The Project Gutenberg EBook of Othello, by Wilhelm Hauff
#4 in our series by Wilhelm Hauff

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Title: Othello

Author: Wilhelm Hauff

Release Date: October, 2004 [EBook #6725]
[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
[Date last updated: September 18, 2004]

Edition: 10

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1




*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK OTHELLO ***





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Othello

Wilhelm Hauff

Wie? Wann? und Wo? Die G�tter bleiben stumm!
Du halte dich ans Weil, und frage nicht Warum?

Goethe


1.

Das Theater war gedr�ngt voll; ein neuangeworbener S�nger gab den Don
Juan.  Das Parterre wogte, von oben gesehen, wie die unruhige See,
und die Federn und Schleier der Damen tauchten wie schimmernde Fische
aus den dunkeln Massen.  Die Ranglogen waren reicher als je, denn mit
dem Anfang der Wintersaison war eine kleine Trauer eingefallen, und
heute zum erstenmal drangen wieder die schimmernden Farben der
reichen Turbans, der wehenden B�sche, der bunten Schals an das Licht
hervor.  Wie gl�nzend sich aber auch der reiche Kranz von Damen um
das Amphitheater zog, das Diadem dieses Kreises schien ein herrliches,
liebliches Bild zu sein, das aus der f�rstlichen Loge freundlich und
hold die Welt um und unter sich �berschaute.  Man war versucht zu
w�nschen, dieses sch�ne Kind m�chte nicht so hoch geboren sein, denn
diese frische Farbe, diese heitere Stirne, diese kindlich reinen,
milden Augen, dieser holde Mund war zur Liebe--nicht zur Verehrung
aus der Ferne geschaffen.  Und wunderbar, wie wenn Prinzessin Sophie
diesen frevelhaften Gedanken geahnet h�tte--auch ihr Anzug entsprach
diesem Bilde einfacher, nat�rlicher Sch�nheit; sie schien jeden
Schmuck, den die Kunst verleiht, dem stolzen Damenkreis �berlassen zu
haben.

"Sehen Sie, wie lebendig, wie heiter sie ist", sprach in einer der
ersten Ranglogen ein fremder Herr zu dem russischen Gesandten, der
neben ihm stand, und beschaute die Prinzessin durch das Opernglas;
"wenn sie l�chelt, wenn sie das sprechende Auge ein klein wenig
zudr�ckt und dann mit unbeschreiblichem Reiz wieder aufschl�gt, wenn
sie mit der kleinen niedlichen Hand dazu agiert--man sollte glauben,
aus so weiter Ferne ihre witzigen Reden, ihre naiven Fragen vernehmen
zu k�nnen."

"Es ist erstaunlich!" entgegnete der Gesandte.

"Und dennoch sollte dieser Himmel von Freudigkeit nur Maske sein?
Sie sollte f�hlen, schmerzlich f�hlen, sie sollte ungl�cklich lieben
und doch so bl�hend, so heiter sein?  Gn�dige Frau!" wandte sich der
Fremde zu der Gemahlin des Gesandten, "gestehen Sie, Sie wollen mich
mystifizieren, weil ich einiges Interesse an diesem G�tterkinde
genommen habe."

"Mon dieu!  Baron", sagte diese mit dem Kopfe wackelnd, "Sie glauben
noch immer nicht?  Auf Ehre, es ist wahr, wie ich Ihnen sagte; sie
liebt, sie liebt unter ihrem Stande, ich wei� es von einer Dame, der
nichts dergleichen entgeht.  Und wie? meinen Sie, eine Prinze�, die
von Jugend auf zur Repr�sentation erzogen ist, werde nicht Tourn�re
genug haben, um ein so unschickliches Verh�ltnis den Augen der Welt
zu verbergen?"

"Ich kann es nicht begreifen", fl�sterte der Fremde, indem er wieder
sinnend nach ihr hinsah; "ich kann es nicht fassen; diese Heiterkeit,
dieser beinahe mutwillige Scherz--und stille, ungl�ckliche Liebe?
Gn�dige Frau, ich kann es nicht begreifen!"

"Ja, warum soll sie denn nicht munter sein, Baron?  Sie ahnet wohl
nicht, da� jemand etwas von ihrer meschanten Auff�hrung wei�; der
Amoroso ist in der N�he--"

"Ist in der N�he? o bitte, Madame! zeigen sie mir den Gl�cklichen,
wer ist er?"

"Was verlangen Sie!  Das w�re ja gegen alle Diskretion, die ich der
Oberhofmarschallin schuldig bin; mein Freund, daraus wird nichts.
Sie k�nnen zwar in Warschau wieder erz�hlen, was Sie hier gesehen und
geh�rt haben, aber Namen?  Nein, Namen zu nennen in solchen Aff�ren,
ist sehr unschicklich; mein Mann kann dergleichen nicht leiden."

Die Ouvert�re war ihrem Ende nahe, die T�ne brausten st�rker aus dem
Orchester herauf, die Blicke der Zuschauer waren fest auf den Vorhang
gerichtet, um den neuen Don Juan bald zu sehen; doch der Fremde in
der Loge der russischen Gesandtschaft hatte kein Ohr f�r Mozarts T�ne,
kein Auge f�r das St�ck; er sah nur das liebliche, herrliche Kind,
das ihm um so interessanter war, als diese sch�nen Augen, diese s��en,
freundlichen Lippen heimliche Liebe kennen sollten.  Ihre Umgebungen,
einige �ltere und j�ngere Damen, hatten zu sprechen aufgeh�rt; sie
lauschten auf die Musik; Sophiens Augen glitten durch das gef�llte
Haus, sie schienen etwas zu vermissen, zu suchen.  "Ob sie wohl nach
dem Geliebten ihre Blicke aussendet?" dachte der Fremde; "ob sie die
Reihen mustert, ihn zu sehen, ihn mit einem verstohlenen L�cheln, mit
einem leisen Beugen des Hauptes, mit einem jener tausend Zeichen zu
begr��en, welche stille Liebe erfindet, womit sie ihre Lieblinge
begl�ckt, bezaubert?" Eine schnelle, leichte R�te flog jetzt �ber
Sophiens Z�ge, sie r�ckte den Stuhl mehr seitw�rts, sie sah einigemal
nach der T�re ihrer Loge; die T�re ging auf, ein gro�er, sch�ner
junger Mann trat ein und n�herte sich einer der �lteren Damen; es war
die Herzogin F., die Mutter der Prinzessin.  Sophie spielte
gleichg�ltig mit der Brille, die sie in der Hand hielt; aber der
Fremde war Kenner genug, um in ihrem Auge zu lesen, da� dieser und
kein anderer der Gl�ckliche sei.

Noch konnte er sein Gesicht nicht sehen; aber die Gestalt, die
Bewegungen des jungen Mannes hatten etwas Bekanntes f�r ihn; die
F�rstin zog ihre Tochter ins Gespr�ch, sie blickte freundlich auf,
sie schien etwas Pikantes erwidert zu haben, denn die Mutter l�chelte,
der junge Mann wandte sich um, und--"mein Gott!  Graf Zronievsky!"
rief der Fremde so laut, so �ngstlich, da� der Gesandte an seiner
Seite heftig erschrak und seine Gemahlin den Gast krampfhaft an der
Hand fa�te und neben sich auf den Stuhl niederri�.

"Um Himmels willen, was machen Sie f�r Skandal", rief die erz�rnte
Dame; "die Leute schauen rechts und links nach uns her; wer wird denn
so m�rderisch schreien?  Es ist nur gut, da� sie da unten gerade
ebenso m�rderisch gegeigt und trompetet haben, sonst h�tte jedermann
Ihren Zronievsky h�ren m�ssen.  Was wollen Sie nur von dem Grafen?
Sie wissen ja doch, da� wir vermeiden, ihn zu kennen!"

"Kein Wort wei� ich", erwiderte der Fremde; "wie kann ich auch wissen,
wen Sie kennen und wen nicht, da ich erst seit drei Stunden hier bin.
Warum vermeiden Sie es, ihn zu sehen?"

"Nun, seine Verh�ltnisse zu unserer Regierung k�nnen Ihnen nicht
unbekannt sein", sprach der Gesandte; "er ist verwiesen, und es ist
mir h�chst fatal, da� er gerade hier und immer nur hier sein will.
Er hat sich unversch�mterweise bei Hofe pr�sentieren lassen, und so
sehe ich ihn auf jedem Schritt und Tritt, und doch wollen es die
Verh�ltnisse, da� ich ihn ignoriere. �berdies macht mir der fatale
Mensch sonst noch genug zu schaffen; man will h�heren Orts wissen,
wovon er lebe und so gl�nzend lebe, da doch seine G�ter konfisziert
sind; und ich wei� es nicht herauszubringen.  Sie kennen ihn, Baron?"

Der Fremde hatte diese Reden nur halb geh�rt; er sah unverwandt nach
der f�rstlichen Loge; er sah, wie Zronievsky mit der F�rstin und den
andern Damen sprach, wie nur sein feuriges Auge hin und wieder nach
Sophien hinglitt, wie sie begierig diesen Strahl auffing und
zur�ckgab.  Der Vorhang flog auf, der Graf trat zur�ck und verschwand
aus der Loge; Leporello hub sein Klagen an.

"Sie kennen ihn, Baron?" fl�sterte der Gesandte; "wissen Sie mir
N�heres �ber seine Verh�ltnisse--"

"Ich habe mit ihm unter den polnischen Lanciers gedient."

"Ist wahr; er hat in der franz�sischen Armee gedient; sahen Sie sich
oft? kennen Sie seine Ressourcen?"

"Ich habe ihn nur gesehen", warf der Fremde leicht hin, "wenn es der
Dienst mit sich brachte; ich wei� nichts von ihm, als da� er ein
braver Soldat und ein sehr unterrichteter Offizier ist."

Der Gesandte schwieg; sei es, da� er diesen Worten glaubte, sei es,
da� er zu vorsichtig war, seinem Gast durch weitere Fragen Mi�trauen
zu zeigen.  Auch der Fremde bezeugte keine Lust, das Gespr�ch weiter
fortzusetzen; die Oper schien ihn ganz in Anspruch zu nehmen; und
dennoch war es ein ganz anderer Gegenstand, der seine Seele
unabl�ssig besch�ftigte.  "Also hieher hat dich dein ungl�ckliches
Geschick endlich getrieben?" sagte er zu sich, "armer Zronievsky!
Als Knabe wolltest du dem Kosciusko helfen und dein Vaterland
befreien; Freiheit und Kosciusko sind verklungen und verschwunden.
Als J�ngling warst du f�r den Ruhm der Waffen, f�r die Ehre der Adler,
denen du folgtest, begeistert, man hat sie zerschlagen; du hattest
dein Herz so lange vor Liebe bewahrt, sie findet dich endlich als
Mann, und siehe--die Geliebte steht so furchtbar hoch, da� du
vergessen oder untergehen mu�t!"

Das Geschick seines Freundes, denn das war ihm Graf Zronievsky
gewesen, stimmte den Fremden ernst und tr�be, er versank in jenes
Hinbr�ten, das die Welt und alle ihre Verh�ltnisse vergi�t, und der
Gesandte mu�te ihn, als der erste Akt der Oper zu Ende war, durch
mehrere Fragen aus seinem Sinnen aufwecken, das nicht einmal durch
das Klatschen und Bravorufen des Parterres unterbrochen worden war.

"Die Herzogin hat nach Ihnen gefragt", sagte der Gesandte,--"sie
behauptet, Ihre Familie zu kennen; kommen Sie, wischen Sie diesen
Ernst, diese Melancholie von Ihrer Stirne; ich will Sie in die Loge
f�hren und pr�sentieren."

Der Fremde err�tete; sein Herz pochte, er wu�te selbst nicht warum;
erst als er den Korridor mit dem Gesandten hinging, als er sich der
f�rstlichen Loge n�herte, f�hlte er, da� es die Freude sei, was sein
Blut in Bewegung brachte, die Freude, jenem lieblichen Wesen nahe zu
sein, dessen stille Liebe ihn so sehr anzog.



2.

Die Herzogin empfing den Fremden mit ausgezeichneter G�te.  Sie
selbst pr�sentierte ihn der Prinzessin Sophie, und der Name Larun
schien in den Ohren des sch�nen Kindes bekannt zu klingen; sie
err�tete fl�chtig und sagte, sie glaube geh�rt zu haben, da� er
fr�her in der franz�sischen Armee diente.  Es war dem Baron nur zu
gewi�, da� ihr niemand anders als Zronievsky dies gesagt haben konnte;
es war ihm um so gewisser, als ihr Auge mit einer gewissen Teilnahme
auf ihm, wie auf einem Bekannten, ruhte, als sie gerne die Rede an
ihn zu richten schien.

"Sie sind fremd hier", sagte die Herzogin, "Sie sind keinen Tag in
diesen Mauern, Sie k�nnen also noch von niemand bestochen sein; ich
fordere Sie auf, seien Sie Schiedsrichter; kann es nicht in der Natur
geheimnisvolle Kr�fte geben, die--die, wie soll ich mich nur
ausdr�cken, die, wenn wir sie frevelhaft hervorrufen, uns Unheil
bringen k�nnen?"

"Sie sind nicht unparteiisch, Mutter", rief die Prinzessin lebhaft.
"Sie haben schon durch Ihre Frage, wie Sie sie stellten, die Sinne
des Barons gefangen genommen.  Sagen Sie einmal, wenn zuf�llig im
Zwischenraum von vielen Jahren von einem Hause nach und nach sechs
Dachziegel gefallen w�ren und einige Leute get�tet h�tten, w�rden Sie
nicht mehr an diesem Hause vor�bergehen?"

"Warum nicht? es m��ten nur in diesen Ziegeln geheimnisvolle Kr�fte
liegen, welche--"

"Wie mutwillig!" unterbrach ihn die Herzogin, "Sie wollen mich mit
meinen geheimnisvollen Kr�ften nach Hause schicken; aber nur Geduld;
das Gleichnis, das Sophie vorbrachte, pa�t doch nicht ganz--"

"Nun, wir wollen gleich sehen, wem der Baron recht gibt", rief jene;
"die Sache ist so: wir haben hier eine sehr h�bsche Oper, man gibt
alles M�gliche, Altes und Neues durcheinander, nur eines nicht, die
sch�nste, herrlichste Oper, die ich kenne; auf fremdem Boden mu�te
ich sie zum erstenmal h�ren; das erste, was ich tat, als ich hieher
kam, war, da� ich bat, man m�chte sie hier geben, und nie wird mir
mein Wunsch erf�llt!  Und nicht etwa, weil sie zu schwer ist, sie
geben schwerere St�cke, nein, der Grund ist eigentlich l�cherlich."

