meilen s�dlicher in einem jener Klippennester am Busen von Salern, wo noch Abk�mmlinge der griechischen Kolonisten in homerischer Unbek�mmertheit ihre Tage hinleben? Derselbe sch�ne Menschenwuchs, dieselbe vors�ndflutliche Kochkunst und ein urweltlicher Schmutz, der in allen Ecken bergehoch versteinert. Ich traute meinen Augen nicht, als ich die einzige Hauptgasse hinaufschlenderte durch die Reihen der spinnenden, singenden und schwatzenden Weiber, die mit losen Haaren und halb im Hemde unter den T�ren sa�en und mich anstarrten wie ein Meerwunder, das die Wellen eben ausgespien. Ach, und die herrliche Vegetation, das beneidete Aloe-Unkraut auf den Mauertr�mmern der verfallenen Festungswerke, Kaktus, Wein und Oliven bunt durcheinander in den G�rtchen hinter den grauen H�usern, und die kolossalen Feigenb�ume, die sich vor Fr�chten nicht zu lassen wu�ten! Wenn man sich in der reinlichen Toskana einen Monat lang herumgetrieben hat, tut einem diese R�ckkehr in das Paradies, das der Besen einer l�blichen Polizei noch niemals ausgefegt hat, �ber alle Ma�en wohl. Ich wurde nicht m�de, die G��chen hinauf- und hinunterzuklettern, aus den leeren Fensterb�gen des alten Kirchleins auf dem �u�ersten Felsenvorsprung in die sch�ne Brandung hinunterzustarren, und dann wieder im Schatten der Festungsmauer im d�rren Grase zu liegen und �ber die wei�en D�cher weg auf den blauen Golf hinabzusehen, wo die Schiffe kamen und gingen, alles ganz wie vor tausend Jahren, bis auf die Rauchwolken, die aus den Schornsteinen der Dampfer gen Himmel stiegen. Ich war so v�llig der Gegenwart entr�ckt, da� ich auch meine j�ngsten Abenteuer nur wie etwas l�ngst Vergangenes bedachte und mich sogar auf den Namen meiner Witwe einen Augenblick nicht mehr besinnen konnte. Endlich trieb mich denn doch der Hunger wieder in das Nest zur�ck, und nachdem ich einige Male zwischen den beiden H�usern auf und ab gewandert war, �ber deren T�re albergo e trattoria geschrieben stand, entschied ich mich f�r das obere, vor dessen T�r ein paar piemontesische Soldaten Limonade gazeuse tranken und Karten spielten, w�hrend das andere von Matrosen wimmelte. Drinnen sah es freilich hier wie dort zigeunerm��ig genug aus. Aber die gutm�tige Wirtin wies mich eine Treppe hinauf in den "Salorie" und versprach, mir in f�nf Minuten ein Mittagessen herzurichten. W�hrend ich darauf wartete und die Tochter, ein stummes halbw�chsiges M�dchen, den Tisch deckte, sah ich mir die Bilder an, die eingerahmt an den W�nden hingen, einige franz�sische Stahlstiche aus der Geschichte von Paul und Virginie, eine Madonna, mit goldenen Herzen beklebt, und die italienischen Nationalheiligen: Cavour, Garibaldi und der K�nig-Ehrenmann. Der Saal hatte noch eine T�r zur Linken. Ohne mir was dabei zu denken, hatte ich schon die Klinke in der Hand, als die Wirtin eben hereintrat und mit einer halb erschrockenen, halb unwilligen Geb�rde mir winkte, von dieser T�re zur�ckzubleiben. Ich entschuldigte mich, da� ich es ganz arglos getan, um zu sehn, ob sie nicht noch Zimmer h�tten, wo man etwa �bernachten k�nne. Nein, nein, gab die Frau hastig zur Antwort. Die �brigen Zimmer brauchen wir selbst.