"Und wie hei�t die Oper?" fragte der Fremde.  "Es ist Othello!"

"Othello?  Gewi�, ein herrliches Kunstwerk; auch mich spricht selten
eine Musik so an wie diese, und ich f�hle mich auf lange Tage
feierlich, ich m�chte sagen heilig bewegt, wenn ich Desdemonas
Schwanengesang zur Harfe singen geh�rt habe."

"H�ren Sie es?  Er kommt von Petersburg, von Warschau, von Berlin,
Gott wei� woher--ich habe ihn nie gesehen, und dennoch sch�tzt er
'Othello' so hoch.  Wir m�ssen ihn einmal wieder sehen.  Und warum
soll er nicht wieder gegeben werden?  Wegen eines M�rchens, das
heutzutage niemand mehr glaubt."

"Freveln Sie nicht", rief die F�rstin, "es sind mir Tatsachen bekannt,
die mich schaudern machen, wenn ich nur daran denke; doch wir
sprechen unserem Schiedsrichter in R�tseln; stellen Sie sich einmal
vor, ob es nicht schrecklich w�re, wenn es jedesmal, so oft 'Othello'
gegeben w�rde, brennte."

"Auch wieder ein Gleichnis", fiel Sophie ein, "doch es ist noch viel
toller, das M�rchen selbst!"

"Nein, es soll einmal brennen", fuhr die Mutter fort.  "'Othello'
wurde zuerst als Drama nach Shakespeare gegeben, schon vor f�nfzig
Jahren; die Sage ging, man wei� nicht, woher und warum, da�, so oft
'Othello' gegeben wurde, ein gewisses Evenement erfolgte; nun also
unser Brennen; es brannte jedesmal nach 'Othello'.  Man machte den
Versuch, man gab lange Zeit 'Othello' nicht; es kam eine neue
geistreiche �bersetzung auf, er wird gegeben--jener ungl�cklichste
Fall ereignete sich wieder.  Ich wei� noch wie heute, als 'Othello',
zur Oper verwandelt, zum erstenmal gegeben wurde; wir lachten lange
vorher, da� wir den ungl�cklichen Mohren um sein Opfer gebracht haben,
indem er jetzt musikalisch geworden--Desdemona war gefallen, wenige
Tage nachher hatte der Schwarze auch sein zweites Opfer.  Der Fall
trat nachher noch einmal ein, und darum hat man 'Othello' nie wieder
gegeben; es ist t�richt, aber wahr.  Was sagen Sie dazu, Baron? aber
aufrichtig, was halten Sie von unserem Streit?"

"Durchlaucht haben vollkommen recht", antwortete Larun in einem Ton,
der zwischen Ernst und Ironie die Mitte hielt; "wenn Sie erlauben,
werde ich durch ein Beispiel aus meinem eigenen Leben Ihre Behauptung
best�tigen.  Ich hatte eine unverheiratete Tante, eine unangenehme,
mystische Person; wir Kinder hie�en sie nur die Federntante, weil sie
gro�e, schwarze Federn auf dem Hut zu tragen pflegte.  Wie bei Ihrem
'Othello', so ging auch in unserer Familie eine Sage, so oft die
Federntante kam, mu�te nachher eines oder das andere krank werden.
Es wurde dar�ber gescherzt und gelacht, aber die Krankheit stellte
sich immer ein, und wir waren den Spuk schon so gew�hnt, da�, so oft
die Federntante zu Besuch in den Hof fuhr, alle Zur�stungen f�r die
kommende Krankheit gemacht und selbst der Doktor geholt wurde."

"Eine k�stliche Figur, Ihre Federntante", rief die Prinzessin lachend;
"ich kann mir sie denken, wie sie den Kopf mit dem Federnhut aus dem
Wagen streckte, wie die Kinder laufen, als k�me die Pest, weil keines
krank werden will, und wie ein Reitknecht zur Stadt sprengen mu�, um
den Doktor zu holen, weil die Federntante erschienen sei.  Da hatten
Sie ja wahrhaftig eine lebendige wei�e Frau in Ihrer Familie!"

"Still von diesen Dingen", unterbrach sie die F�rstin ernst, beinahe
unmutig; "man sollte nicht von Dingen so leichthin reden, die man
nicht leugnen kann und deren Natur dennoch nie erkl�rt wird.  So ist
nun einmal auch mein 'Othello'", setzte sie freundlicher hinzu.  "Und
Sie werden ihn nicht zu sehen bekommen, Baron, und m�ssen ihr
Lieblingsst�ck schon wo anders aufsuchen."

"Und Sie sollen ihn dennoch sehen", fl�sterte Sophie zu ihm hin, "ich
mu� mein Desdemonalied noch einmal h�ren, so recht sehen und h�ren
auf der B�hne, und sollte ich selbst dar�ber zum Opfer werden!"

"Sie selbst?" fragte der Fremde betroffen; "ich h�re ja, der
gespenstische Mohr soll nur brennen, nicht t�ten?"

"Ach, das war ja nur das Gleichnis der Mutter!" fl�sterte sie noch
viel leiser, "die Sage ist noch, viel schauriger, noch viel
gef�hrlicher."

Der Kapellmeister pochte, die Introduktion des zweiten Akts begann,
und der Fremde stand auf, die f�rstliche Loge zu verlassen.  Die
Herzogin hatte ihn g�tig entlassen, aber vergebens sah er sich nach
dem Gesandten um, er war wohl l�ngst in seine Loge zur�ckgekehrt.
Unschl�ssig, ob er rechts oder links gehen m�sse, stand er im
Korridor, als eine warme Hand sich in die seinige legte; er blickte
auf, es war der Graf Zronievsky.



3.

"So habe ich doch recht gesehen?" rief der Graf, "mein Major, mein
tapferer Major!  Wie lebt alles wieder in mir auf!  Ich werfe diese
ungl�cklichen dreizehn Jahre von mir; ich bin der frohe Lancier wie
sonst!  Vive Poniatowsky, vive l'emp-"

"Um Gottes willen, Graf!" fiel ihm der Fremde in das Wort; "bedenken
Sie, wo Sie sind.  Und warum diese Schatten heraufbeschw�ren?  Sie
sind hinab mit ihrer Zeit, lasset die Toten ruhen."

"Ruhen?" entgegnete jener; "das ist ja gerade, was ich nicht kann; o,
da� ich unter jenen Toten w�re, wie sanft, wie geduldig wollte ich
ruhen.  Sie schlafen, meine tapfern Polen, und keine Stimme, wie
m�chtig sie auch rufe, schreckt sie auf.  Warum darf ich allein nicht
rasten?"

Ein d�steres, unstetes Feuer brannte in den Augen des sch�nen Mannes;
seine Lippen schlossen sich schmerzlich; sein Freund betrachtete ihn
mit besorgter Teilnahme, er sah hier nicht mehr den fr�hlichen,
heldenm�tigen J�ngling, wie er ihn an der Spitze des Regimentes in
den Tagen des Gl�ckes gesehen; das zutrauliche, gewinnende L�cheln,
das ihn sonst so angezogen, war einem gr�mlichen, bittern Zuge
gewichen, das Auge, das sonst voll stolzer Zuversicht, voll freudigen
Mutes, frei und offen um sich blickte schien mi�trauisch jeden
Gegenstand zu pr�fen, durchbohren zu wollen, das matte Rot, das seine
Wangen bedeckte, war nur der Abglanz jener Jugendbl�te, die ihm in
den Salons von Paris den Namen des sch�nen Polen erworben hatte, und
dennoch, auch nach dieser gro�en Ver�nderung, welche Zeit und Ungl�ck
hervorgebracht hatten, mu�te man gestehen, da� Prinzessin Sophie sehr
zu entschuldigen sei.

"Sie sehen mich an, Major?" sagte jener nach einigem Stillschweigen,
"Sie betrachten mich, als wollten Sie die alten Zeiten aus meinen
Z�gen herausfinden?  Geben Sie sich nicht vergebliche M�he, es ist so
manches anders geworden, sollte nicht der Mensch mit dem Geschick
sich �ndern?"

"Ich finde Sie nicht sehr ver�ndert", erwiderte der Fremde, "ich
erkannte Sie bei dem ersten Anblick wieder.  Aber eines finde ich
nicht mehr wie fr�her, aus diesen Augen ist ein gewisses Zutrauen
verschwunden, das mich sonst so oft begl�ckte.  Alexander Zronievsky
scheint mir nicht mehr zu trauen.  Und doch", setzte er l�chelnd
hinzu, "und dennoch war mein Geist immer bei ihm, ich wei� sogar die
tiefsten Gedanken seines Herzens."

"Meines armen Herzens!" entgegnete der Graf wehm�tig; "ich w��te kaum,
ob ich noch ein Herz habe, wenn es nicht manchmal vor Unmut pochtet.
Welche Gedanken wollen Sie aufgespart haben, als die unwandelbare
Freundschaft f�r Sie, Major?  Schelten Sie nicht mein Auge, weil es
nicht mehr fr�hlich ist; ich habe mich in mich selbst zur�ckgezogen,
ich habe mein Vertrauen in meine Rechte gelegt, ihr Druck wird Ihnen
sagen, da� ich noch immer der Alte bin."

"Ich danke; aber wie, ich sollte mich nicht auf die Gedanken Ihres
Herzens verstehen?  Sie sagen, es pocht nur vor Unmut; was hat denn
ein gewisses F�rstenkind getan, da� Ihr Herz so gar unmutig pocht?"

Der Graf erbla�te; er pre�te des Fremden Hand fest in der seinigen:
"Um Gottes willen, schweigen Sie; nie mehr eine Silbe �ber diesen
Punkt!  Ich wei�, ich verstehe, was Sie meinen, ich will sogar
zugeben, da� Sie recht gesehen haben; der Teufel hat Ihre Augen
gemacht, Major!  Doch warum bitte ich einen Ehrenmann wie Sie, zu
schweigen?  Es hat noch keiner vom achten Regiment seinen Kameraden
verraten."

"Sie haben recht, und kein Wort mehr dar�ber; doch nur dies eine noch;
vom achten verratet keiner den Kameraden, ob aber der gute Kamerad
sich selber nicht verr�t?"

"Kommen Sie hier auf diese Treppe", fl�sterte der Graf, denn es
nahten sich mehrere Personen; "Jesus Maria, sollte au�er Ihnen jemand
etwas ahnen?"

"Wenn Sie Vertrauen um Vertrauen geben werden, wohlan, so will ich
beichten."

"O, foltern Sie mich nicht, Major!  Ich will nachher sagen, was Sie
haben wollen, nur geschwind, ob jemand au�er Ihnen--"

Der Major von Larun erz�hlte, er sei heute in dieser Stadt angekommen,
seine Depeschen seien bei dem Gesandten bald in Richtigkeit gewesen,
man habe ihn in die Oper mitgenommen, und dort, wie er entz�ckt die
Prinzessin aus der Ferne betrachtet, habe ihm die Gesandtin gesagt,
da� Sophie in ein Verh�ltnis unter ihrem Stande verwickelt sei.  "Sie
traten ein in die f�rstliche Loge, ein Blick �berzeugte mich, da�
niemand als Sie der Geliebte sein k�nne."

"Und die Gesandtin?" rief der Graf mit zitternder Stimme.

"Sie hat es best�tigt.  Wenn ich nicht irre sprach sie auch von einer
Oberhofmarschallin, von welcher sie die Nachricht habe."

Der Graf schwieg, einige Minuten vor sich hinstarrend; er schien mit
sich zu ringen, er blickte einige Male den Fremden scheu von der
Seite an--"Major!" sprach er endlich mit klangloser, matter Stimme;
"k�nnen Sie mir hundert Napoleon leihen?"

Der Major war �berrascht von dieser Frage; er hatte erwartet, sein
Freund werde etwas Weniges �ber sein Ungl�ck jammern, wie bei
dergleichen Szenen gebr�uchlich, er konnte sich daher nicht gleich in
diese Frage finden und sah den Grafen staunend an.

"Ich bin ein Fl�chtling", fuhr dieser fort; "ich glaubte endlich eine
stille St�tte gefunden zu haben, wo ich ein klein wenig rasten k�nnte,
da mu� ich lieben--mu� geliebt werden, Major, wie geliebt werden!"
Er hatte Tr�nen in den Augen, doch er bezwang sich und fuhr mit
fester Stimme fort: "Es ist eine sonderbare Bitte, die ich hier nach
so langem Wiedersehen an Sie tue, doch ich err�te nicht, zu bitten.
Kamerad, gedenken Sie des letzten ruhmvollen Tages im Norden,
gedenken Sie des Tages von Mosjaisk?"

"Ich gedenke!" sagte der Fremde, indem sein Auge gl�nzte und seine
Wangen sich h�her f�rbten.

"Und gedenken Sie, wie die russische Batterie an der Redoute auffuhr,
wie ihre Kart�tschen in unsere Reihen sausten und der Verr�ter
Piolzky zum R�ckzug blasen lie�?"

"Ha!" fiel der Fremde mit dr�hnender Stimme ein, "und wie Sie ihn
herabschossen, Oberst, da� er keine Ader mehr zuckte, wie die Husaren
rechts abschwenkten, wie Sie 'vorw�rts!' riefen, vorw�rts Lanciers
vom achten, und die Kanonen in f�nf Minuten unser waren!"

"Gedenken Sie?" fl�sterte der Graf mit Wehmut; "wohlan! ich
kommandiere wieder vor der Front.  Es gilt einen Kameraden
herauszuhauen, werdet Ihr ihn retten?  En avant, Major! vorw�rts,
tapfrer Lancier! wirst du ihn retten, Kamerad?"

"Ich will ihn retten", rief der Freund, und der Graf Zronievsky
schlug seinen Arm um ihn, pre�te ihn heftig an seine Brust und eilte
dann von ihm weg, den Korridor entlang.



4.

"Gut, da� ich Sie treffe", rief der Graf Zronievsky, als er am
n�chsten Morgen dem Major auf der Stra�e begegnete, "ich wollte eben
zu Ihnen und Sie um eine kleine Gef�lligkeit ansprechen--"

"Die ich Ihnen schon gestern zusagte", erwiderte jener, "wollen Sie
mich in mein Hotel begleiten? es liegt l�ngst f�r Sie bereit."

"Um Gottes willen, jetzt nichts von Geld", fiel der Graf ein, "Sie
t�ten mich durch diese Prosa; ich bin g�ttlich gelaunt, selig,
�berirdisch gestimmt.  O Freund, ich habe es dem Engel gesagt, da�
man uns bemerkt, ich habe ihr gesagt, da� ich fliehen werde, denn in
ihrer N�he zu sein, sie nicht zu sprechen, nicht anzubeten, ist mir
unm�glich."

"Und darf ich wissen, was sie sagte?"

"Sie ist ruhig dar�ber, sie ist gr��er als diese schlechten Menschen;
'was ist es auch'", sagte sie, "man kann uns gewi� nichts B�ses
nachsagen, und wenn man auch unser Verh�ltnis entdeckte, so will ich
mir gerne einmal einen dummen Streich vergeben lassen; wo lebt ein
Mensch, der nicht einmal einen beginge?'"

"Eine gesunde Philosophie", bemerkte der Major; "man kann nicht
vern�nftiger �ber solche Verh�ltnisse denken; denn gerade die sind
meist am schlechtesten beraten, die glauben, sie k�nnen alle Menschen
blenden.  Doch ist mir noch eine Frage erlaubt? wie es scheint, so
sehen Sie Ihre Dame allein? Denn was sie mir erz�hlten, wurde
schwerlich gestern im 'Don Juan' verhandelt."

"Wir sehen uns", fl�sterte jener, "ja, wir sehen uns, aber wo, darf
ich nicht sagen, und so wahr ich lebe, das sollen auch jene Menschen
nicht aussp�hen.  Aber lange, ich sehe es selbst ein, lange Zeit kann
es nicht mehr dauern.  Drum bin ich immer auf dem Sprung, Kamerad,
und Ihre Hilfe soll mich retten, wenn indes meine Gelder nicht
fl�ssig werden.  Doch gilt es morgen, so la� uns heut noch schl�rfen
die Neige der k�stlichen Zeit'; ich will noch gl�cklich, selig sein,
weil es ja doch bald ein Ende haben mu�."

"Und wozu kann ich Ihnen dienen?" fragte der Major, "wenn ich nicht
irre, wollten Sie mich aufsuchen."

"Richtig, das war es, warum ich kommen wollte", entgegnete jener nach
einigem Nachsinnen.  "Sophie wei�, da� Sie mein Freund sind, ich habe
ihr schon fr�her von Ihnen erz�hlt, haupts�chlich die Geschichte von
der Beresina-Br�cke, wo Sie mich zu sich auf den Rappen nahmen.  Sie
hat gestern mit Ihnen gesprochen, und von Othello', nicht wahr?  Die
F�rstin will nicht zugeben, da� er aufgef�hrt werde, wegen irgend
einem M�rchen, das ich nicht mehr wei�."

"Sie waren sehr geheimnisvoll damit", unterbrach ihn der Freund, "und
wie mir schien, wird es die F�rstin auch nicht zugeben?"

"Und doch, ich habe sie durch ein Wort dahin gebracht.  Die
Prinzessin bat und flehte, und das kann ich nun einmal nicht sehen,
ohne da� ich ihr zu Hilfe komme; ich nahm also eine etwas ernste
Miene an und sagte: 'Sonderbar ist es doch, wenn so etwas ins
Publikum kommt, ist es wie der Wind in den Gesandtschaften, und kam
es einmal so weit, so darf man nicht daf�r sorgen, da� es in acht
Tagen als Chronique scandaleuse an allen H�fen erz�hlt wird.' Die
F�rstin gab mir recht; sie sagte, wiewohl mit sehr bek�mmerter und
verlegener Miene zu, da� das St�ck gegeben werden solle; doch, als
sie wegging, rief sie mir noch zu: sie gebe das Spiel dennoch nicht
verloren, denn wenn auch 'Othello' schon auf dem Zettel stehe, lasse
sie die Desdemona krank werden."

"Das haben Sie gut gemacht!" rief der Major lachend, "also die Furcht
vor der Chronique scandaleuse hat die Gespensterfurcht und das Grauen
vor den Geheimnissen der Natur �berwunden?"

"Jawohl, Sophie ist au�er sich vor Freude, da� sie ihren Willen hat.
Ich bin gerade auf dem Weg zum Regisseur der Oper; ich soll ihm
vierhundert Taler bringen, da� die Auff�hrung auch in pekuni�rer
Hinsicht keiner Schwierigkeit unterworfen sein m�chte, und Sie m�ssen
mich zu ihm begleiten."

"Aber wird es nicht auffallen, wenn Sie im Namen der Prinzessin diese
Summe �berbringen?"

"Daf�r ist gesorgt; wir bringen es als Kollekt von einigen
Kunstfreunden; stellen Sie einen Dilettanten oder Enthusiasten vor,
oder was in unseren Kram pa�t.  Er wohnt nicht weit von hier und ist
ein alter, ehrlicher Kauz, den wir schon gewinnen wollen.  Nur hier
um die Ecke, Freund; sehen Sie dort das kleine gr�ne Haus mit dem
Erker."



5.

Der Regisseur der Oper war ein kleiner, hagerer Mann, er war fr�her
als S�nger ber�hmt gewesen und ruhte jetzt im Alter auf seinen
Lorbeeren.  Er empfing die Freunde mit einer gewissen k�nstlerischen
Hoheit und W�rde, welche nur durch seine sonderbare Kleidung etwas
gest�rt wurde; er trug n�mlich eine schwarze Florentiner M�tze,
welche er nur ablegte, wenn er zum Ausgehen die Per�cke auf die
Glatze setzte.  Auffallend stachen gegen diese bequeme Hauskleidung
des Alten ein moderner, enge anliegender Frack und weite,
faltenreiche Beinkleider ab; sie zeigten, da� der Herr Regisseur
trotz der sechzig J�hrchen, die er haben mochte, dennoch f�r die
Eitelkeit der Welt nicht abgestorben sei; an den F��en trug er weite,
ausgetretene Pelzschuhe, auf denen er k�nstlich im Zimmer herumfuhr,
ohne sichtbar die Beine aufzuheben; den Fremden kam es vor, als fahre
er auf Schlittschuhen.

"Ist mir bereits angezeigt worden, der allerh�chste Wunsch", sagte
der Regisseur, als ihn der Graf mit dein Zweck ihres Besuches bekannt
machte, "wei� bereits um die Sache; an mir soll es nicht fehlen, mein
einziger Zweck ist ja, die allerh�chsten Ohren auf erg�tzliche Weise
zu delektieren, aber--aber, ich werde denn doch submissest wagen
m�ssen, einige Gegenvorstellungen zu exhibieren."

"Wie?  Sie wollen diese Oper nicht geben?" rief der Graf.

"Gott soll mich beh�ten, das w�re ja ein offenbares Mordattentat auf
die allerh�chste Familie!  Nein, nein! wenn mein Wort in der Sache
noch etwas gilt, wird dieses ungl�ckliche St�ck nie gegeben."

"H�tte ich doch nie gedacht", entgegnete der Graf, "da� ein Mann wie
Sie von P�belwahn befangen w�re.  Mit Staunen und Verwunderung
vernahm ich schon in meiner fr�hesten Jugend in fernen Landen Ihren
gefeierten Namen; Sie wurden die Krone der S�nger genannt, ich
brannte vor Begierde, diesen Mann einmal zu sehen.  Ich bitte,
verkleinern Sie dieses ehrw�rdige Bild nicht durch solchen Aberwitz."

Der Alte schien sich geschmeichelt zu f�hlen, ein anmutiges L�cheln
zog �ber seine verwitterten Z�ge, er steckte die H�nde in die Taschen
und fuhr auf seinen Pelzschuhen einigemal im Zimmer auf und ab.
"Allzug�tig, allzuviel Ehre!" rief er; "ja wir waren unserer Zeit
etwas, wir waren ein t�chtiger Tenor! jetzt hat es freilich ein Ende.
Aberglaube belieben Sie zu sagen; ich w�rde mich sch�men, irgend
einem Aberglauben nachzuh�ngen; aber wo Tatsachen sind, kann von
Aberglauben nicht die Rede sein."

"Tatsachen?" riefen die Freunde mit einer Stimme.

"O ja, verehrte Messieurs, Tatsachen.  Sie scheinen nicht aus
hiesiger Stadt und Gegend zu sein, da� Sie solche nicht wissen?"
"Ich habe allerdings von einem solchen M�rchen geh�rt", sagte der
Major; "es soll, wenn ich nicht irre, jedesmal nach Othello brennen,
und--"

"Brennen? Da� mir Gott verzeih'; ich wollte lieber, da� es allemal
brennt; Feuer kann man doch l�schen, man hat Brandassekuranzen, man
kann endlich noch solch einen Brandschaden zur Not ertragen; aber
sterben? nein, das ist ein weit gef�hrlicherer Kasus."

"Sterben? sagen Sie, wer soll sterben?"

"Nun, das ist kein Geheimnis", erwiderte der Regisseur; "sooft
Othello gegeben wird, mu� acht Tage nachher jemand aus der
f�rstlichen Familie sterben."

Die Freunde fuhren erschrocken von ihren Sitzen auf, denn der
prophetische, richtende Ton, womit der Alte dies sagte, hatte etwas
Greuliches an sich; doch sogleich setzten sie sich wieder und brachen
�ber ihren eigenen Schrecken in ein lustiges Gel�chter aus, das
�brigens den S�nger nicht aus der Fassung brachte.

"Sie lachen?" sprach er; "ich mu� es mir gefallen lassen; wenn es Sie
�brigens nicht geniert, will ich Sie die Theaterchronik inspizieren
lassen, die seit hundertundzwanzig Jahren der jedesmalige Souffleur
schreibt."

"Die Theaterchronik her, Alter, lassen Sie uns inspizieren", rief der
Graf, dem die Sache Spa� zu machen schien, und der Regisseur rutschte
mit au�erordentlicher Schnelligkeit in seine Kammer und brachte einen
in Leder und Messing gebundenen Folianten hervor.

Er setzte eine gro�e in Bein gefa�te Brille auf und bl�tterte in der
Chronik.  "Bemerken Sie", sagte er, "Wegen des Nachfolgenden,
erstlich, hier steht: 'Anno 1740 den 8. Dezember ist die Actrice
Charlotte Fandauerin im hiesigen Theater erstickt worden.  Man f�hrte
das Trauerspiel Othello, der Mohr von Venedig, von Shakespeare auf.'"

"Wie?" unterbrach ihn der Major, "Anno 1740 sollte man hier
Shakespeares 'Othello' gegeben haben, und doch war es, wenn ich nicht
irre, Schr�der, der zuerst und viel sp�ter das erste Shakespearesche
St�ck in Deutschland auff�hren lie�?"

"Bitte um Vergebung", erwiderte der Alte.  "Der Herzog sah auf einer
Reise durch England in London diesen 'Othello' geben, lie� ihn, weil
er ihm au�erordentlich gefiel, �bersetzen und nachher hier �fter
auff�hren.  Meine Chronik f�hrt aber also fort:

'Obgedachte Charlotte Fandauerin hat die Desdemona gegeben und ist
durch die Bettdecke, womit sie in dem St�cke selbst get�tet werden
soll, elendiglich umgekommen.  Gott sei ihrer armen Seele gn�dig!'
Diesen Mord erz�hlt man sich hier folgenderma�en: die Fandauer soll
sehr sch�n gewesen sein; bei Hof ging es damals unter dem Herzog
Nepomuk sehr lasziv zu; die Fandauer wurde des Herzogs Geliebte.  Sie
aber soll sich nicht blindlings und unvorsichtig ihm �bergeben haben;
sie war abgeschreckt durch das Beispiel so vieler, die er nach
einigen Monaten oder J�hrchen verstie� und elendiglich herumlaufen
lie�.  Sie soll also ein schreckliches B�ndnis mit ihm gemacht und
erst, nachdem er es beschworen, sich ihm ergeben haben.  Aber wie bei
den andern, so war es auch bei der Fandauer.  Er hatte sie bald satt
und wollte sie auf gelinde Art entfernen.  Sie aber drohte ihm, das
B�ndnis, das er mit ihr gemacht, drucken und in ganz Europa
verbreiten zu lassen, sie zeigte ihm auch, da� sie diese Schrift
schon in vielen fremden St�dten niedergelegt habe, wo sie auf ihren
ersten Wink verbreitet w�rde.

Der Herzog war ein grausamer Herr, und sein Zorn kannte keine Grenzen.
Er soll ihr auf verschiedenen Wegen durch Gift haben beikommen
wollen, aber sie a� nichts, als was sie selbst gekocht hatte.  Er gab
daher einem Schauspieler eine gro�e Summe Geld und lie� den 'Othello'
auff�hren.  Sie werden sich erinnern, da� in dem Shakespeareschen
Trauerspiel die Desdemona von dem Mohren im Bette erstickt wird.  Der
Akteur machte seine Sache nur allzu nat�rlich, denn die Fandauerin
ist nicht mehr erwacht.'"

Der Graf schauderte; "und dies soll wahr sein?" rief er aus.

"Fragen Sie von �lteren Personen in der Stadt wen Sie wollen, Sie
werden es �berall so erz�hlen h�ren.  Es wurde nachher von den
Gerichten eine Untersuchung gegen den M�rder anh�ngig gemacht, aber
der Herzog schlug sie nieder, nahm den Akteur vom Theater in seine
Dienste und erkl�rte, die Fandauerin habe durch Zufall der Schlag
ger�hrt.  Aber acht Tage darauf starb ihm sein einziges S�hnlein, ein
Prinz von zw�lf Jahren."

"Zufall!" sagte der Major.

"Nennen Sie es immerhin so", versetzte der Alte und bl�tterte weiter.
"Doch h�ren Sie; 'Othello' wurde zwei Jahre lang nicht mehr gegeben,
denn wegen der Erinnerung an jenen Mord mochte der Herzog dieses
Trauerspiel nicht leiden.  Aber nach zwei Jahren, in diesem Buch
steht jedes Lustspiel aufgezeichnet, nach zwei Jahren war er so
ruchlos, es wieder auffuhren zu lassen.  Hier steht's: 'Den 28.
September (1742) Othello, der Mohr von Venedig', und hier am Rande
ist bemerkt: 'Sonderbarlich! am 5. Oktober ist Prinzessin Auguste
verstorben.  Gerade auch acht Tage nach Othello, wie vor zwei Jahren
der h�chstselige Prinz Friedrich.' Zufall, meine werten Herren?"

"Allerdings Zufall!" riefen jene.