--Ich tr�stete mich leicht hier�ber. Denn der Gedanke, in dieser verr�ucherten Herberge hausen zu m�ssen, war nicht eben verf�hrerisch. So setzte ich mich zu Tische und fand das Essen, mit Ausnahme einer fossilen Kotelette und des ranzigen �les-, das sie mir an die gr�nen Bohnen gegossen hatten, noch ertr�glicher, als ich gef�rchtet. Sie trugen mir ein paar delikate gebackene Fischchen auf, und der Wein war sehr trinkbar, so da� ich, nach dem hei�en Tage, mich in vollen Z�gen daran labte und noch ehe sie mir die trockenen Feigen und die versteinerten Biskuits zum Nachtisch gebracht hatten, auf dem Stuhl, wo ich sa�, in einen festen Nachmittagsschlaf versank. Ich mochte wohl ein paar Stunden in dem totenstillen Saal geschlummert haben, als mich pl�tzlich ein wunderliches Klingen ganz in meiner N�he aufweckte. Ich �ffnete die Augen, blieb aber ganz ruhig sitzen und horchte umher. Es klang, als w�rde auf einem uralten Klavezimbel gespielt, und die T�ne kamen aus dem Zimmer nebenan, das zu betreten mir die Wirtin verboten hatte. Da� ich neugierig wurde und auf den Zehen an die T�re schlich, um durchs Schl�sselloch zu sehen, werden Sie mir nicht verdenken. Wenn blo� ihr Novellisten das Vorrecht h�ttet, in fremden L�ndern eurer Neugier die Z�gel schie�en zu lassen, k�nnten wir andern ehrlichen Menschen nur lieber gleich zu Hause bleiben. Und welches Gl�ck, da� ich mich hier aufs Horchen legte! Zwar die Musik verriet mir nicht viel. Eine heisere M�nnerstimme sang allerlei abgerissene Verse eines Operntextes, von denen ich nur die �blichen Naturlaute: Deh perfida! Ah barbaro! und: Cottie? Tiranna! O dio! Strappami il cor dal seno-- verstand. Das alte Instrument stand an der Wand gegen�ber, so da� der S�nger, der davor sa�, mir den R�cken zugekehrt hatte. Aber jetzt drehte er sich nach der Seite, um in einem Haufen geschriebener Noten zu w�hlen, die neben ihm auf dem Bette lagen. Und nun raten Sie einmal, wer es war? Doch nicht der verr�ckte Bariton, Tobia Seresi? Noch toller! Noch erstaunlicher! So abenteuerlich, da� ich Ihnen nicht raten w�rde, dies zu erfinden, und nicht zumuten k�nnte, es zu glauben, wenn ich es nicht erlebt h�tte: Sor Carlo, der Mann meiner Witwe! Das ist stark, sagte ich. Ich bin sehr geneigt zu glauben, da� der Wein von Portovenere Ihnen zu dieser Vision verhalf, oder da� alles nur ein Sommernachmittagstraum war. Sie irren sich sehr, fuhr er fort. H�ren Sie nur weiter. Da� ich anfangs selbst zu tr�umen meinte, k�nnen Sie sich wohl denken. Aber es war Zug f�r Zug dasselbe Gesicht, das ich �ber dem Sofa der Frau Lucrezia unter Glas und Rahmen oft genug studiert hatte. Und die Ohren? fragte ich. Die konnte ich nicht sehen. Die Haare schienen schon seit Monaten nicht mehr geschnitten worden zu sein und hingen dicht um den Kopf bis auf die Schultern herab. In der �berraschung mu� ich wohl an der T�r gerappelt haben. Denn pl�tzlich drehte er sich vollends herum und rief: Seid Ihr's, Frau Beatrice?--So hie� n�mlich die Wirtin. Nun war ich doch einmal verraten und beschlo�, mich lieber ganz und gar zu enth�llen. Ich rief ihm durchs Schl�sselloch zu, die Frau sei es nicht, aber ein Freund, der zwei Worte mit ihm zu sprechen w�nsche. Dabei nannte ich seinen Namen und sah, wie er heftig erschrak und einen Augenblick zu �berlegen schien, ob er sich nicht verleugnen solle. Aber was konnte das helfen, wenn er doch einmal von einem Fremden entdeckt war? So schlo� er denn die T�r auf, und ich werde niemals den wunderlichen Blick vergessen, mit dem er mich musterte, etwa wie Lazarus, als er von den Toten auferweckt wurde. Lieber Sor Carlo, sagte ich, was zum Teufel haben Sie gemacht? Warum begraben Sie sich bei lebendigem Leibe in diesem elenden Fischernest, w�hrend ganz Pisa in Alarm ist um Ihr Verschwinden und Ihre trauernde Witwe Tag und Nacht keine Ruhe hat bis sie-Hier fiel er mir zum Gl�ck in das Wort; ich h�tte sonst am Ende die gute Lucrezia verleumderischerweise als ganz untr�stlich geschildert. Was? sagte er. Meine Witwe? Wei� denn meine Frau nicht, da� ich wohl aufgehoben bin? Nun erz�hlte ich ihm, nat�rlich ohne meine eigenen zarten Beziehungen zu dieser liebevollen Seele zu verraten, wie ich die Dinge in Pisa gefunden, gestand ihm auch, da� ich in seinem Hause gewohnt und Zeuge von dem Kummer der einsamen Verlassenen gewesen sei. Wie ich aber auf die beiden Reliquienfl�schchen zu reden kam, unterbrach er mich in heftiger Aufregung. Unerh�rt! rief er und zerw�hlte sich das Haar, so da� ich nun das Vorhandensein eines ungestutzten Ohrenpaares konstatieren konnte. O ich bin sch�ndlich betrogen worden! Man hat mir eine Rolle in einem Possenspiel zugeteilt, die mich bis an mein Lebensende l�cherlich machen wird!