"Weiter!  'Den 6. Februar 1748, Othello, der Mohr von Venedig.' Ob es
wohl wieder eintrifft?  Sehen Sie her, meine Herren! das hat der
Souffleur hergeschrieben, bemerken Sie gef�lligst, es ist dieselbe
Hand, die hier in margine bemerkt: 'Entsetzlich! die Fandauerin spukt
wieder, Prinz Alexander den 14. pl�tzlich gestorben.  Acht Tage nach
Othello.'"  Der Alte hielt inne und sah seine G�ste fragend an, sie
schwiegen, er bl�tterte weiter und las: "'Den 16. Januar 1775, zum
Benefiz der Mlle. Koller: Othello, der Mohr von Venedig.  Richtig
wieder!  Arme Prinzessin Elisabeth, hast du m�ssen so schnell
versterben?  Gestorben 24. Januar 1775.'"

"Possen!" unterbrach ihn der Major; "ich gebe zu, es ist so; es soll
einigemal der Eigensinn des Zufalls es wirklich so gef�gt haben;
geben Sie mir aber nur einen vern�nftigen Grund an zwischen Ursache
und Wirkung, wenn Sie diese H�chstseligen am 'Othello' versterben
lassen wollen!"

"Herr!" antwortete der alte Mann mit tiefem Ernst, "das kann ich
nicht; aber ich erinnere an die Worte jenes gro�en Geistes, von dem
auch dieser ungl�ckselige 'Othello' abstammt.--Es gibt viele Dinge
zwischen Himmel und Erde, wovon sich die Philosophen nichts tr�umen
lassen!'"

"Ich kenne das", sagte der Graf; "aber ich wette, Shakespeare h�tte
nie diesen Spruch von sich gegeben, h�tte er gewu�t, wie viel
L�cherlichkeit sich hinter ihm verbirgt!"

"Es ist m�glich", erwiderte der S�nger; "h�ren Sie aber weiter.  Ich
komme jetzt an ein etwas neueres Beispiel, dessen ich mich erinnern
kann, an den Herzog selbst."

"Wie", unterbrach ihn der Major; "eben jener, der die Aktrice
ermorden lie�...?"

"Derselbe 'Othello' war vielleicht zwanzig Jahre nicht mehr gegeben
worden, da kamen, ich wei� es noch wie heute, fremde Herrschaften zum
Besuch.  Unser Schauspiel gefiel ihnen, und sonderbarerweise w�nschte
eine der fremden f�rstlichen Damen 'Othello' zu sehen.  Der Herzog
ging ungern daran, nicht aus Angst vor den greulichen Umst�nden, die
diesem St�ck zu folgen pflegten, denn er war ein Freigeist und
glaubte an nichts dergleichen; aber er war jetzt alt; die S�nden und
Frevel seiner Jugend fielen ihm schwer aufs Herz, und er hatte
Abscheu vor diesem Trauerspiel.  Aber sei es, da� er der Dame nichts
abschlagen mochte, sei es, da� er sich vor dem Publikum sch�mte, das
St�ck mu�te Hals �ber Kopf einstudiert werden, es wurde auf seinem
Lustschlo� gegeben.  Sehen Sie, hier steht es: 'Othello, den 16.
Oktober 1793 auf dem Lustschlo� H.... aufgef�hrt.'"

"Nun, Alter! und was folgte, geschwind!" riefen die Freunde
ungeduldig.

"Acht Tage nachher, den 24. Oktober 1793, ist der Herzog gestorben."

"Nicht m�glich", sagte der Major nach einigem Stillschweigen; "lassen
Sie Ihre Chronik sehen; wo steht denn etwas vom Herzog?  Hier ist
nichts in margine bemerkt."

"Nein", sagte der Alte und brachte zwei B�cher herbei; "aber hier
seine Lebensgeschichte, hier seine Trauerrede, wollen Sie gef�lligst
nachsehen?"

Der Graf nahm ein kleines schwarzes Buch in die Hand und las:
"Beschreibung der solennen Beisetzung des am 24. Oktober 1793
h�chstselig verstorbenen Herzogs und Herrn--dummes Zeug!" rief er
und sprang auf; "das k�nnte mich um den Verstand bringen.  Zufall!
Zufall! und nichts anders!  Nun--und wissen Sie noch ein solches
Hist�rchen?"

"Ich k�nnte Ihnen noch einige auff�hren", erwiderte der Alte mit Ruhe,
"doch Sie langweilen sich bei dieser sonderbaren Unterhaltung; nur
aus der neuesten Zeit noch einen Fall.  Rossini schrieb seine
herrliche Oper 'Othello', worin er, was man bezweifelt hatte, zeigte,
da� er es verstehe, auch die tieferen, tragischen Saiten der
menschlichen Brust anzuschlagen.  Er wurde hier h�heren Orts nicht
verlangt, daher wurde er auch nicht f�rs Theater einstudiert.  Die
Kapelle aber unternahm es, diese Oper f�r sich zu studieren, es
wurden einige Szenen in Konzerten ausgef�hrt, und diese wenigen
Proben entz�ndeten im Publikum einen so raschen Eifer f�r die Oper,
da� man allgemein in Zeitungen, an Wirtstafeln, in Singtees und
dergleichen von nichts als 'Othello' sprach, nichts als 'Othello'
verlangte.  Von den grauenvollen Begebenheiten, die das Schauspiel
'Othello' begleitet hatten, war gar nicht die Rede; es schien, man
denke sich unter der Oper einen ganz andern 'Othello'.  Endlich bekam
der damalige Regisseur (ich war noch auf dem Theater und machte den
Othello), er bekam den Auftrag, sage ich, die Oper in die Szene zu
setzen.  Das Haus war zum Ersticken voll, Hof und Adel waren da, das
Orchester strengte sich �bermenschlich an, die S�ngerinnen lie�en
nichts zu w�nschen �brig, aber ich wei� nicht--uns alle wehte ein
unheimlicher Geist an, als Desdemona ihr Lied zur Harfe spielte, als
sie sich zum Schlafengehen r�stete, als der M�rder, der abscheuliche
Mohr, sich nahte.  Es war dasselbe Haus, es waren dieselben Bretter,
es war dieselbe Szene wie damals, wo ein liebliches Gesch�pf in
derselben Rolle so greulich ihr Leben endete.  Ich mu� gestehen,
trotz der Teufelsnatur meines Othello befiel mich ein leichtes
Zittern, als der Mord geschah, ich blickte �ngstlich nach der
f�rstlichen Loge, wo so viele bl�hende, kr�ftige Gestalten auf unser
Spiel her�bersahen, 'wirst du wohl durch die T�ne, die deinen Tod
begleiten, dich bes�nftigen lassen, blutd�rstiges Gespenst der
Gemordeten?' dachte ich.  Es war so; f�nf, sechs Tage h�rte man
nichts von einer Krankheit im Schlosse; man lachte, da� es nur der
Einkleidung in eine Oper bedurfte, um jenen Geist gleichsam irre zu
machen; der siebente Tag verging ruhig, am achten jedoch wurde Prinz
Ferdinand auf der Jagd erschossen."

"Ich habe davon geh�rt", sagte der Major, "aber es war Zufall; die
B�chse seines Nachbars ging los und--" "Sage ich denn, das Gespenst
bringe die H�chstseligen selbst um, dr�cke ihnen eigenh�ndig die
Kehle zu?  Ich spreche ja nur von einem unerkl�rlichen,
geheimnisvollen Zusammenhang."

"Und haben Sie uns nicht noch zu guter Letzt ein M�rchen erz�hlt; wo
steht denn geschrieben, da� acht Tage vor jener Jagd 'Othello'
gegeben wurde?"

"Hier!" erwiderte der Regisseur kaltbl�tig, indem er auf eine Stelle
in seiner Chronik wies; der Graf las: "'Othello', Oper von Rossini,
den 12. M�rz", und auf dem Rande stand dreimal unterstrichen: "Den 20.
fiel Prinz Ferdinand auf der Jagd."

Die M�nner sahen einander schweigend einige Augenblicke an; sie
schienen l�cheln zu wollen, und doch hatte sie der Ernst des alten
Mannes, das sonderbare Zusammentreffen jener furchtbaren Ereignisse
tiefer ergriffen, als sie sich selbst gestehen mochten.  Der Major
bl�tterte in der Chronik und pfiff vor sich hin, der Graf schien �ber
etwas nachzusinnen, er hatte Stirne und Augen fest in die Hand
gest�tzt.  Endlich sprang er auf: "Und dies alles kann Ihnen dennoch
nicht helfen", rief er, "die Oper mu� gegeben werden.  Der Hof, die
Gesandten wissen es schon, man w�rde sich blamieren, wollte man durch
diese Zuf�lle sich st�ren lassen.  Hier sind vierhundert Taler, mein
Herr!  Es sind einige Freunde und Liebhaber der Kunst, welche sie
Ihnen zustellen, um Ihren 'Othello' recht gl�nzend auftreten zu
lassen.  Kaufen Sie davon, was Sie wollen", setzte er l�chelnd hinzu,
"lassen Sie Geisterbanner, Beschw�rer kommen, kaufen Sie einen ganzen
Hexenapparat kurz, was nur immer n�tig ist, um das Gespenst zu
vertreiben--nur geben Sie uns 'Othello'."

"Meine Herren", sagte der Alte, "es ist m�glich, da� ich in meiner
Jugend selbst �ber dergleichen gelacht und gescherzt h�tte; das Alter
hat mich ruhiger gemacht, ich habe gelernt, da� es Dinge gibt, die
man nicht geradehin verwerfen mu�.  Ich danke f�r Ihr Geschenk, ich
werde es auf eine w�rdige Weise anzuwenden wissen.  Aber nur auf den
strengsten Befehl werde ich 'Othello' geben lassen.  Ach Gott und
Herr!" rief er kl�glich, "wenn ja der Fall wieder eintr�te wenn das
liebe, herzige Kind, Prinzessin Sophie, des Teufels w�re!"

"Seien Sie still", rief der Graf erblassend, "wahrhaftig, Ihre
wahnsinnigen Geschichten sind ansteckend, man k�nnte sich am hellen
Tage f�rchten!  Adieu!  Vergessen Sie nicht, da� Othello' auf jeden
Fall gegeben wird; machen Sie mir keine Kunstgriffe mit Katarrh und
Fieber, mit Krankwerdenlassen und eingetretenen Hindernissen.  Beim
Teufel, wenn Sie keine Desdemona hergeben, werde ich das Gespenst der
Erw�rgten heraufrufen, da� es diesmal selbst eine Gastrolle �bernimmt."

Der Alte bekreuzigte sich und fuhr ungeduldig auf seinen Schuhen
umher; "welche Ruchlosigkeit", jammerte er; "wenn sie nun erschiene,
wie der steinerne Gast?  Lassen Sie solche Reden, ich bitte Sie, wer
wei�, wie nahe jedem sein eigenes Verderben ist."

Lachend stiegen die beiden die Treppe hinab, und noch lange diente
der musikalische Prophet mit der Florentiner M�tze und den
Pelzschlittschuhen ihrem Witz zur Zielscheibe.



6.

Es gab Stunden, worin der Major sich durchaus nicht in den Grafen,
seinen alten Waffenbruder, finden konnte.  War er sonst fr�hlich,
lebhaft, von Witz und Laune strahlend, konnte er sonst die
Gesellschaft durch treffende Anekdoten, durch Erz�hlungen aus seinem
Leben unterhalten, wu�te er sonst jeden, mochte er noch so gering
sein, auf eine sinnige, feine Weise zu verbinden, so da� er der
Liebling aller, von vielen angebetet, wurde, so war er in andern
Momenten gerade das Gegenteil.  Er fing an, trocken und stumm zu
werden, seine Augen, senkten sich, sein Mund pre�te sich ein.  Nach
und nach ward er finster, spielte mit seinen Fingern, antwortete
m�rrisch und ungest�m.  Der Major hatte ihm schon abgemerkt, da� dies
die Zeit war, wo er aus der Gesellschaft entfernt werden m�sse, denn
jetzt fehlten noch wenige Minuten, so zog er mit leicht aufgeregter
Empfindlichkeit jedes unschuldige Wort auf sich und fing an zu w�ten
und zu rasen.

Der Major war viel um ihn, er hatte aus fr�herer Zeit eine gewisse
Gewalt und Herrschaft �ber ihn, die er jetzt geltend machte, um ihn
vor diesen Ausbr�chen der Leidenschaft in Gesellschaft zu bewahren;
desto greulicher brachen sie in seinen Zimmern aus; er tobte, er
fluchte in allen Sprachen, er klagte sich an, er weinte.  "Bin ich
nicht ein elender, verworfener Mensch?" sprach er einst in einem
solchen Anfall; "meine Pflichten mit F��en zu treten, die treueste
Liebe von mir zu sto�en, ein Herz zu martern, das mir so innig
anh�ngt!  Leichtsinnig schweife ich in der Welt umher, habe mein
Gl�ck verscherzt, weil ich in meinem Unsinn glaubte, ein Kosciusko zu
sein, und bin nichts als ein Schwachkopf, den man wegwarft Und so
viele Liebe, diese Aufopferung, diese Treue so zu vergelten!"

Der Major nahm zu allerlei Trostmitteln seine Zuflucht.  "Sie sagen
ja selbst, da� die Prinzessin Sie zuerst geliebt hat; konnte sie je
eine andere Liebe, eine andere Treue von Ihnen erwarten als die,
welche die Verh�ltnisse erlauben?"

"Ha, woran mahnen Sie mich!" rief der Ungl�ckliche, "wie klagen mich
Ihre Entschuldigungen selbst an!  Auch sie, auch sie bet�rt!  Wie
kindlich, wie unschuldig war sie, als ich Verruchter kam, als ich sie
sah mit dein lieblichen Schmelz der Unschuld in den Augen!  Da fing
mein Leichtsinn wieder an; ich verga� alle guten Vors�tze, ich verga�,
wem ich allein.geh�ren d�rfte; ich st�rzte mich in einen Strudel von
Lust, ich begrub mein Gewissen in Vergessenheit!" Er fing an zu
weinen, die Erinnerung schien seine Wut zu bes�nftigen.  "Und konnte
ich", fl�sterte er, "konnte ich so von ihr gehen?  Ich f�hlte, ich
sah es an jeder ihrer Bewegungen, ich las es in ihrem Auge, sie
liebte mich; sollte ich fliehen, als ich sah, wie diese Morgenr�te
der Liebe in ihren Wangen aufging, wie der erste, leuchtende Strahl
des Verst�ndnisses aus ihrem Auge brach, auf mich niederfiel, mich
aufzufordern schien, ihn zu erwidern?"

"Ich beklage Sie", sprach der Freund und dr�ckte seine Hand; "wo lebt
ein Mann, der so s��er Versuchung widerstanden w�re?"

"Und als ich ihr sagen durfte, wie ich sie verehre, als sie mir mit
stolzer Freude gestand, wie sie mich liebe, als jenes traute,
entz�ckende Spiel der Liebe begann, wo ein Blick, ein fl�chtiger
Druck der Hand mehr sagt, als Worte auszudr�cken verm�gen, wo man
tagelang nur in der freudigen Erwartung eines Abends, einer Stunde,
einer einsamen Minute lebte, wo man in der Erinnerung dieses seligen
Augenblicks schwelgte, bis der Abend wieder erschien, bis ich aus dem
Taumelkelch ihrer s��en Augen aufs neue Vergessenheit trank!  Wie
reich wu�te sie zu geben, wie viel Liebe wu�te sie in ein Wort, in
einen Blick zu legen; und ich sollte fliehen?"

"Und wer verlangt dies?" sagte der Freund ger�hrt.  "Es w�re grausam
gewesen, eine so sch�ne Liebe, die alle Verh�ltnisse zum Opfer
brachte, zur�ckzusto�en.  Nur Vorsicht h�tte ich gew�nscht; ich denke,
noch ist nicht alles verloren!"

Er schien nicht darauf zu h�ren; seine Tr�nen str�mten heftiger, sein
gl�nzendes Auge schien tiefer in die Vergangenheit zu tauchen.  "Und
als sie mir mit holdem Err�ten sagte, wie ich zu ihr gelangen k�nne,
als sie erlaubte, ihre f�rstliche Stirne zu k�ssen, als der s��e Mund,
dessen W�nsche einem Volk Befehle waren, mein geh�rte und die Hoheit
einer F�rstin unterging im traulichen Fl�stern der Liebe--da, da
sollte ich sie lassen?"

"Wie gl�cklich sind Sie! gerade in dem Geheimnis dieses Verh�ltnisses
mu� ein eigener Reiz liegen; und warum wollen Sie diese Liebe so tief
verdammen?  Fassen Sie sich.  Das Urteil der Welt kann Ihnen
gleichg�ltig sein, wenn Sie gl�cklich sind.  Denn im ganzen tr�gt ja
wahrhaftig dies Verh�ltnis nichts so Schwarzes, Schuldiges an sich,
wie Sie es selbst sich vorstellen!"

Der Graf hatte ihm zugeh�rt; seine Augen rollten, seine Wangen
f�rbten sich dunkler, er knirschte mit den Z�hnen; "nicht so mild
m�ssen Sie mich beurteilen", sagte er mit dumpfer Stimme; "ich
verdiene es nicht.  Ich bin ein Frevler, vor dem Sie zur�ckschaudern
sollten.  O--da� ich Vergessenheit erkaufen k�nnte, da� ich Jahre
ausl�schen k�nnte aus meinem Ged�chtnis.--Ich will vergessen, ich
mu� vergessen, ich werde wahnsinnig, wenn ich nicht vergesse;
schaffen Sie Wein, Kamerad! ich will trinken, mich d�rstet, es w�tet
eine Flamme in mir, ich will mein Ged�chtnis, meine Schuld ers�ufen."

Der Major war ein besonnener Mann; er dachte ziemlich ruhig �ber
diese verzweiflungsvollen Ausbr�che der Reue und Selbstanklage; "er
ist leichtsinnig, so habe ich ihn von jeher gekannt", sagte er zu
sich; "solche Menschen kommen leicht von einem Extrem ins andere.  Er
sieht jetzt gro�e Schuld in seiner Liebe, weil sie der Geliebten in
ihren Verh�ltnissen schaden kann, und im n�chsten Augenblick
berauscht ihn wieder die Wonne der Erinnerung." Der Wein kam, der
Major go� ein; der Graf st�rzte schnell einige Gl�ser hinunter; er
ging mit schnellen Schritten schweigend im Zimmer auf und nieder,
blieb vor dem Freunde stehen, trank und ging wieder.  Dieser mochte
seine stillen Empfindungen nicht unterbrechen; er trank und
beobachtete �ber das Glas hin aufmerksam die Mienen, die Bewegungen
seines Freundes.

"Major!" rief dieser endlich und warf sich auf den Stuhl nieder;
"welches Gef�hl halten Sie f�r das schrecklichste?"

Dieser schl�rfte bed�chtig den Wein in kleinen Z�gen, er schien
nachzusinnen und sagte dann: "Ohne Zweifel das, was das freudigste
Gef�hl gibt, mu� auch das traurigste werden.--Ehre, gekr�nkte Ehre."

Der Graf lachte grimmig.  "Lassen Sie sich die Taler wiedergeben,
Kamerad, die Sie einem schlechten Psychologen f�r seinen Unterricht
gaben.  Gekr�nkte Ehre?!  Also tiefer steigt Ihre Kunst nicht hinab
in die Seele?  Die gekr�nkte Ehre f�hlt sich doch selbst noch; es
lebt doch ein Gef�hl in des Gekr�nkten Brust, das ihn hoch erhebt
�ber die Kr�nkung, er kann die Scharte auswetzen am Beleidiger; er
hat noch die M�glichkeit, seine Ehre wieder fleckenlos und rein zu
waschen, aber tiefer, Herr Bruder", rief er, indem er die Hand des
Majors krampfhaft fa�te, "tiefer hinab in die Seele; welches Gef�hl
ist noch schrecklicher?"

"Von einem habe ich geh�rt", erwiderte jener, "das aber M�nner wie
wir nicht kennen--es hei�t Selbstverachtung."

Der Graf erbleichte und zitterte, er stand schweigend auf und sah den
Freund lange an.  "Getroffen, Kamerad", sagte er, "das sitzt noch
tiefer.  M�nner wie wir pflegen es nicht zu kennen, es hei�t
Selbstverachtung.  Aber der Teufel legt auch gar feine Schlingen auf
die Erde, ehe man sich versieht, ist man gefangen.  Kennen Sie die
Qual des Wankelmutes, Major?"

"Gottlob, ich habe sie nie erfahren; mein Weg ging immer geradeaus
aufs Ziel!"

"Geradeaus aufs Ziel?  Wer auch so gl�cklich w�re!  Erinnern Sie sich
noch des Morgens, als wir aus den Toren von Warschau ritten?  Unsere
Gef�hle, unsere Sinne geh�rten jenem gro�en Geiste, der sie gefangen
hielt; aber wem geh�rten die Herzen der polnischen Lanciers?  Unsere
Trompeten lie�en jene Arien aus den 'Krakauern' ert�nen, jene Ges�nge,
die uns als Knaben bis zur Wut f�r das Vaterland begeistert hatten;
diese wohlbekannten Kl�nge pochten wieder an die Pforte unserer Brust;
Kamerad, wem geh�rten unsere Herzen?"

"Dem Vaterland!" sagte der Major ger�hrt; "ja, damals, damals war ich
freilich wankelm�tig!"

"Wohl Ihnen, da� Sie es sonst nie waren; der Teufel wei� das recht
h�bsch zu machen, er l��t uns hier empfinden, gl�cklich werden, und
dort spiegelt er noch h�here Wonne, noch gr��eres Gl�ck uns vor! "

"M�glich; aber der Mann hat Kraft, dem treu zu bleiben, was er
gew�hlt hat."

"Das ist es", rief der Graf, wie niedergedonnert durch dies eine Wort;
"das ist es, und daraus die Selbstverachtung; und warum besser
scheinen, als ich bin.  Kamerad, Sie sind ein Mann von Ehre, fliehen
Sie mich wie die Pest, ich bin ein Ehrloser, ein Ehrvergessener, Sie
sind ein Mann von Kraft, verachten Sie mich, ich mu� mich selbst
verachten, wissen Sie, ich bin--"



7.

"Bedaure, bedaure unendlich", sprach der Regisseur der Oper und
rutschte mit tiefen Verbeugungen ins Zimmer, "ich unterbreche
Hochdieselben?"

"Was bringen Sie uns?" erwiderte der Major, schneller gefa�t als der
ungl�ckliche Freund; "setzen Sie sich und verschm�hen Sie nicht
unsern Wein; was f�hrt Sie zu uns?"

"Die traurige Gewi�heit, da� 'Othello' doch gegeben wird.  Es hilft
nichts; alles Bitten ist umsonst.  Ich will Ihnen nur gestehen, ich
lie� die Oper ein�ben, hatte aber unsere Primadonna schon dahin
gebracht, da� sie mir feierlich gelobte, heiser zu werden; da f�hrt
der Satan gestern abend die S�ngerin Fanutti in die Stadt; sie kommt
vom.... ner Theater, bittet die allerh�chste Theaterdirektion um
Gastrollen, und stellen Sie sich vor, man sagt ihr auf n�chsten
Sonntag 'Othello' zu.  Ich habe beinahe geweint, wie es mir angezeigt
wurde; jetzt hilft kein Gott mehr dagegen, und doch habe ich
schreckliche Ahnungen!"

"Alter Herr!" rief der Graf, der indessen Zeit gehabt hatte, sich zu
sammeln.  "Geben Sie doch einmal Ihren K�hlerglauben auf; ich kann
Sie versichern, es soll keiner der allerh�chsten Personen ein Haar
gekr�mmt werden; ich gehe hinaus auf den Kirchhof, lasse mir das Grab
der erw�rgten Desdemona zeigen, mache ihr meine Aufwartung und bitte
sie, diesmal ein Auge zuzudr�cken und mich zu erw�rgen.  Freilich hat
sie dann nur einen Grafen und kein f�rstliches Blut; doch einer
meiner Vorfahren hat auch eine Krone getragen!"

"Freveln Sie nicht so schrecklich", entgegnete der Alte; "wie leicht
kann Sie das Ungl�ck mit hinabziehen!  Mit solchen Dingen ist nicht
zu scherzen.  �berdies habe ich heute nacht im Traum einen gro�en
Trauerzug mit Fackeln gesehen, wie man F�rsten zu begraben pflegt."

"Schreckliche Visionen, guter Herr!" lachte der Major.  "Haben Sie
vielleicht vorher ein Gl�schen zu viel getrunken?  Und was ist
nat�rlicher, als da� Sie solches Zeug tr�umen, da Sie den ganzen Tag
mit Todesgedanken umgehen!"

Der Alte lie� sich nicht aus seinem Ernst herausschwatzen.  "Gerade
Sie, verehrter Herr, sollten nicht Spott damit treiben", sagte er.
"Ich habe Sie nie gesehen, bis zu jener Stunde, wo Sie mich mit dem
Herrn Grafen besuchten, und doch gingen wir beide heute nacht
miteinander dem Sarge nach, Sie weinten heftig."

"Immer k�stlicher wie lebhaft Sie tr�umen; darum mu�te ich hieher
kommen, um mit Ihnen, lieber Mann, im Traume spazieren zu gehen!"

"Brechen wir ab", erwiderte jener, "was kommen mu�, wird kommen, und
wir w�rden vielleicht viel darum geben, h�tten wir alles nur getr�umt.
Ich komme aber haupts�chlich zu Ihnen, um Sie zur Probe einzuladen.
Sie haben sich so gener�s gegen uns bewiesen, da� ich mir ein
Vergn�gen daraus mache, Ihnen unser Personal, namentlich die neue
S�ngerin zu zeigen."

Die Freunde nahmen freudig den Vorschlag an.  Der Graf schien wie
immer seine Heftigkeit zu bereuen, und diese Zerstreuung kam ihm
erw�nscht; auf dem Major hatten jene Ausbr�che einer Selbstanklage
schwer und dr�ckend gelegen; auch er nahm daher mit Dank diesen
Ausweg an, um einer n�hern Erkl�rung seines Freundes, die er eher
f�rchtete als w�nschte, zu entfliehen.



8.

Und wirklich schien auch seit jener Stunde der Graf diese Saite nicht
mehr ber�hren zu wollen; er schien wohl hin und wieder d�ster, ja die
Augenblicke des tiefen Grames kehrten wieder, aber nicht mit ihnen
das Gest�ndnis einer gro�en Schuld, das damals schon auf seinen
Lippen schwebte; er war verschlossener als sonst.  Der Major sah ihn
sogar einige Tage beinahe gar nicht; die Gesch�fte, die ihn in diese
Stadt gerufen hatten, lie�en ihm wenige Stunden �brig, und diese
pflegte gerade der Graf dem Theater zu widmen; denn sei es aus Lust
an der Sache selbst, oder um im Sinne der Geliebten zu handeln und
ihre Lieblingsoper recht gl�nzend erscheinen zu lassen, er war in
jeder Probe gegenw�rtig; sein richtiger Takt, seine ausgebreiteten
Reisen, sein feiner, in der Welt gebildeter Geschmack verbesserten
unmerklich manches, was dem Auge und Ohr selbst eines so scharfen
Kritikers, wie der Regisseur war, entgangen w�re; und der alte Mann
verga� oft stundenlang die schwarzen Ahnungen, die seine Seele
qu�lten, so sehr wu�te Graf Zronievsky sein Interesse zu fesseln.

So war 'Othello' zu einer Vollkommenheit fortgeschritten, die man
anfangs nicht f�r m�glich gehalten h�tte; die Oper war durch die
sonderbaren Umst�nde, welche ihre Auff�hrung bisher verhindert hatte,
nicht nur dem Publikum, sondern selbst den S�ngern neu geworden; kein
Wunder, da� sie ihr m�glichstes taten, um so gro�en Erwartungen zu
entsprechen, kein Wunder, da� man mit freudiger Erwartung dem Tag
entgegensah, der den Mohren von Venedig auf die Bretter rufen sollte.

Es kam aber noch zweierlei hinzu, das Interesse des Publikums zu
fesseln.  Der S�ngerin Fanutti war ein gro�er Ruf vorausgegangen, man
war neugierig, wie sie sich am Theater ausnehme, wie sie Desdemona
geben werde, eine Rolle, zu der man au�er sch�nem Gesang auch ein
h�heres tragisches Spiel verlangte.  Hiezu kam das leise Ger�cht von
den sonderbaren Vorf�llen, die jedesmal 'Othello' begleitet hatten;
die �lteren Leute erz�hlten, die j�ngeren sprachen es nach,
zweifelten, vergr��erten, so da� ein gro�er Teil des Publikums
glaubte, der Teufel selbst werde eine Gastrolle im 'Othello'
�bernehmen.

Der Major von Larun hatte Gelegenheit, an manchen Orten �ber diese
Dinge sprechen zu h�ren; am auffallendsten war ihm, da� man bei Hof,
wo er noch einige Abende zubrachte, kein Wort mehr �ber 'Othello'
sprach; nur Prinzessin Sophie sagte einmal fl�chtig und l�chelnd zu
ihm: "'Othello', h�tten wir denn doch herausgeschlagen, Ihrer
Krankheitstante, Baron, und der diplomatischen Drohung des Grafen
haben wir es zu danken; wie freue ich mich auf Sonntag, auf mein
Desdemona-Liedchen; wahrlich, wenn ich einmal sterbe, es soll mein
Schwanengesang werden."