--So schrie und tobte er in seinem kleinen St�bchen herum, und es dauerte lange, bis er sich so weit beruhigte, um sich aufs Bett zu setzen und mir den Zusammenhang dieser tragikomischen Geschichte zu enth�llen. Da er mich mit Recht wie einen Hausfreund betrachtete--ich war es gottlob nicht in der verwegensten Bedeutung--so suchte er durchaus nichts zu verstecken oder zu besch�nigen, sondern erz�hlte mir von Anfang an seine Liebes-, Heirats- und Leidensgeschichte. Er hatte seine Frau auf der B�hne kennengelernt und sich ebenso heftig in ihre Sch�nheit verliebt, wie er ihren Gesang verabscheute. Denn sie habe so ganz unheilbar falsch gesungen, da� sie die Ohren ebenso gemartert habe, wie sie die Augen entz�ckte. Er gestand mir sogar, seiner festen �berzeugung nach sei der arme Tobia Seresi blo� dadurch um den Verstand gekommen, da� er gen�tigt gewesen sei, einen ganzen Winter hindurch Duette mit ihr zu singen. Unter solchen Umst�nden habe er, Sor Carlo, sich endlich nicht anders zu helfen gewu�t, als indem er sie von der B�hne wegheiratete. Aber leider habe das h�usliche Gl�ck und ihre Hausfrauen- und Mutterpflichten das verh�ngnisvolle Talent nicht ersticken k�nnen. Dazu nun ihre Liebhaberei f�r ger�uschvolle Haustiere, das unvermeidliche Kindergeschrei, der L�rm auf der Stra�e--kurz, seine Nerven h�tten endlich so sehr gelitten, da� an Komponieren kein Gedanke mehr gewesen sei. Nun habe sie alles M�gliche ihm zuliebe getan. Aber sein Geh�r sei jetzt schon so �berreizt gewesen, da� er sich eingebildet habe, sie niese sogar falsch und ihre Schuhe knarrten um einen Viertelston zu hoch. Endlich habe er sich entschlossen, eine Erholungsreise nach Neapel anzutreten, und hier sei das Leiden auch bald milder geworden, zumal da er in dem stillen Landhause eines Schulfreundes, eines Arztes, ganz ungest�rt seinen Lieblingsarbeiten nachgehen konnte. �berdies fand er endlich hier unten einen jungen Poeten, der ihm einen Operntext ganz nach seinen W�nschen dichtete. jetzt nur sechs Monate in ungest�rter Arbeitsruhe, und er wollte ein Werk zustande bringen, das ihn auf einen Schlag in ganz Italien ber�hmt machen sollte. Aber schon kamen die ungeduldigsten, sehns�chtigsten Briefe seiner jungen Frau. Wenn er nicht zur�ckkehre, werde sie alles, Haus und Kinder, im Stiche lassen und ihren hei�geliebten Carlo aufsuchen. Und sie w�re es imstande gewesen! seufzte der Gatte; denn sie konnte nicht ohne mich leben, und ihre Eifersucht war nicht die geringste meiner h�uslichen Annehmlichkeiten.--In dieser Not fragte er seinen Freund um Rat, der ebenfalls nichts lebhafter w�nschte als den Ruhm und das sch�pferische Gl�ck des Freundes. La� du mich nur machen! habe jener gesagt. Ich verspreche dir, da� sie dich bis zur Vollendung deines Werks in Ruhe lassen soll. Nur mu�t du mir dagegen geloben, in der ganzen Zeit weder an sie zu schreiben, noch dich vor irgend einem Menschen sehen zu lassen, der ihr m�ndlich Nachricht von dir bringen k�nnte. Im �brigen werde ich es so einrichten, wie es f�r alle Teile das zutr�glichste ist.