"Gibt es Ahnungen?" dachte der Major bei diesen fl�chtig
hingeworfenen Worten, die ihm unwillk�rlich schwer und bedeutungsvoll
klangen; "die Sage von der gespenstigen Desdemona, die Furcht des
alten Regisseurs, seine Tr�ume vom Trauergeleite und dieser
Schwanengesang!" Er sah der holden lieblichen Erscheinung nach, wie
sie froh und freundlich durch die S�le glitt, wie sie, gleich dem
M�dchen aus der Fremde, jedem eine sch�ne Gabe, ein L�cheln oder ein
freundliches Wort darreichte--"wenn der Zufall es wieder wollte",
dachte er, "wenn sie st�rbe!" Er verlachte sich im n�chsten
Augenblicke selbst, er konnte nicht begreifen, wie ein solcher
Gedanke in seine vorurteilsfreie Seele kommen k�nne--er suchte mit
Gewalt dieses l�cherliche Phantom aus seiner Erinnerung zu verdr�ngen
--umsonst!  Dieser Gedanke kehrte immer wieder, �berraschte ihn
mitten unter den fremdartigsten Reden und Gegenst�nden, und immer
noch glaubte er, eine s��e Stimme fl�stern zu h�ren: "Wenn ich sterbe
--sei es mein Schwanengesang."

Der Sonntag kam und mit ihm ein sonderbarer Vorfall.  Der Major war
nachmittags mit dem Grafen und mehreren Offizieren ausgeritten.  Auf
dem Heimweg �berfiel sie ein Regen, der sie bis auf die Haut
durchn��te.  Die Wohnung des Grafen lag dem Tore zun�chst, er bat
daher den Major, sich bei ihm umzukleiden; einen Hut des Freundes auf
dem Kopf, in einen seiner �berr�cke geh�llt, trat der Major aus dem
Hause, um in seine eigene Wohnung zu eilen.  Er mochte einige Stra�en
gegangen sein, und immer war es ihm, als schleiche jemand allen
seinen Tritten nach.  Er blieb stehen, sah sich um, und dicht hinter
ihm stand ein hagerer, gro�er Mann in einem abgetragenen Rock.  "Dies
an Sie, Herr!" sagte er mit dumpfer Stimme und durchdringendem Blick,
dr�ckte dem Erstaunten ein kleines Billet in die Hand und sprang um
die n�chste Ecke.  Der Major konnte nicht begreifen, woher ihm, in
der v�llig fremden Stadt, solche geheimnisvolle Botschaft kommen
sollte?  Er betrachtete das Billet von allen Seiten, es war ein
feines, gl�nzendes Papier, in eine Schleife k�nstlich
zusammengeschlungen, mit einer sch�nen Kamee gesiegelt.  Keine
Aufschrift.  "Vielleicht will man sich einen Scherz mit dir machen",
dachte er und �ffnete es sorglos noch auf der Stra�e; er las und
wurde aufmerksam, er las weiter und erbla�te, er steckte das Papier
in die Tasche und eilte seiner Wohnung, seinem Zimmer zu.

Es war schon D�mmerung gewesen auf der Stra�e, er glaubte nicht recht
gelesen zu haben, er rief nach Licht.  Aber auch beim hellen Schein
der Kerzen blieben die unseligen Worte fest und drohend stehen.

"Elender!  Du kannst Dein Weib, Deine kleinen W�rmer im Elend
schmachten lassen, w�hrend Du vor der Welt in Glanz und Pracht
auftrittst?  Was willst Du in dieser Stadt?  Willst Du ein
ehrw�rdiges F�rstenhaus beschimpfen; seine Tochter so ungl�cklich
machen, als Du Dein Weib gemacht hast!  Fliehe; in der Stunde, wo Du
dieses liesest, wei� Pr.  Sph. das sch�ndliche Geheimnis Deines
Betrugs."

Der Major war keinen Augenblick im Zweifel, da� diese Zeilen an den
Grafen gerichtet, da� sie durch Zufall, vielleicht weil er in des
Freundes Kleidern �ber die Stra�e gegangen, in seine H�nde geraten
seien.  Jetzt wurden ihm auf einmal jene Ausbr�che der Verzweiflung
klar; es war Reue, Selbstverachtung, die in einzelnen Momenten die
gl�nzende H�lle durchbrochen, womit er sein tr�gerisches Spiel
bedeckt hatte.  Laruns Blicke fielen auf die Zeilen, die er noch
immer in der Hand hielt, jene Chiffern Pr.  Sph. konnten nichts
anderes bedeuten als den Namen des holden, jetzt so ungl�ckseligen
Gesch�pfes, das jener gewissenlose Verr�ter in sein Netz gezogen
hatte.  Der Major war ein Mann von kaltem, berechnendem Blick, von
starkem, konsequentem Geiste; er hatte sich selten oder nie von einem
Gegenstand �berraschen oder au�er Fassung setzen lassen, aber in
diesem Augenblick war er nicht mehr Herr �ber sich; Wut, Grimm,
Verachtung k�mpften wechselweise in seiner Seele.  Er suchte sich zu
bezwingen, die Sache von einem milderen Gesichtspunkt anzusehen, den
Grafen durch seinen Charakter, seinen grenzenlosen Leichtsinn zu
entschuldigen; aber der Gedanke an Sophie, der Blick auf "das Weib
und die armen kleinen W�rmer" des Elenden verjagten jede mildernde
Gesinnung, brausten wie ein Sturm durch seine Seele; ja, es gab
Augenblicke, wo seine Hand krampfhaft nach der Wand hinzuckte, um die
Pistolen herunterzurei�en und den schlechten Mann noch in dieser
Stunde zu z�chtigen.  Doch die Verachtung gegen ihn bewirkte, was
mildere Stimmen in seiner Brust nicht bewirken konnten; "er mu� fort,
noch diese Stunde", rief er; "die Ungl�ckliche, die er bet�rte, darf
um keinen Preis erfahren, welchem Elenden sie ihre erste Liebe
schenkte.  Sie soll ihn beweinen, vergessen; ihn verachten zu m�ssen,
k�nnte sie t�ten." Er warf diese Gedanken schnell aufs Papier, raffte
eine gro�e Summe, mehr als er entbehren konnte, zusammen, legte den
ungl�cklichen Brief bei und schickte alles durch seinen Diener an den
Grafen.

Es war die Stunde, in die Oper zu fahren; wie gerne h�tte der Major
heute keinen Menschen mehr gesehen, und doch glaubte er es der
Prinzessin schuldig zu sein, sie vor der gedrohten Warnung zu
bewahren.  Er sann hin und her, wie er dies m�glich machen k�nne, es
blieb ihm nichts �brig, als sie zu beschw�ren, keinen Brief von
fremden H�nden anzunehmen.

Er warf den Mantel um und wollte eben das Zimmer verlassen, als sein
Diener zur�ckkam, er hatte das Paket an den Grafen noch in der Hand.
"Seine Exzellenz sind soeben abgereist", sagte er und legte das Paket
auf den Tisch.

"Abgereist?" rief der Major, "nicht m�glich!"

"Vor der T�re ist sein J�ger, er hat einen Brief an Sie; soll ich ihn
hereinbringen?"

Der Major winkte, der Diener f�hrte den J�ger herein, der ihm weinend
einen Brief �bergab.  Er ri� ihn auf "Leben Sie wohl auf ewig!  Der
Brief, der, wie ich soeben erfahre, vor einer Stunde in Ihre H�nde
kam, wird meine Abreise sans Adieu entschuldigen.  Wird mein Kamerad
von sechs Feldz�gen einer geliebten Dame den Schmerz ersparen, meinen
Namen in allen Bl�ttern aufrufen zu h�ren? wird er die wenigen Posten
decken, die ich nicht mehr bezahlen kann?"

"Wann ist Euer Herr abgereist?"

"Vor einer Viertelstunde, Herr Major!"

"Wu�tet Ihr um seine Reise?"

"Nein, Herr Major!  Ich glaube, Seine Exzellenz wu�ten es heute
nachmittag selbst noch nicht; denn sie wollten heute abend ins
Theater fahren.  Um f�nf Uhr ging der Herr Graf zu Fu� aus und lie�
mich folgen.  Da begegnete ihm an der reformierten Kirche ein gro�er,
hagerer Mann, der bei seinem Anblick sehr erschrak.  Er ging auf
meinen Herrn zu und fragte, ob er der Graf Zronievsky sei?  Mein Herr
bejahte es; darauf fragte er, ob er vor einer Viertelstunde ein
Billet empfangen?  Der Herr Graf verneinte es.

Nun sprach der fremde Mann eine Weile heimlich mit meinem Herrn; er
mu� ihm keine gute Nachricht gegeben haben, denn der Herr Graf wurde
bla� und zitterte; er kehrte um nach Hause, schickte den Kutscher
nach Postpferden, ich mu�te schnell zwei Koffer packen; der
Reisewagen mu�te vorfahren.  Der Herr Graf verwies mich mit den
Rechnungen und allem an Sie und fuhr die Stra�e hinab zum S�der Tor
hinaus.  Er nahm vorher noch Abschied von mir, ich glaube f�r immer."

Der Major hatte schweigend den Bericht des J�gers angeh�rt; er befahl
ihm, den n�chsten Morgen wieder zu kommen und fuhr ins Theater.  Die
Ouvert�re hatte schon begonnen, als er in die Loge trat, er warf sich
auf einen Stuhl nieder, von wo er die f�rstliche Loge beobachten
konnte.  In allem Schmuck ihrer nat�rlichen Sch�nheit und Anmut sa�
Prinzessin Sophie neben ihrer Mutter.  Ihr Auge schien vor Freude zu
strahlen, eine heitere Ruhe lag auf ihrer Stirne, um den
feingeschnittenen Mund wehte ein holdes L�cheln.. vielleicht der
Nachklang eines heiteren Scherzes--sie hatte ja jetzt ihren Willen
durchgesetzt, 'Othello' war es, der den Saal und die Logen des Hauses
gef�llt hatte.  Jetzt nahm sie die Lorgnette vor das Auge, wie
letzthin schien sie eifrig im Hause nach etwas zu suchen--argloses
Herz; du schl�gst vergebens dem Geliebten entgegen; deine liebevollen
Blicke werden ihn nicht mehr finden, dein Ohr lauscht vergebens, ob
nicht sein Schritt im Korridor erschallt, du beugst umsonst den
sch�nen Nacken zur�ck, die T�re will sich nicht �ffnen, seine hohe,
gebietende Gestalt wird sich dir nicht mehr nahen.

Sie senkte das Glas; ein W�lkchen von get�uschter Erwartung und
Trauer lagerte sich unter den blonden Locken, die sch�nen Bogen der
Brauen zogen sich zusammen und lie�en ein kaum merkliches F�ltchen
des Unmuts sehen.  Die feinen seidenen Wimpern senkten sich wie eine
durchsichtige Gardine herab, sie schien zu sinnen, sie zeichnete mit
der Lorgnette auf die Br�stung der Loge.--Sind es vielleicht seine
Chiffern, die sie in Gedanken versunken vor sich hinschreibt?  Wie
bald wird sie vielleicht dem Namen fluchen, der jetzt ihre Seele
f�llt!

Dem Major traten unwillk�rlich Tr�nen in die Augen, als er Sophie
betrachtete.  "Noch ahnet sie nicht, was ihrer wartet", dachte er,
"aber nie, nie soll sie erfahren, wie elend der war, den sie liebte."
Der Gedanke an diesen Elenden bem�chtigte sich seiner aufs neue; er
dr�ckte die Augen zu, verfluchte die menschliche Natur, die durch
Leichtsinn und Schw�che aus einem erhabenen Geist, aus einem tapfern
Mann einen ehrvergessenen, treulosen Betr�ger machen k�nne.

Der Major hat oft gestanden, da� einer der schrecklichsten
Augenblicke in seinem Leben der gewesen sei, wo er im ersten
Zwischenakt 'Othellos' in die f�rstliche Loge kam.  Es war ihm zu Mut,
als habe er selbst an Sophien gefrevelt, als sei er es, der ihr Herz
brechen m�sse.  Der Gedanke war ihm unertr�glich, sie arglos,
gl�cklich, erwartungsvoll vor sich zu sehen und doch zu wissen, welch
namenloses Ungl�ck ihrer warte.  Er trat ein; ihre Blicke begegneten
ihm sogleich; sie hatte wohl oft nach der T�re gesehen.  Mit hastiger
Ungeduld �bersah sie einen Prinzen und zwei Generale, die sich ihr
nahen wollten, sie winkte den Major heran.  "Haben wir jetzt unsern
'Othello'?" sagte sie; "Sind Sie nicht auch gl�cklich,
erwartungsvoll?--doch einen unserer Othelloverschworenen sehe ich
nicht", fl�sterte sie leiser, indem sie leicht err�tete; "der Graf
ist sicherlich hinter den Kulissen, um recht warmen Dank zu verdienen,
wenn er alles recht sch�n machen l��t?"

"Verzeihen Euer Hoheit", erwiderte der Major, m�hsam nach Fassung
ringend; "der Graf l��t sich entschuldigen, er ist schnell auf einige
Tage verreist."

Sophie erbleichte; "verreist, also nicht in der Oper?  Wohin riefen
ihn denn so schnell seine Gesch�fte?  O, das ist gewi� ein Scherz,
den Sie beide zusammen machen", rief sie, "glauben Sie denn, er werde
nur so schnell weggehen, ohne sich zu beurlauben?  Nein, nein, das
gibt irgend einen h�bschen Spa�.  Jetzt wei� ich auch, woher mir ein
gewisses Briefchen zukam."

Der Major erschrak, da� er sich an dein n�chsten Stuhl halten mu�te.
"Ein Briefchen!" fragte er mit bebender Stimme, eine schreckliche
Ahnung stieg in ihm auf.

"Ja, ein zierliches Billetchen", sagte sie und lie� neckend das Ende
eines Papiers unter dem breiten Bracelet hervorgehen, das ihren
sch�nen Arm umschlo�.  "Ein Briefchen, das man recht geheimnisvoll
mir zugesteckt hat.  Ich sehe es Ihnen an den Augen an, Sie sind im
Komplott.  Ich habe noch keine Gelegenheit gefunden, es zu �ffnen,
denn einen solchen Scherz mu� man nicht �ffentlich machen, aber
sobald ich in mein Boudoir komme--"

"Durchlaucht! ich bitte um Gottes willen, geben Sie mir das Billet",
sagte der Major, von den schrecklichsten Qualen gefoltert; "es ist
gar nicht einmal an Sie, es ist in ganz unrechte H�nde gekommen."

"So? um so besser; das gebe ich um keine Welt heraus, das soll mir
Aufschlu� geben �ber die Geheimnisse gewisser Leute!  An eine Dame
war es also auf jeden Fall; es ist wirklich h�bsch, da� es gerade in
meine H�nde kam."

Der Major wollte noch einmal bitten, beschw�ren, aber der Prinz fuhr
mit seinem Kopf dazwischen, die beiden Generale fielen mit Fragen und
Neuigkeiten herein, er mu�te sich zur�ckziehen.  Verfolgt von
schrecklichen Qualen, ging er zu seiner Loge zur�ck, er pre�te seine
Augen in die Hand, um die Ungl�ckliche nicht zu sehen, und immer
wieder mu�te er von neuem hinschauen, mu�te von neuem die Qualen der
Angst, die Gewi�heit des nahenden Ungl�cks mit seinen Blicken
einsaugen.

Die Diamanten am Schlosse ihres Armbandes spielten in tausend
Lichtern, ihre Strahlen zuckten zu ihm her�ber, sie drangen wie
tausend Pfeile in sein Herz.  "Welchen Jammer verschlie�en jene
Diamanten!  Wenn sie im einsamen Gemach diese B�nder �ffnet, �ffnet
sie nicht zugleich die Pforte eines grauenvollen Frevels?  Ihr Puls
schl�gt an diese unseligen Zeilen, wie ihr Herz f�r den Geliebten
pocht; wird es nicht stille stehen, wenn das Siegel springt und das
ahnungslose Auge auf eine furchtbare Kunde f�llt?"

Desdemona stimmte ihre Harfe; ihre wehm�tigen Akkorde zogen fl�sternd
durch das Haus, sie erhob ihre Stimme, sie sang--ihren
Schwanengesang.  Wie wunderbar, wie m�chtig ergriffen diese
melancholischen Kl�nge jedes Herz; so einfach, so kindlich ist dieses
Lied, und doch von so hohem tragischem Effekt!  Man f�hlt sich bange
und beengt, man ahnt, welch grauenvolles Schicksal ihrer warte, man
glaubt den M�rder in der Ferne schleichen zu h�ren, man f�hlt die
unabwendbare Macht des Schicksals n�her und n�her kommen, es
umtauscht sie wie die Fittiche des Todes.  Sie ahnet es nicht; sanft,
arglos wie ein s��e Kind sitzt sie an der Harfe, nur die Schwermut
zittert in weichen Kl�ngen aus ihrer Brust hervor, aus diesem vollen,
liebewarmen Herzen, f�r das der Stahl schon gez�ckt ist.  Sie
fl�stert Liebesgr��e in die Ferne nach ihm, der sie zermalmen wird;
ihre Sehnsucht scheint ihn in ihre Arme zu rufen, er wird kommen--
sie zu morden; sie betet f�r ihn, Desdemona segnet ihn der ihr den
Fluch gibt.

Der Major teilte seine Blicke zwischen der S�ngerin und Sophien.  Sie
lauschte in Wehmut versunken auf das Lieblingslied, eine Tr�ne hing
in ihren Wimpern, sie weinte unbewu�t �ber ihr eigenes Geschick; die
Akkorde der Harfe vorschwebten, Sophie sah sinnend, tr�umend vor sich
hin.  "Wenn ich einst sterbe, soll es mein Schwanengesang sein",
klang es in der Erinnerung des Majors; "wahrlich! sie hat wahr
gesagt", sprach er zu sich, "es war der Schwanengesang ihres Gl�ckes."
Othello trat auf.  Sophiens Aufmerksamkeit war jetzt nicht mehr auf
die Oper gerichtet, sie sah herab auf ihr Armband, sie spielte mit
dem Schlo�; ein heiteres L�cheln verdr�ngte ihre Wehmut, ihre Blicke
streiften nach der Loge des Majors her�ber--er strengte angstvoll
seine Blicke an--Gott im Himmel, sie schiebt das ungl�ckselige
Papier hervor und verbirgt es in ihr Tuch--er glaubt zu sehen, wie
sie heimlich das Siegel bricht--verzweiflungsvoll st�rzt er aus
seiner Loge den Korridor entlang.  Er wei� nicht warum, es treibt ihn
mit unsichtbarer Gewalt der f�rstlichen Loge zu, er ist nur noch
einige Schritte entfernt--da h�rt er ein Ger�usch in dem.  Haus, man
kommt aus der Loge, Bediente und Kammerfrauen eilen �ngstlich an ihm
vor�ber, eine schreckliche Ahnung sagt ihm schon vorher, was es,
bedeute, er fragt, er erh�lt die Antwort.  "Prinzessin Sophie ist
pl�tzlich in Ohnmacht gesunkenen!"



9.

D�ster, zerrissen in seinem Innern, sa� einige Tage nach diesem
Vorfall der Major Larun in seinem Zimmer.  Seine Stirne ruhte in der
Hand, sein Gesicht war bleich, seine Augen halb geschlossen, der
sonst so starke Mann zerdr�ckte manche Tr�ne, die sich �ber seine
Wimpern stehlen wollte.  Er dachte an das schreckliche Geschick, in
dessen innerstes Gewebe ihn der Zufall geworfen; er sah alle diese
feinen F�den, die, wenigen Augen au�er ihm sichtbar, so lose sich
ankn�pften; er sah, wie sie weiter gesponnen, wie sie verkn�pft und
gedoppelt zu einem nur zu festen Netz um ein zartes, ungl�ckliches
Herz sich schlangen.  Unbesiegbare Bitterkeit mischte sich in diese
tr�ben Erinnerungen; sein alter Waffenfreund, ein so gl�nzendes
Meteor am Horizont der Ehre, ein so braver Soldat und jetzt ein
Elender, Ehrvergessener, der, ohne nur entfernt einen andern Ausgang
erwarten zu k�nnen, mit allen K�nsten der Liebe die unbewachten Sinne
eines kaum zur Jungfrau erbl�hten Kindes bet�rtet.  In diese Gedanken
mischte sich das Bild dieses so unendlich leidenden Engels, mischte
sich die Angst vor einer Szene, welcher er in der n�chsten Stunde
entgegengehen sollte.  Eine angesehene Dame, die Oberhofmeisterin der
Prinzessin Sophie, hatte ihn diesen Nachmittag zu sich rufen lassen.
Sie entdeckte ihm ohne Hehl, da� Sophie von einer schweren Krankheit
befallen sei, da� die �rzte wenig Hoffnung geben, denn sie nennen
ihre Krankheit einen Nervenschlag.  Sie sagte ihm weiter, die
Prinzessin habe ihr alles gesagt, sie habe ihr kein Wort dieses
strafbaren Verh�ltnisses verschwiegen.  Sie wisse, da� in der
Residenz nur ein Mensch lebe, der jenen Grafen Zronievsky n�her
gekannt habe, dies sei der Baron von Larun.  Mit einer Angst, einem
Verlangen, das an Verzweiflung grenze, dringe die Ungl�ckliche darauf,
mit ihm ohne Zeugen zu sprechen.  Die Oberhofmeisterin w��te wohl,
wie sehr dies gegen die Vorschriften laufe, welche die Etikette ihr
auferlegen, aber der Anblick des jammernden Kindes, das nur noch dies
eine Gesch�ft auf der Erde abmachen zu wollen schien, erhob sie �ber
die Schranken ihrer Verh�ltnisse, sie wagte es, dem Major den
Vorschlag zu machen, diesen Abend unter ihrer Begleitung heimlich zu
der Kranken zu gehen.

Der Major hatte nicht nein gesagt.  Er wu�te, da� er ihr nichts
Tr�stliches sagen k�nne, er f�hlte aber, wie in einem so tiefen Gram
das Verlangen nach Mitteilung un�berwindlich werden m�sse.

Aber was sollte er ihr sagen?  Mu�te er nicht bef�rchten, von ihrem
Anblick, von den tr�ben Erinnerungen der letzten Tage so bestimmt zu
werden, da� sein lauter Schmerz sie noch ungl�cklicher machte?  Er
war noch in diese Gedanken versunken, als ihm gemeldet wurde, da� man
ihn erwarte; die alte Oberhofmeisterin hielt in ihrem Wagen vor dem
Hause; er setzte sich schweigend neben ihre Seite.

"Sie werden die Prinzessin sehr schlecht finden", sagte diese Dame
mit Tr�nen; "ich gebe alle Hoffnung auf.  Ich kann mir nicht denken,
da� in der Unterredung mit Ihnen, Herr Baron, noch etwas Rettendes
liegen k�nne.  Wenn Sie ihr keinen Trost geben k�nnen, so verlischt
sie uns wie eine Lampe, die kein �l mehr hat, um ihre Flamme zu
n�hren; und wollten Sie ihr Trost, Hoffnung geben, so sind diese
Gef�hle in ihren Verh�ltnissen von so unnat�rlicher Art, da� ich
beinahe w�nschen m��te, sie m�ge eher sterben, als ihrem Hause
Schande machen."

"Also werde ich ihr den Tod bringen m�ssen", sagte der Major bitter
l�chelnd;--"wei� man in der Familie um diese Geschichten?  Was denkt
man von der Krankheit?"

"Wie ich Ihnen sagte, Herr Baron; die Familie, der Hof und die Stadt
wei� nicht anders, als da� sie sich erk�ltet haben mu�; die t�richten
Leute bringen auch noch die fatale Oper ins Spiel und lassen sie am
'Othello' sterben.  Was wir beide wissen, wei� sonst niemand; es gibt
einige Damen, die dieses Verh�ltnis fr�her ahnten, aber nicht genau
wu�ten."

"Und doch f�rchte ich", entgegnete der Major, indem er seinen
durchdringenden Blick auf die Dame an seiner Seite heftete, "ich
f�rchte, sie stirbt an einem sehr gewagten Bubenst�ck.  Man hat
dieses Verh�ltnis geahnt, nachgesp�rt, es wurde zur Gewi�heit, man
suchte eine Trennung herbeizuf�hren, man sp�rte die Verh�ltnisse des
Grafen aus--"

"Glauben Sie?" sagte die Oberhofmeisterin bla� und mit bebenden
Lippen, indem sie umsonst versuchte, den Blick des Majors auszuhalten.

"Man forschte diese Verh�ltnisse aus", fuhr der Major fort; "man
suchte ihn von hier wegzuschrecken, indem man ihm drohte, der
Prinzessin zu sagen, da� er verheiratet sei.  Bis hieher war der Plan
nicht �bel; es geh�rte einem solchen Elenden, da� man nicht gelinder
mit ihm verfuhr.  Aber man ging weiter; man wollte auch die
ungl�ckliche Dame schnell von ihrer Liebe heilen, man machte sie mit
dem Geheimnis des Grafen bekannt, man glaubte, sie werde alles �ber
Nacht vergessen.  Und hier war der Plan auf die Nerven eines
Dragoners berechnet, aber nicht auf das Herz dieses zarten Kindes."

"Ich mu� bitten, zu bedenken", entgegnete die Oberhofmeisterin mit
ihrer fr�heren K�lte, aber mit flehenden Blicken, "da� dieses zarte
Kind eine Prinzessin des f�rstlichen Hauses ist, da� sie erzogen
wurde, um mit Anstand �ber solche Mi�verh�ltnisse wegzugehen.  Sollte
wirklich irgend ein solcher Plan vorhanden gewesen sein, so kann ich
die Handelnden nicht tadeln, sie haben wahrhaftig geschickt operiert
-"

"Sie haben ihren Zweck erreicht, sie wird sterben", unterbrach sie
der Major.

"Ich h�tte meinen Zweck erreicht? mein Herr, ich mu� bitten--"

"Sie?" sagte Larun mit gleichg�ltiger Stimme; "von Ihnen, gn�dige
Frau, sprach ich nicht, ich sagte: sie, die Handelnden, die
Operierenden."

Die alte Dame bi� sich in die Lippen und schwieg. Wenige Augenblicke
nachher waren sie an einer Seitenpforte des Palais angelangt.  Ein
alter Diener f�hrte sie durch ein Labyrinth von Korridoren und
Treppen.  Endlich wurden die G�nge breiter, die Beleuchtung auf
elegantere Art angebracht, der Major bemerkte, da� sie in den
bewohnteren Fl�gel des Schlosses gelangt seien.  Der Alte winkte in
eine Seitent�re.  Der Weg ging jetzt durch mehrere Gem�cher, bis in
einen Salon, der wohl zu den Appartements der Prinzessin geh�ren
mochte, als die Oberhofmeisterin dem Major zufl�sterte, er m�chte
einstweilen in einem Fauteuil sich gedulden, bis sie ihn rufen lasse.

Nach einer t�dlich langen Viertelstunde erschien sie wieder.  Sie
sagte ihm, da� nach dem ausdr�cklichen Willen der Kranken er allein
mit ihr sein werde; sie selbst wolle sich als 'Garde de Dame' an die
T�re setzen, wo sie gewi� nichts h�ren k�nne, wenn man nicht gar zu
laut spreche.  �brigens d�rfe er nicht l�nger als eine
Viertelstunde bleiben.  Der Major trat ein.  Das prachtvolle Gemach
mit seinen schimmernden Tapeten und goldenen Leisten, die reiche
Draperie der Gardinen, die bunten Farben des t�rkischen Fu�teppichs
taten seinem Auge wehe, denn das Gem�t will ein leidendes Herz, einen
kranken K�rper nicht mit den Flittern der Hoheit umgeben sehen.  Und
wie gro� war der Kontrast zwischen diesem Glanz der Umgebung und
diesem zarten, lieblichen Kind, das in einem einfachen, wei�en Gewand
auf einer prachtvollen Ottomane lag.