--Diesen Vertrag sei er unbedenklich eingegangen, da er schon ganz von seiner Arbeit erf�llt gewesen sei und ja auch gewu�t habe, da� inzwischen zu Hause alles wohl stehe. Die ersten Monate des Winters habe er in einem stillen Hause nahe bei Amalfi zugebracht und hier die Skizze seiner Oper vollendet. Sein Freund, der Arzt, habe ihn mit Geld versehen und alle vier Wochen geschrieben, Frau und Kinder seien wohl und lie�en ihn gr��en. Als er dann soweit war, da� die vollst�ndige Partitur geschrieben werden mu�te, was er ohne Instrument nicht gut zustande bringen konnte, habe er Amalfi verlassen und sich nach einem kurzen Besuch in Neapel nach Portovenere zur�ckgezogen, wohin von La Spezia aus ein altes Klavier leichter zu schaffen war. Hier hause er nun friedlich seit f�nf Monaten. Nur noch eine Woche, so sei auch das Finale des letzten Aktes gl�cklich instrumentiert, und nun erfahre er zu seinem Entsetzen, da� sein Freund seine Arglosigkeit aufs Schn�deste mi�braucht und auf seine Kosten eine Farce in Szene gesetzt habe, die ihn, da er eben an die Schwelle des Ruhmes gelangt sei, ohne Erbarmen vor ganz Italien zum Gel�chter machen m�sse. Fassen Sie sich nur, sagte ich, w�hrend ich selbst M�he hatte, mein Lachen zu unterdr�cken. Es ist noch gar nichts verloren. Von den beiden herrenlosen Ohren, die Ihr zynischer Freund auf der Anatomie irgend einem stillen Mann abgeschnitten haben wird, wissen bis jetzt sehr wenige. Ihre trauernde Witwe hat sie nur den n�chsten Teilnehmenden gezeigt. Im �brigen--was ist da zu lachen, wenn ein gl�cklicher Familienvater vor l�rmenden Kindern und Haustieren die Flucht ergreift, um irgendwo in der Stille ein unsterbliches Werk zu schaffen? Freilich ist es nachgerade Zeit, da� Sie nach Hause kommen; denn Ihre sch�ne Frau wird nat�rlich umworben, wie weiland Penelope, und wenn Sie l�nger tot bleiben-Herr, sagte er und fa�te mich erschrocken am Arm, Sie wollen doch nicht etwa sagen-Nicht das geringste, was Ihrer Ehre zu nahe treten k�nnte, fuhr ich eilig fort. In ganz Pisa kann niemand Ihrer Frau etwas B�ses nachsagen, und da� sie mir eines ihrer �berfl�ssigen Zimmer abgetreten, kann sie vor ihrem Gewissen verantworten. Ich habe eine Braut in Deutschland und gebe Ihnen meine heiligste Versicherung, da� mir in Pisa nichts ferner lag als Liebesaff�ren. Er sah mich mit einem forschenden Blicke an, der mich �berzeugte, da� seine alte Leidenschaft f�r diese Frau durchaus noch nicht erloschen sei. Als ich ihm aber von meinem Werk �ber den Schiefbau erz�hlte, beruhigte er sich, da er mich nun f�r einen ausgemachten Narren hielt. Ich will Ihnen glauben, sagte er. Aber was soll ich jetzt beginnen? Raten Sie mir! Ich war mein Lebtag ein ganz unpraktischer Mensch und habe nur f�r meine Kunst gelebt. Wissen Sie was? sagte ich. Das beste wird sein, ich fahre sogleich nach Pisa zur�ck und bereite Ihre Frau auf Ihr Wiedererscheinen vor. Wenn Sie pl�tzlich unangemeldet ins Zimmer tr�ten, k�nnte die z�rtliche Seele den Tod vor Schrecken haben, oder doch zum wenigsten ein Nervenfieber. Sie packen indes Ihre Oper ein und folgen mir morgenden Tages nach. Das schien denn auch dem guten Mann, der ziemlich kopflos und tiefsinnig immer noch auf dem Bette sa�, das zweckm��igste, und so nahmen wir kurz Abschied voneinander; ich bezahlte mein Mittagessen und wanderte die schmale Gasse hinunter, die jetzt schon recht k�hl und d�mmrig war. Nun erst konnte ich stille f�r mich in Lachen ausbrechen und mich an dem tiefen Sinn in diesem kindischen Spiel erg�tzen. je mehr ich dr�ber nachdachte, je mehr mu�te ich der Menschenkenntnis des Neapolitaners Gerechtigkeit widerfahren lassen. Denn da� Frau Lucrezia mit gelinderen Mitteln nicht zu bewegen gewesen w�re, auf ihren Carlo zehn Monate zu verzichten, stand auch mir felsenfest. Das Lustige an der ganzen Posse war mir aber der Vorgenu� der Schadenfreude, mit der ich in mein Zimmer in Pisa zu treten dachte, auf einmal wieder ein freier Mann und ohne Gefahr, "sin' all' ore, all' ore estreme" im Schatten des schiefen Turmes f�r das "zweite Lebensgl�ck" meiner sch�nen Wirtin haften zu m�ssen. Was aber geschieht? Wie ich schon das verfallene Tor durchschritten habe und um die Ecke biege, um unten an dem Landungsplatz meinen alten Schiffer wieder aufzutreiben, sehe ich eine verschleierte Dame mir entgegenkommen, die eben aus einem Nachen gestiegen war und bei meinem Anblick einen unverst�ndlichen Ausruf tut. Ich achte nicht weiter darauf, da ich immer nur Pisa im Kopfe habe, und will spornstreichs an ihr vorbei. Pl�tzlich ergreift sie mich beim Arm, schl�gt den Schleier zur�ck und ruft mit dem Tone sittlicher Entr�stung: Ha, Verr�ter, meint Ihr mir auch hier zu entrinnen?--Meinen Schrecken k�nnen Sie sich denken. Lucrezia! rief ich und weiter konnte ich nichts sagen, denn ich �berlegte im Nu, wie sehr sie ihre Lage durch diesen Geniestreich verschlimmerte. Was sagen Sie aber dazu? War mir dieses unentrinnbare Frauenzimmer richtig nachgereist und machte Miene, mich zu Lande und zu Wasser, lebend und tot, wieder einzufangen. Um des Himmels willen! rief ich und zog sie in der ersten Best�rzung in den dunklen Torbogen, was f�llt Ihnen ein, Lucrezia? Wissen Sie denn--O Ferdinando, unterbrach sie mich mit sehr erhabener Geb�rde, ich fl�chte mich zu Euch vor der Bosheit der Menschen. Der Oheim ist aus Florenz zur�ck. Er ist wie rasend und hat geschworen, mich umzubringen, wenn der Fremde, der hinter seinem R�cken sich bei mir eingeschlichen habe, meine Ehre nicht wiederherstelle, wie es einem Galantuomo gezieme. Die Tante hat ihn vergebens zu bes�nftigen gesucht, er will von nichts h�ren; er sagt nur immer, da� er Euch nacheilen und Genugtuung von Euch verlangen oder Euch niederschie�en wolle, wie einen R�uber und M�rder. Was sollte ich tun, ich �rmste? Ich habe mit vielen Tr�nen und Bitten eine Frist von drei Tagen erlangt; eine innere Stimme sagte mir, da� ich Euch finden und das Schlimmste noch verh�ten w�rde. Im "Nettuno"erfuhr ich, Ihr seiet nach La Spezia. Dort hatten sie Euch nach Portovenere fahren sehen. Und nun, Ferdinando-Ihr kommt wie gerufen, sagte ich. Ihr spart mir einen Weg. Denn ich war eben im Begriff, wieder umzukehren und Euch die Nachricht zu bringen, da� Eure Witwenschaft zu Ende ist. Wirklich? So ist es gut, so la�t uns eilig wieder in den Kahn steigen, sagte sie. Ich wu�te es ja, Ihr w�rdet ein alleinstehendes Weib nicht so schwer kompromittieren, wenn Ihr es nicht gut und ehrlich mit ihr meintet. Halt! sagte ich. Ihr wi�t noch nicht alles. Die Toten stehn wieder auf. Euer Seliger sitzt droben im Wirtshaus und l��t Euch gr��en. Er ist frisch und gesund und im Besitz seiner s�mtlichen Ohren, die Ihr von jetzt an hoffentlich etwas schonender behandeln werdet. Nun war die Reihe zu versteinern an ihr. W�hrend sie mich aber anstarrte, als ob ich ihr ein M�rchen aus Tausend und einer Nacht erz�hlte, verlor ich keine Zeit, sondern berichtete ihr im Auszuge alles, was ich selber wu�te. Und damit Ihr nun seht, schlo� ich, da� ich es wirklich gut und ehrlich mit Euch meine, will ich Euch einen Rat geben, wie Ihr alles noch ganz herrlich wieder in Ordnung bringen k�nnt. Ihr geht jetzt auf der Stelle zu Eurem Seligen und erz�hlt ihm, da� ein unbestimmtes Ger�cht, er halte sich hier in Portovenere versteckt, Euch von Pisa weggelockt habe. Der treffliche Mann, der Euch trotz mancher kleiner Schattenseiten noch immer blindlings zu lieben scheint, wird Euch nicht allzu scharf examinieren. Ein