Der Eindruck, den ihre Z�ge, ihre Gestalt, ihr ganzes Wesen zum
erstenmal auf ihn gemacht hatten, kehrte auch jetzt wieder in die
Seele des Majors.  Es war ihre einfache, ungeschm�ckte Sch�nheit,
ihre stille Gr��e, verborgen hinter dem Zauber kindlicher
Liebensw�rdigkeit, was ihn angezogen hatte.  Wohl blendete ihn damals
der Glanz der frischen, jugendlichen Farben, die lebhaft strahlenden
Augen, jenes gewinnende, huldvolle L�cheln, das ihre feinen rosigen
Lippen umschwebte.  Ein Nachtfrost hatte diese Bl�ten abgestreift;
aber gab ihr nicht diese durchsichtige Bl�sse, diese stille Trauer in
dem sinnigen Auge, dieser wehm�tige Zug um den Mund, der nie mehr
scherzte, eine noch erhabenere Sch�nheit, einen noch gef�hrlicheren
Zauber?  Der Major stand einige Schritte von ihr stille und
betrachtete sie mit tiefer R�hrung.  Sie winkte ihm nach einem
Taburett, das zu ihren F��en stand, sie sprach, ihre Stimme hatte
zwar jenes helle Metall verloren, das sonst ihre heiteren Scherze,
ihr fr�hliches Lachen ert�nen lie�, aber diese weichen, r�hrenden
T�ne drangen tiefer.--"Es w�re t�richt von mir, Herr Baron", sprach
sie, "wollte ich Sie lange in Ungewi�heit lassen, warum ich Sie rufen
lie�.  Ich wei�, da� der Graf Sie, als seinen besten Freund, von
einem Verh�ltnis unterrichtet hat, das nie h�tte bestehen sollen.--
Erinnern Sie sich noch des Abends in 'Othello'?  Ich sagte Ihnen von
einem Billet, das ich bekommen habe, ich erinnere mich, da� Sie mir
es wiederholt abforderten; warum haben Sie das getan?"

"Warum, fragen Euer Durchlaucht? weil ich den Inhalt ahnte, zu wissen
glaubte."

"Also doch!" rief sie, und eine Tr�ne drang aus ihrem sch�nen Auge;
"also doch!  Ich hielt Sie, seit dem ersten Augenblick, wo ich Sie
sah, f�r einen Mann von Ehre; wenn Sie die Verh�ltnisse des Grafen
wu�ten, warum haben Sie ihn nicht b�lder entfernt, warum mir nicht
den Schmerz erspart, ihn verachten zu m�ssen?"

"Ich kann bei allem, was mir heilig ist, bei meiner Ehre schw�ren",
entgegnete der Major, "da� ich kaum eine Stunde, bevor ich zu Eurer
Durchlaucht in die Loge trat, diese Verh�ltnisse durch ein Papier
erfahren habe, das durch Zufall, statt in des Grafen H�nde, in die
meinigen kam.  Als ich den Grafen dar�ber zur Rede stellen wollte,
hatte er schon Nachricht davon bekommen und war abgereist.  Ich ahnte
aus gewissen Winken, die jenes Briefchen enthielt, da� auch Sie nicht
verschont bleiben w�rden; umsonst versuchte ich das ungl�ckliche
Bl�ttchen Eurer Durchlaucht abzuschwatzen."

"Sie glauben also an diese Erfindung?" fragte Sophie, indem ihre
Tr�nen heftiger str�mten; "ach, es ist ja nur ein Kunstgriff gewisser
Leute, die ihn von uns entfernen wollten.  Lesen Sie dieses Billet,
es ist dasselbe, das ich erhielt; gestehen Sie selbst, es ist
Verleumdung!"

Der Major las: "Der Graf v.  Z. ist verheiratet; seine Gemahlin lebt
in Avignon; drei kleine Kinder weinen um ihren Vater.--Sollte eine
erlauchte Dame so wenig Ehrgef�hl, so wenig Mitleid besitzen, ihn
diesen Banden noch l�nger zu entziehen?"

Es war dieselbe Handschrift, dasselbe Siegel wie jenes Billets, das
er selbst bekommen hatte.  Er sah noch immer in diese Zeilen; er
wagte nicht, aufzuschauen, er wu�te nicht zu antworten; denn seine
strengen Begriffe von Wahrheit erlaubten ihm nicht, gegen seine
�berzeugung zu sprechen; das tiefe Mitleid mit ihrem Schmerz lie� ihn
ihre Hoffnung nicht so grausam niederschlagen.

"Sehen Sie", fuhr sie fort, als er noch immer schwieg "wie ich dieses
Briefchen arglos, neugierig erbrach, so �berraschten mich jene
schrecklichen Worte Gatte, Vater wie eine Stimme des Gerichtes.  Die
Sinne schwanden mir; ich wurde recht krank und elend; aber so oft ich
nur eine Stunde mich leichter f�hle, steigt meine Hoffnung wieder;
ich glaube, Zronievsky kann doch nicht so gar schlecht gewesen sein,
er kann mich nicht so schrecklich betrogen haben.  L�cheln Sie doch,
Major, seien Sie freundlich.

--Ich erlaube Ihnen, Sie d�rfen mich verspotten, weil ich mich durch
diese Zeilen so ganz au�er Fassung bringen lie�--aber nicht wahr,
Sie meinen selbst, es ist eine L�ge, es ist Verleumdung?"

Der Major war au�er sich; was sollte er ihr sagen?  Sie hing so
erwartungsvoll an seinen Lippen, es war, als sollte ein Wort von ihm
sie ins Leben rufen ihr Auge strahlte wieder, jenes holde L�cheln
erschien wieder auf ihren lieblichen Z�gen--sie lauschte wie auf die
Botschaft eines guten Engels.

Er antwortete nicht, er sah finster auf den Boden; da verschwand
allm�hlich die frohe Hoffnung aus ihren Z�gen, das Auge senkte sich,
der kleine Mund pre�te sich schmerzlich zusammen, das zarte Rot, das
noch einmal ihre Wangen gef�rbt hatte, floh; sie senkte ihre Stirne
in die sch�ne Hand, sie verbarg ihre weinenden Augen.

"Ich sehe", sagte sie, "Sie sind zu edel, mir mit Hoffnungen zu
schmeicheln, die nach wenigen Tagen wieder verschwinden m��ten.  Ich
danke Ihnen, auch f�r diese schreckliche Gewi�heit.  Sie ist immer
besser als das ungewisse Schweben zwischen Schmerz und Freude; und
nun, mein Freund, nehmen Sie dort das K�stchen, suchen Sie es ihm
zuzustellen, es enth�lt manches, was mir teuer war--doch nein,
lassen Sie es mir noch einige Tage, ich schicke es Ihnen, wenn ich es
nicht mehr brauche.

Es ist mir, als werde ich nicht mehr lange leben", fuhr sie nach
einigen Augenblicken fort; "ich bin gewi� nicht abergl�ubisch, aber
warum mu� ich gerade nach diesem fatalen 'Othello' krank werden?"

"Ich h�tte nicht gedacht, da� dieser Gedanke nur einen Augenblick Ew.
Durchlaucht Sorge machen k�nnte!" sagte der Major.

"Sie haben recht, es ist t�richt von mir; aber in der Nacht, als man
mich krank aus der Oper brachte, tr�umte mir, ich werde sterben.
Eine ernste, finstere junge Dame kam mit einem Plumeau von roter
Seide auf mich zu, deckte ihn �ber mich her und pre�te ihn immer
st�rker auf mich, da� ich beinahe erstickte.  Dann kam pl�tzlich mein
Gro�oheim, der Herzog Nepomuk, geradeso, wie er gemalt in der Galerie
h�ngt, und befreite mich von dem beengenden Druck, und das
Sonderbarste ist--"

"Nun?" fragte der Baron l�chelnd, "was fing denn der gemalte Herzog
mit Desdemona an;"

Die Prinzessin staunte.  "Woher wissen Sie denn, da� die Dame
Desdemona ist?  Ich beschw�re Sie, woher wissen Sie dies?"

Der Major schwieg einen Augenblick verlegen.  "Was ist nat�rlicher",
antwortete er dann, "als da� Sie von Desdemona tr�umen?  Sie hatten
sie ja am Abende zuvor in einem roten Bette verscheiden sehen."

"Sonderbar, da� Sie auch gleich auf den Gedanken kamen.  Das
Sonderbarste aber ist, ich wachte auf, als der Herzog mich befreite,
ich wachte in der Tat auf und sah--wie jene Dame mit dem Plumeau
unter dem Arm langsam zur T�re hinausging.  Seit dieser Nacht tr�ume
ich immer dasselbe, immer beengender wird ihr Druck, immer sp�ter
kommt mir der Herzog zu Hilfe, aber immer sehe ich sie deutlich aus
dem Zimmer schweben Und als ich gestern abend mir die Harfe bringen
lie� und mein liebes Desdemona-Liedchen spielte, da--spotten Sie
immer �ber mich! da ging die T�re auf und jene Dame sah ins Zimmer
und nickte mir zu."

Sie hatte dieses halb scherzend, halb in Ernst erz�hlt; sie wurde
ernster; "nicht wahr, Major", sagte sie, "wenn ich sterbe, gedenken
Sie auch meiner?  Das Andenken eines solchen Mannes ist mir wert."
"Prinzessin!" rief der Major, indem er vergebens seine Wehmut zu
bezwingen suchte, "entfernen Sie doch diese Gedanken, die unm�glich
zu Ihrer Genesung heilsam sein k�nnen!"

Die Oberhofmeisterin erschien in der T�re und gab ein Zeichen, da�
die Audienz zu Ende sein m�sse.  Sophie reichte dem Major die Hand
zum Kusse, er hat nie mit tieferen Empfindungen von Schmerz, Liebe
und Ehrfurcht die Hand eines M�dchens gek��t.  Er erhob sein Auge
noch einmal zu ihr auf, er begegnete ihren Blicken, die voll Wehmut
auf ihm ruhten.  Die Oberhofmeisterin trat mit einer Amtsmiene n�her;
der Major stand auf; wie schwer wurde es ihm, mit kalten
gesellschaftlichen Formen sich von einem Wesen zu trennen, das ihm in
wenigen Minuten so teuer geworden war.

"Ich hoffe", sagte er, "Euer Durchlaucht bei der n�chsten Cour ganz
hergestellt wiederzusehen."

"Sie hoffen, Major?" entgegnete sie schmerzlich l�chelnd; "leben Sie
wohl, ich habe zu hoffen aufgeh�rt."



10.

Die Residenz war einige Tage mit nichts anderem als der Krankheit der
geliebten Prinzessin besch�ftigt; man sagte sie bald sehr krank, bald
gab man wieder Hoffnung; ein Schwanken, das f�r alle, die sie n�her
kannten, schrecklich war.  An einem Morgen, sehr fr�he, brachte ein
Diener dem Major ein K�stchen.  Ein Blick auf dieses wohlbekannte
Beh�ltnis und auf die Trauerkleider des Dieners �berzeugten ihn, da�
die Prinzessin nicht mehr sei.  Es war ihm, als sei dieses liebliche
Wesen ihm, ihm allein gestorben.  Er hatte viel verloren auf der Erde,
und doch hatte kein Verlust so empfindlich, so tief seine Seele
ber�hrt als dieser.  Es war ihm, als habe er nur noch ein Gesch�ft
auf der Erde, das Verm�chtnis der Verstorbenen an seinen Ort zu
bef�rdern; er w�rde diese Stadt, die so dr�ckende Erinnerungen f�r
ihn hatte, sogleich verlassen haben, h�tte ihn nicht das Verlangen
zur�ckgehalten, ihre sterblichen Reste beisetzen zu sehen.  Als die
feierlichen Kl�nge aller Glocken, als die Trauert�ne der Musik und
die langen Reihen der Fackeltr�ger verk�ndeten, da� Sophie zu der
Gruft ihrer Ahnen gef�hrt werde, da verlie� er zum erstenmal wieder
sein Haus und schlo� sich dem Zuge an.  Er h�rte nicht auf das
Gefl�ster der Menschen, die sich �ber die Ursachen ihrer Krankheit,
ihres Todes besprachen; er hatte nur einen Gedanken, nur jener
Augenblick, wo ihr Auge noch einmal auf ihm geruht hatte, wo seine
Lippen ihre Hand ber�hrten, stand vor seiner Seele.  Man nahm die
Insignien ihrer hohen Geburt von der Bahre, man senkte sie langsam
hinab zum Staub ihrer Ahnen.  Die Menge verlor sich, die Begleiter
l�schten ihre Fackeln aus und verlie�en die Halle; der Major warf
noch einen Blick nach der Stelle, wo sie verschwunden war, und ging.

Vor ihm ging mit unsicheren, schleppenden Schritten ein alter Mann,
der heftig weinte.--Als der Major an seiner Seite war, sah jener
sich um, es war der Regisseur der Oper.  Der Alte trat n�her zu ihm,
sah ihn lange an, schien sich auf etwas zu besinnen und sprach dann:
"M�chten Sie nicht, Herr Baron, wir h�tten nur getr�umt, und jenes
liebliche Kind, das man begraben hat, w�re noch am Leben?"

"Warum mahnen Sie mich!" rief der Major mit unwillk�rlichem Grauen;
"ja, bei Gott, es ist so, wie Sie tr�umten; sie ist begraben, und wir
beide gehen nebeneinander von ihrem Grab."

"Drum soll der Mensch nie mit dem Schicksal scherzen", sagte der Alte
mit tr�bem Ernst.  "Ist es heute nicht elf Tage, da� wir 'Othello'
gaben?  Am achten ist sie gestorben."

"Zufall, Zufall!" rief der Major.  "Wollen Sie Ihren Wahnsinn auch
jetzt noch fortsetzen? wei� ich nicht nur zu gut, an was sie starb?
Wohl hat ein Dolch ihre Seele, wie Desdemonas Brust, durchsto�en; ein
Elender, schw�rzer als Ihr Othello, hat ihr Herz gebrochen; aber
dennoch ist es Aberglauben, Wahnsinn, wenn Sie diesen Tod und Ihre
Oper zusammenreimen!"

"Unser Streit macht sie nicht wieder lebendig", sagte der Alte mit
Tr�nen.  "Glauben Sie, was Sie wollen, Verehrter! ich werde es, wie
ich es wei�, in meiner Opernchronik notifizieren.  Es hat so kommen
m�ssen!"

"Nein!" erwiderte der Major beinahe w�tend, "nein, hat nicht so
kommen m�ssen; ein Wort von mir h�tte sie vielleicht gerettet.
Bringen Sie mir um Gottes willen Ihren 'Othello' nicht ins Spiel; es
ist Zufall, Alter; ich will es haben, es ist Zufall!"

"Es gibt, mit Ihrer Erlaubnis, keinen Zufall; es gibt nur Schickung.
Doch ich habe die Ehre, mich zu empfehlen, denn hier ist meine
Behausung.  Glauben Sie �brigens, was Sie wollen", setzte der Alte
hinzu, indem er die kalte Hand des Majors in der seinigen pre�te,
"das Faktum ist da, sie starb--acht Tage nach 'Othello'."

Ende diese Projekt Gutenberg Etextes Othello, von Wilhelm Hauff.






End of the Project Gutenberg EBook of Othello, by Wilhelm Hauff

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