paar Zeilen, die Ihr an den Oheim vorausschickt, werden auch diesen Biedermann in die rechte Stimmung bringen, und wenn Ihr sonstiges Gerede der Nachbarn scheut, so macht eine kleine Hochzeitsreise l�ngs der Riviera und kehrt erst heim, wenn die Schw�tzer stille geworden sind. Auf meine Diskretion k�nnt Ihr Euch nat�rlich verlassen. Ich werde Euch ewig dankbar sein, da� Ihr mich nicht unw�rdig gefunden habt, Euch ein zweites Lebensgl�ck begr�nden zu helfen. W�hrend ich ihr diesen langen Sermon hielt, belustigte es mich sehr, den Wechsel der Gem�tsbewegungen auf ihrem Gesicht zu beobachten. Aber das Spa�hafteste war der Ausdruck von zeremonieller K�lte, den sie zum Schutz gegen mich annahm, als sie sich von der Furcht vor allen verdrie�lichen Folgen dieses Abenteuers durch meine weisen Winke befreit sah. Va bene, sagte sie. Ich w�nsche Ihnen eine gl�ckliche Reise, mein Herr!--Damit nickte sie mir huldvoll wie einem v�llig Fremden meine Entlassung zu, zog den Schleier wieder �ber das Gesicht und ging majest�tisch, als h�tte sie sich eben nur bei einem Vor�bergehenden nach dem Wege erkundigt, die Gasse hinauf, dem Wiedersehen mit ihrem Carlo entgegen. Ich zweifle nicht, da� sie den Auferstandenen aufs z�rtlichste begr��t und aufs unbefangenste belogen haben wird. O die Weiber! Sie sind niemals gr��er, furchtbarer, erfinderischer und bezaubernder, als wenn sie ein schlechtes Gewissen haben! Dies ist mein Abenteuer mit der Witwe von Pisa, sagte mein Nachbar und z�ndete eine frische Zigarre an. Was sagen Sie dazu? Wollen Sie nicht eine Novelle daraus machen? Beh�te mich der Himmel! rief ich. Ich w�rde mich sch�n damit "kompromittieren". Welcher deutsche Leser glaubte mir diese tolle Geschichte? Mag sein, sagte er. Aber daran w�ren Sie selber schuld. Warum haben Sie die Meinung verbreitet, die Frauenzimmer jenseits der Alpen (wir waren n�mlich schon �ber die H�he des Mont Cenis gekommen und rollten nach Savoyen hinunter) seien aus ganz besonderem Stoff und von dem sch�nen Geschlecht in Deutschland grundverschieden? K�nnte diese Geschichte nicht ebensogut in unserem teueren Vaterlande sich zugetragen haben? Was? rief ich erstaunt, Sie glauben im Ernst-Bis auf das Intermezzo mit den beiden Ohren, sagte er feierlich. Denn gottlob, wir leben in wohlpolizierten Verh�ltnissen, und die Spitzbuben schneiden h�chstens Beutel und Z�pfe ab. Was aber die Witwen betrifft-Hier hielt die Diligence vor einem Stationshause, und eine Tasse Kaffee unterbrach unser Gespr�ch, da es eben drohte, eine sehr bedenkliche Wendung zu nehmen. Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die Witwe von Pisa, von Paul Heyse. End of the Project Gutenberg EBook of Die Witwe von Pisa, by Paul Heyse *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE WITWE VON PISA *** This file should be named 8wtps10.txt or 8wtps10.zip Corrected EDITIONS of our eBooks get a new NUMBER, 8wtps11.txt VERSIONS based on separate sources get new LETTER, 8wtps10a.txt Produced by Delphine Lettau Project Gutenberg eBooks are often created from several printed editions, all of which are confirmed as Public Domain in the US unless a copyright notice is included. Thus, we usually do not keep eBooks in compliance with any particular paper edition. We are now trying to release all our eBooks one year in advance of the official release dates, leaving time for better editing. Please be encouraged to tell us about any error or corrections, even years after the official publication date. Please note neither this listing nor its contents are final til midnight of the last day of the month of any such announcement. 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